Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Das Fernsehen brachte zwar viele Berichte, aber der Informationsgehalt war gering.
„Was soll denn der Schwachsinn?" rief Phil, als Live-Bilder von Leuten in Sportanzügen gezeigt wurden, die mit Gewehren auf den Gebäuden im Olympischen Dorf herumturnten. „Die wollen doch wohl nicht im Ernst stürmen!"
„Dann hätten sie's hinter sich," versetzte Tom sarkastisch. „Sag mal, Phil, ist das nicht Dein Chef aus London, der da im Fernsehen spricht?"
„Er sagte, dass er für die Dauer der Spiele nach München geht," bestätigte Phil seine Vermutung. „Das hat er sich wohl etwas anders vorgestellt. Wenigstens haben sie endlich die Spiele unterbrochen."
Gegen neun Uhr kam Bilski allein in das Teehaus. Er war um Jahre gealtert.
„Es ist ein Albtraum," stöhnte er. „Sie wollten stürmen. Da war es fast schon Glück, dass das live im Fernsehen lief. So mussten sie es abblasen. Die Terroristen haben sich wahrscheinlich schlapp gelacht, als sie das gesehen haben. Die haben schließlich auch Fernseher. Und nun kommt es so, wie die Israelis es ausgearbeitet haben. Nicht genauso, aber jedenfalls sollen Scharfschützen die Geiselnehmer erschießen."
„Wo wird von dem Plan abgewichen?" wollte Phil wissen.
„Die Schützen kriegen keine Nachtsichtgeräte, " antwortete Bilski mit einem tiefen Seufzer. "Die Polizei hat nichts Passendes. Sie wollen sich damit behelfen, die Geiselnehmer mit starken Scheinwerfern zu blenden. Wenigstens bekommen sie Panzerwagen."
Die jungen Männer konnten es nicht glauben.
„Selbst ich habe beim Bund schon mit Nachtsichtfernrohr geschossen. Das kann nicht wahr sein, blenden," sagte Tom.
„Weißt Du, wie viele Schützen es sind?" fragte Phil
„Fünf, für jeden Terroristen einen."
„Ihr glaubt immer noch, dass das nur fünf sind?"
„In München, ja. Wir haben ihnen gesagt, dass es wahrscheinlich mehr sind."
Phil schüttelte den Kopf:
„Ganz ehrlich, die können nicht wirklich annehmen, dass die das so hinkriegen. Als ob die Palästinenser keine Handgranaten zünden könnten, nur weil es ein bisschen hell ist. Und was wollen sie mit Panzerwagen anfangen? Wenn die Palästinenser die sehen, wissen sie sofort, dass es eine Falle ist."
Bilski verabschiedete sich bis später und ließ vier aufgewühlte junge Männer zurück.
„Mach den Fernseher aus, ich kann's nicht mehr sehen," sagte Tom, als zum x-ten Mal die Polizisten auf den Balkonen und Dächern gezeigt wurden.
„Kompromiss: wir schalten den Ton weg," schlug Phil vor.
Sie saßen um den Tisch und stierten ins Leere. Keiner wusste mehr, was er noch sagen sollte. Toms Hemd war inzwischen komplett nass. Er ging mit seinem Seesack in die Küche und zog sich Jeans und T-Shirt an.
„Das mache ich auch," sagte Klaus erleichtert.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit gegen zehn Uhr klingelte das Telefon. Es war Bilski:
„Es geht los. Sie fliegen mit zwei Hubschraubern nach Fürstenfeldbruck. Da steht eine Lufthansa-Maschine. Auf dem Weg von den Hubschraubern zum Flugzeug erfolgt der Zugriff. Und übrigens: die Panzerwagen schaffen es nicht rechtzeitig. Sie stehen im Stau. Die Straßen sind voller Gaffer."
Tom war entsetzt:
„Die haben das nicht abgesperrt?"
„Angeblich haben sie nicht genug Polizisten dafür," seufzte Bilski.
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Die richtigen Leute Band 7: Regentanz in Obervolta
Historical FictionAufgrund ihrer Verbindungen nach Libyen werden Tom und seine Freunde immer tiefer in die politischen Entwicklungen des Jahres 1972, insbesondere in Deutschland und arabischen Ländern, verwickelt. Zuerst wird Phil mit den deutschen TV-Journalisten Ha...