18 Wir haben ein Flugzeug zu entführen

4 3 0
                                    

In dem Büro des deutschen Fernsehsenders am Leicester Place verfolgte Hans-Gerd Hacker die 7-Uhr-Nachrichten der BBC. Der neue Praktikant Phil hatte nicht zu viel versprochen, als er ihm riet, die Nachrichten aus Libyen zu verfolgen. Die Bilder aus Tripolis waren allerdings verstörend.

Die offenen Särge der toten München-Attentäter, die selbst etliche Menschenleben ausgelöscht hatten, wurden durch eine riesige, jubelnde Menschenmenge getragen. Der Revolutionsführer, Obert Gaddafi, bellte markige Worte.

In München verfolgte der Londoner Studioleiter dasselbe Geschehen. Die schnelle Überführung der Mörder nach Libyen hatte wohl etwas mit Phil zu tun, nach dessen Hinweis er dem Nahoststudio einen Tipp gegeben hatte, ein Team nach Tripolis zu entsenden, aber in der Kürze der Zeit ließ sich kein Visum für Libyen beschaffen.

***

Als Phil mit seiner Kameltruppe zu dem Zeltlager in der Wüste südöstlich von Tripolis zurückkehrte, erstattete der Funker aufgeregt Bericht über die Jubelfeier. Phil übersetzte, was der Soldat ihm mitgeteilt hatte:

„Die Leichen aus München sind schon in Libyen. Es soll einen riesigen Auflauf in Tripolis geben."

„Das nenne ich mal prompte Erledigung," kommentierte Klaus.

„Der zweite Teil wird wohl nicht ganz so glatt über die Bühne gehen," unkte Phil. „Ich habe Hunger. Hassan, wann gibt's Essen?"

„Eine Stunde, eineinhalb."

„Dann sollten wir die Zeit nutzen. Tom, wie sieht das eigentlich mit Training bei der Bundeswehr aus?"

„Drei Stunden Sport in der Woche, das ist alles. Laufen, Handball spielen und sowas. Die bräuchten mal einen wie Spiros."

„Also gut, Männer, Training!" befahl Phil, und niemand murrte.

Unter Phils Anleitung machten sie ein bisschen Krafttraining, das schweißtreibend war. Das Zeltdorf lag windgeschützt, und entsprechend hoch war die Temperatur. Bei den anschließenden Trainingskämpfen achteten sie darauf, niemandem ein blaues Auge zu verpassen, denn das hätte sich in den Verhandlungen der nächsten Tage nicht gut gemacht. Klaus konnte ihnen aufgrund seiner Einzelkämpferausbildung noch einiges beibringen. In dem abschließenden Kampf, zu dem ihn Phil herausforderte, hatte er allerdings keine Chance.

In der Dämmerung gab es dann endlich Abendessen, Hirsebrei mit Hammelfleisch und Minzsoße.

„Verdammt, ich vermisse die Bundeswehrkantine," grinste Klaus, „den Erbseneintopf mit Brühwurst, die Sülze mit Kartoffelsalat und all die anderen leckeren Sachen. Habt Ihr am 7. Juli auch Leber gekriegt?"

„Wer nicht?" versetzte Tom. „Das einzige Mal, dass es an einem Freitag keinen Fisch gab. Die Leber war hart wie eine Schuhsohle."

„Wieso erinnert Ihr Euch daran, was es am 7. Juli zu essen gab?" fragte Phil.

„Wir haben an dem Tag einen neuen Verteidigungsminister bekommen. Der heißt Leber," erklärte Klaus.

Am Abend erlaubte Phil ihnen einen Joint. Er spielte einige irische Lieder auf dem Akkordeon, die Tom mitsingen konnte. Dann ging er zu den orientalischen Stücken über, die er zusammen mit den Uptones und den Musikern von der Euböa eingeübt hatte. Tom und Ahmed sprangen auf und tanzten, und die anderen machten bald auch mit. Bis auf den Funker waren alle in dem großen Zelt. Es wurde eine richtig schöne Party. Fehlten nur die Frauen. Um Mitternacht wurde der Funker abgelöst. Die Soldaten legten ihre Gebetsteppiche neben den Zelten aus und verrichteten das Nachtgebet.

„Kommst Du mit?" fragte Phil Tom.

Tom folgte ihm, und im Gegensatz zu Phils Gebet in Bonn, bei dem er nur zugeschat hatte, kniete er sich neben die anderen und machte nach, was sie vormachten. Er dachte an Nikos, an Sophia, und an Samir. Die hässlichen Umstände, die Phil, Klaus und ihn an diesen wunderbaren Ort geführt hatten, waren weit weg. Er spürte, wie er ganz ruhig wurde. Als die anderen aufstanden, flüsterte er Phil zu:

Die richtigen Leute Band 7: Regentanz in ObervoltaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt