Den Vormittag vertrödelten Tom, Phil und Klaus mit einem Stadtrundgang. In der Innenstadt herrschte ein wildes Durcheinander altehrwürdiger Villen, dreistöckiger Zweckbauten aus Beton und Neubauten in allen Größen und Fertigstellungsgraden. Der große Souk in der Nähe des Hafens war für Klaus ein Abenteuer.
„Wir müssen gehen," sagte Tom gegen Mittag. „Wir haben gleich einen Termin. Willst Du in der Stadt bleiben?"
„Ich sehe mich noch ein bisschen um," meinte Klaus. „Wann kommt Ihr denn wieder?"
„Keine Ahnung."
„Ihr sagt mir nicht, was Ihr vorhabt, oder?"
„Wir helfen, zwei deutsche Geschäftsleute festzunehmen."
Klaus schüttelte den Kopf in der Annahme, sie würden ihn wieder einmal hochnehmen, und sagte:
„Okay, ich frag nie wieder."
Hassan fuhr Tom und Phil zu einem Neubau im Regierungsviertel. In seinem Büro im vierten Stock empfing sie Oberstleutnant Al-Marzouki, ein drahtiger, hochgewachsener junger Mann mit kleinen schwarzen Löckchen.
„Ich freue mich, Euch zu sehen," sagte er und schüttelte Tom und Phil die Hand. „Ihr wisst, um was es geht. Ich werde ganz normal verhandeln und heftig um den Preis feilschen. Ich werde zwei-, dreimal laut werden. Du bremst mich dann, Phil. Tom, Du sagst gar nichts. Ich werde ärgerlich und verlasse das Zimmer. Vielleicht könnt Ihr sie dann verleiten, einen Fehler zu machen. Wenn ich wiederkomme, sagst Du mir, warum ich sie verhaften soll, Phil. Habt Ihr Fragen?"
„Sie kommen mir bekannt vor. Kennen wir uns?" fragte Tom.
„Kennen ist übertrieben," antwortete Al-Marzouki. „Ich war dabei, als Du Major wurdest. Verdientermaßen, wie ich finde. Das gilt für Euch beide."
„Wusste ich's doch. Darf ich Sie was Persönliches fragen?"
„Nur zu. Ich heiße übrigens Mansour."
„Wie alt bist Du? Du siehst jünger aus als die Oberstleutnants, die ich in Deutschland kenne."
Tatsächlich kannte Tom überwiegend solche, die schon in der Wehrmacht gedient hatten.
„Ich bin 24. Ich durfte nach meiner Grundausbildung in London Ökonomie studieren und bin dann sehr schnell befördert worden. Aber wenn Ihr so weitermacht, seid Ihr mit 24 mindestens Oberst."
„Nicht, wenn ich es vermeiden kann," meinte Tom.
Mansour setzte eine Schirmmütze auf, Tom und Phil trugen schwarze Barette und ebenso schwarze Sonnenbrillen. Sie gingen eine Treppe hinunter. In einem Besprechungsraum warteten zwei Männer, die trotz Klimaanlage schwitzten. Als die drei Uniformierten den Raum betraten, standen sie auf.
Herr Schöttle war klein und untersetzt. Sein schwarzes Haar war so drapiert, dass es seine Halbglatze eindrucksvoll unterstrich. Herr Mayr war groß und etwas übergewichtig. Seine Haar- und Barttracht verriet Tom, dass er nach seiner Ankunft in Tripolis einen Frisör aufgesucht hatte. Beide trugen blaue Anzüge, weiße Hemden und gelb-schwarz quergestreifte Krawatten. Sie wirkten verunsichert, möglicherweise, weil sie seit zwei Stunden warteten. Wie Verbrecher wirkten sie ganz und gar nicht.
Mansour, Tom und Phil grüßten militärisch.
„Ich bin Oberstleutnant Al-Marzouki, wir haben korrespondiert. Setzen wir uns doch. Wie gefällt Ihnen Tripolis?"
Tom und Phil stellte er nicht vor - auch das ein weiterer Versuch, die Besucher zu verunsichern. In einem putzigen, schwäbisch gefärbten Englisch, das Tom zwang, sich zusammenzureißen, um nicht aus seiner Rolle zu fallen, lobte Herr Schöttle die Stadt in den höchsten Tönen. Mansour verwickelte die beiden Deutschen in ein freundliches, viertelstündiges Gespräch über ihre Familie und Heimat, um dann unvermittelt in einen aggressiven Verhandlungsmodus zu wechseln:
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Die richtigen Leute Band 7: Regentanz in Obervolta
Historical FictionAufgrund ihrer Verbindungen nach Libyen werden Tom und seine Freunde immer tiefer in die politischen Entwicklungen des Jahres 1972, insbesondere in Deutschland und arabischen Ländern, verwickelt. Zuerst wird Phil mit den deutschen TV-Journalisten Ha...