13 Schwarzer September

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„Sie halten Verhandlungen für sinnlos?" fragte der MAD-Chef Phil nach dessen deprimierender Lagebeurteilung.

„Nein," widersprach Phil. „Man wird durch Verhandlungen die Geiseln nicht freibekommen, aber man kann Zeit gewinnen, um dann vielleicht doch ein paar Spezialisten zusammenzutrommeln und einen Versuch zu wagen, die Geiseln zu befreien. Die Israelis können das, ein paar Geheimdienstleute oder Elitesoldaten sicher auch. Ihr müsst eben so lange verhandeln, bis die einsatzbereit sind und einen vernünftigen Plan haben."

Der Minister griff ein:

„Soldaten der Bundeswehr dürfen wir nicht einsetzen, und die Israelis wird die Bundesregierung schon gar nicht hier operieren lassen. Punkt. Moment mal."

Er ging an das Telefon auf der Anrichte, das klingelte. Er hörte angestrengt zu und legte auf.

„Neuigkeiten. Keine arabische Regierung hat sich bereit erklärt, die Geiselnehmer und die Geiseln aufzunehmen. Das Ultimatum wird wahrscheinlich verlängert. Zurück zum Thema. Wie schätzt Ihr das Risiko bei einer gewaltsamen Befreiung ein?"

„Wenn das Quartier gestürmt wird, gibt es ein Blutbad ohne Überlebende," meinte Phil. „Keine Option, oder?"

Tom dachte laut über Alternativen nach:

„Wenn es nicht möglich ist, das Haus zu stürmen, kann man die Geiseln nur befreien, wenn man alle Geiselnehmer gleichzeitig ausschaltet. Das geht eigentlich nur draußen, zum Beispiel, wenn sie zu einem Flugzeug gebracht werden. Dann werden genug Scharfschützen mit freier Sicht gebraucht, die aber sehr gut versteckt sein müssen. Wenn die Palästinenser Lunte riechen, zünden sie ein paar Handgranaten, und die Geiseln sind tot. Die Palästinenser auch, aber das ist ihnen egal. Die Schützen müssen besser sehen können als die Geiselnehmer. Das geht nur nachts, wenn die Polizisten Nachtsichtgeräte haben. Phil, sag was."

„Theoretisch könnte das klappen. Aber wenn ein einziger Palästinenser lange genug überlebt, um den Splint aus einer Handgranate zu ziehen, sind die Geiseln tot. Das heißt mit anderen Worten, praktisch wird das nicht funktionieren."

„Wir können aber nicht nichts tun," entgegnete der Minister.

„Typisch Politiker," versetzte der MAD-Chef. „Wir wissen, es ist sinnlos, was wir machen, Hauptsache wir können hinterher sagen, wir haben was gemacht."

„Herzlichen Dank" giftete der Minister zurück. „Sie meinen also, wir sollten nichts tun, ja?"

„Nein, das meine ich nicht. Die jungen Männer haben recht. Wir brauchen Zeit, und wir brauchen Spezialisten, wenn wir eine Chance haben wollen, so klein sie sein mag. Lassen Sie die Israelis die Sache machen. Die können sowas. Grundgesetz hin oder her."

Bilski übernahm das Kommando:

„Wir müssen ins Kanzleramt. Wir werden das ansprechen." Er wandte sich an den Minister und die Geheimdienstler. „Geht Ihr schon mal vor, ich komme gleich."

Die drei Angesprochenen gingen, und Bilski bat Tom und Phil auf die Veranda über dem Rheinufer.

„Ich glaube, wir sind uns einig, dass das schiefgeht, wenn nicht ein Wunder geschieht. Fragt sich nur, wann. Richtig?"

„Wenn die Verhandlungen, sagen wir, auf zwei Tage ausgedehnt werden, und wenn die Israelis die Geiselbefreiung übernehmen, und wenn sie ganz viel Glück haben, dann gibt es eine kleine Chance," meinte Phil. „Wenn nicht, dann geht's schief."

„Der Krisenstab will keine langen Verhandlungen. Sie meinen immer noch, sie können die Spiele retten. Ich könnte kotzen, weil die einfach weiterlaufen. Wie fühlt sich ein Läufer im Startblock, der weiß, dass ein paar hundert Meter weiter Sportler ermordet werden?" Er schüttelte sich. „Was anderes. Motte und ich haben kurz andiskutiert, wie es dann weiterginge, ich meine, wenn die Befreiung nicht klappt. Alle arabischen Regierungen haben uns nämlich nicht nur gesagt, dass sie keine Geiselnehmer und schon gar keine israelischen Geiseln nehmen. Sie nehmen auch keine toten Palästinenser. Alle bis auf eine."

Die richtigen Leute Band 7: Regentanz in ObervoltaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt