∞ 8 race against me

37.3K 1.8K 50
                                    

Die nächsten beiden Tage vergingen wie im Flug.
Der Unterricht war langweilig und das einzige was die Schüler wirklich interessierte, war ein Gerücht von einem illegalen Strassenrennen, welches aber bloß für die Elite des Untergrunds gedacht war, und wir uns also streichen konnten.
Selbst ich wusste, dass die "Elite" nicht das geringste Interesse an ein Paar Schlägertypen hatten, wie Aiden oder Jake oft genannt wurden.
Trotzdem gingen die Neuigkeiten herum wie ein Buschfeuer und ich geriet als Neue etwas in den Hintergrund, was ich ganz angenehm fand.
Ich hatte eine Weile gebraucht um heraus zu finden, dass die beiden Gangs der Jungs hier zwar grösser waren als ich gedacht hatte, aber es keineswegs mit der "Elite" aufnehmen konnte. Tatsächlich aber war der Kreis an jugendlichen, die entweder zu Jake oder Aiden gehörten, recht groß. So recht verstand ich allerdings nicht, was die jetzt genau trieben. Ich wollte es auch lieber gar nicht wissen.
Auch passierte sonst nichts weiter, außer dass ich keine Sekunde allein war und dass zwei Jungs der Gangs eine Schlägerei hatten.
Jake war dazwischen gegangen, und, oh Wunder, Aiden und er brachten sich nicht gegenseitig um.
Leonie und ich hatten uns in der Mensa auch nicht ungestört unterhalten können, langsam ging es mir auf die Nerven, ständig von einem Bodyguard belagert zu werden, ohne den wirklichen Grund dafür zu wissen.
Gut, der Anstoss dazu war vielleicht die Verfolgung der unbekannten Typen gewesen, aber aufgeklärt war ich noch immer nicht.
Und nun sass ich in meinem Zimmer und versuchte verzweifelt, den Koffer zu zu bekommen.
Ich hatte die wichtigsten Utensilien eingepackt, auch wenn es bloß zwei Tage waren.
Ich hatte mir sogar das alte Klappmesser, welches ich einmal von einem Freund meiner alten Schule erworben hatte, in den Ausschnitt gesteckt, einfach weil ich auf alles vorbereitet sein wollte.
Man wusste ja nie, wenn man mit Aiden oder Jake unterwegs war, so viel hatte ich schon gelernt.
Es war etwas unbequem, nicht so episch und sexy, wie es in den Filmen immer dargestellt wurde.
"Hey, brauchst du Hilfe?"
Alarmiert sah ich hoch und sah Lucas, welcher am Türrahmen angelehnt war und meine verzweifelten Versuche, das Schloss zu schließen mit gehobenen Brauen betrachtete.
Ich setzte ein unerschöpftes Lächeln auf und versuchte mich möglichst lässig auf zu richten.
Allerdings rutschte ich aus und riss den Koffer mit mir zu Boden.
Mit einem leisen Knall schlug ich auf und rieb mir den Kopf.
Dass musste nun auch wieder mir passieren, und zwar im unpassendsten Moment.
Ich sah bestimmt nicht aus wie die Schwester eines Anführers.
Doch vielleicht war mein Malheur gar nicht so schlecht gewesen, denn im nächsten Moment wurden mir zwei gebräunte Hände unter die Arme geschoben und zogen mich hoch.
Als ich mich halbwegs wieder gerichtet hatte, murmelte ich: "Wenigstens ist der Koffer jetzt zu."
Dann sah ich zu Lucas, der ein schiefes Grinsen aufgesetzt hatte, und mich mit seinen Ozeanblauen Augen ansah.
"Ja, das ist aber auch die Hauptsache", meinte er amüsiert.
Einen Moment wurde es leise um uns herum, es war faszinierend wie gerne ich es mochte, seine Nähe zu spüren.
Meine Lippen öffnete ich aus Versehen leicht und sein Blick huschte sofort dort hin.
Ich wurde rot Bis zum Haaransatz.
Er lächelte noch immer und schien damit auch nicht aufzuhören.
"Ist etwas?"
Fragte er und beugte sich zu mir runter, um den Koffer mit einer geschickten Handbewegung zu schließen. Ich japste nach Luft, als er dabei mein Bein streifte.
Er wusste genau, was er tat und er tat es mit voller Absicht.
"Nein. Nein alles gut." Presste ich hervor und erhob mich mit weichen Beinen vom Koffer.
"Gut." Murmelte er und schien mich mit seinen Blicken zu fesseln.
Was würde nur Jake dazu sagen, wenn einer seiner besten und engsten Freunde so mit seiner Schwester flirtete. Naja, wahrscheinlich war das für ihn immer noch weniger schlimm, als wenn Aiden an Lucas Stelle wäre.
Sofort war ich wieder klar im Kopf, der magische Moment war wie fortgeweht.
Wieso dachte ich in dieser Situation, in der ein anziehender und gut aussehender junger Mann vor mir stand, den ich auch ehrlich mochte, an Aiden? Gar nicht gut.
Ich verspannte mich sichtlich und Lucas runzelte besorgt die Stirn. Ich musste wohl aussehen, als hätte ich gerade einen Geist gesehen.
Zum Glück wurde ich in diesem Moment von einem Hupen erlöst, das bis durch mein geschlossenes Fenster drang.
Ich atmete erleichtert aus.
Ausnahmsweise kam die Ungeduld meines Bruders genau zur rechten Zeit.
"Na dann, beeilen wir uns", stotterte ich und schnappte mir den Koffer, nur um dann schnell Abstand zwischen den verwirrten Lucas und mich zu bringen.
Schnell zog ich hinter mir den Koffer die Treppe hinunter, was leider einen ziemlichen Krach veranstaltete, als der Koffer von Stufe zu Stufe hüpfte.
Es war ein wahrer Segen, als Sam ihn mir draußen vor dem Haus schließlich abnahm und im Kofferraum verstaute.
Bevor die Jungs was sagen konnten, setzte ich mich auf den Beifahrersitz und überließ die Übrigen ihrem Schicksal. Sollten sich Leon und Lucas doch hinten rein quetschen.
Jake grinste mich an und ich schnallte mich mit zittrigen Fingern an. Dann klopfte Sam an die Fensterscheibe, worauf ich sie runterließ.
Er, Simon und Kenan standen ums Auto herum.
"Geniesst es etwas für uns mit, ja?" Meinte Sam und ich nickte schnell. "Klar", kam es von Jake. „Und ihr haltet hier die Stellung." Dann fuhr er los und Sam wich fluchend vom Auto zurück.
Leon lachte. Ein merkwürdiger Humor.
Wir fuhren auf den Treffpunkt außerhalb der Bronx zu, von wo aus wir dann alle gemeinsam mit einem Bus nach Long Island fahren würden.
"Bist du Bereit?"
meinte Jake und ließ dabei den Blick nicht von der Strasse weg schweifen. Es waren nur wenige Autos unterwegs, es war schließlich Wochenende.
Ich seufzte und blickte aus dem Fenster.
Ich musste jetzt nur Aiden aus meinem Kopf verdrängen. das konnte doch nicht so schwer sein, verdammt!
"Ja, ich bin sowas von bereit", log ich überzeugend und mein Bruder nickte.
"Das werden unsere ersten gemeinsamen Ferien Schwesterherz." Ich musste grinsen.
"Unter Ferien verstehe ich zwar etwas anderes, aber ja. Wir werden das gehörig geniessen."
Und das hatte ich jetzt auch wirklich vor.
Ich ließ das Fenster herunter und streckte meinen Oberkörper durch.
Ich genoss den Wind in meinem Gesicht, wie er darüber strich und jubelte innerlich. Dieses Leben hier hatte eindeutig auch seine Vorteile.
Jake legte einen Gang zu, der Motor heulte laut auf und ich lachte laut.
Wenn es etwas gab was ich neben meiner, ziemlich kleinen Familie liebte, dann war es alles, was mit Geschwindigkeit und Nervenkitzel zu tun hatte.
Je schneller desto besser.
Sobald ich den Fahrtwind im Gesicht spürte, die Strasse unter den Rädern des Wagens vorbei rasen sah und das pure Adrenalin durch meine Adern floss war für mich soweit alles in Ordnung.
Plötzlich entdeckte ich Aidens Auto auf der Spur neben uns, etwas weiter vorne. Also es war nicht sein Auto, er würde sich niemals einen glänzenden, silbernen Audi leisten können. Ein neuwagen sogar, wenn mich nicht alles täuschte. War es nicht zu auffällig, die Bronx in solch einem Gefährt zu verlassen?
Irgendwer würde doch sicher danach suchen, oder sogar eine Fahndung raus gegeben haben. Zudem trug das Auto nicht mal ein Nummernschild.
Trotzdem, im milden Samstagsverkehr schien niemand auf unsere beiden Autos zu achten.
Ich war da ganz froh drum.
Jake bemerkte meine Gedanken.
"Ist das Parker mit seinen Jungs?"
Fragte er nach hinten und Lucas quetschte seinen Kopf an mir vorbei, um etwas erkennen zu können.
"Jep."
"Na dann." Ein Grinsen breitetet sich auf dem ebenen Gesicht meines Bruders aus und er beschleunigte mit einem tiefen, wohlklingenden Brummen.
Normalerweise waren solche kindischen Wettrennen nicht mein Niveau. Das überließ ich immer den Männern. Aber jetzt gerade, hatte ich Spaß daran, zu sehen, wie wir langsam an Aidens Audi vorbeizogen. Durch die Fensterscheibe gaffte mich Knut blöd an, also steckte ich ihm kurzerhand die Zunge raus.
Sehr erwachsen, ich weiß. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dadurch einen kleinen Sieg errungen zu haben.
So zu denken wie mein Bruder und seine Freunde, tat mir echt nicht gut.
Schnell wandte ich mich wieder nach vorne, während wir weiter über den halb leeren Highway sausten.
Doch Aiden ließ sich nur ungerne abhängen, bald sahen wir sein Auto im Rückspiegel, bevor er immer mehr zu uns aufholte.
Ein wahrhaftiges Hupkonzert der Autofahrer um uns herum verfolgte uns, als sowohl Aiden als auch Jake skrupellose Überholmanöver durchführten.
Jake riss das Lenkrad so abrupt herum, dass wir den Seitenspiegeln der anderen Autos meist nur knapp ausweichen konnten.
Diese Raserei war selbst mir zu viel, ich musste mich festhalten und anschnallen.
Das wiederum fanden die Jungs hinter mir zum totlachen.
Dann auf einmal schallte der Lärm von Sirenen durch die Luft. Mein Blick schoss hoch zum Rückspiegel.
"Scheisse verdammt, die Bullen", fluchte Jake neben mir.
Mir blieb beinahe das Herz stehen, als ich die Blaulichter hinter uns sah und den sportlichen, weissblauen Wagen.
Vor meinem geistigen Auge blitzten wieder die Erinnerungen und die damit verbundenen Gefühle auf. Alles prasselte auf einmal auf mich nieder.
Das Blut, meine Schreie und Schluchzer, die groben Arme an meinen Armen, die mich weg zerrten und der Schmerz. der Schmerz der seit diesen Momenten für immer geblieben war.
Ich regte mich nicht, während Jake keine Anstalten machte, den Wagen zu verlangsamen. Obwohl das wahrscheinlich schlauer gewesen wäre. Doch ich war nicht imstande, ihm das zu sagen, denn durch meine Erinnerungen erwachte auch wieder eine längst vergangene Wut.
Eine Wut auf sämtliche Gesetzeshüter in New York. Egal ob korrupt oder nicht.
Alles, was in meinem Leben schlecht gelaufen war, hatte ich den Uniformträgern zu verdanken.
Ich erinnerte mich zurück an mein Versprechen, Rache für die Ungerechtigkeit, die sie uns zugefügt hatten, zu nehmen.
Schnell verdrängte ich den Gedanken wieder.
"Scheiße, Jake, fahr doch langsamer! Die sind direkt hinter uns!"
Zischte ich, als ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte.
"Tut mir leid Jess", meinte Jake und sah stur geradeaus. "Ich wollte dich da eigentlich nicht mit rein ziehen."
Ich starrte ihn verständnislos an, was meinte er jetzt wieder damit?
Hatte er schon öfters Probleme mit der Polizei gehabt?
Eigentlich logisch, wenn man wie er mit eindeutig illegalen Dingen dealte.
Jake beschleunigte weiter und die Räder unseres Autos flogen nur so über den Asphalt der Strasse.
Das gute daran war, dass die anderen Autos wegen der Polizei abbremsten und Platz machten. So hatten wir freie Bahn.
Aber wofür? Um abzuhauen?
Schlussendlich gewann doch sowieso immer die Polizei.
Auf einmal schob sich ein drittes Auto in das geschehen hinein. "Was zum...ist das Aiden?" Platzte es aus mir heraus.
Und tatsächlich, Aidens Audi raste an den verwirrten Bullen vorbei und schloss zu uns auf, sodass wir beinahe gleichauf fuhren.
Mit einem Zeichen gab er uns durch die Scheiben etwas zu verstehen.
Jake nickte, doch ich verstand nur Bahnhof.
"Hey, was genau hat er damit gemeint...", setzte ich an.
Doch Jake ließ nur seinen Blick gehetzt über die Strasse fliegen.
"Gut festhalten", sagte er noch, dann riss er das Lenkrad herum. Gleichzeitig bremste er so scharf ab, dass ich nach vorne geschleudert wurde.
Wäre ich nicht angeschnallt gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich verletzt.
Blitzschnell bog mein Bruder in eine Seitenstrasse ab, wir hatten just in diesem Moment den Highway verlassen.
Ich sah, dass Aiden uns folgte. Aber wieso?
Ich stellte die Frage nicht, da sie mir sowieso nicht beantwortet werden würde.
Obwohl wir unterdessen mitten in New York City waren, schien Jake sich gut in den Strassen auszukennen. Häuser seitlich der Strasse rasten an uns vorbei und einige Fussgänger wichen erschrocken aus, als wir haarscharf an ihnen vorbei sausten.
Gerne hätte ich mich bei ihnen für den Schreck entschuldigt, sie konnten ja nix dafür, dass wir auf der Flucht vor der Polizei waren.
Nein, daran war nur Jake schuld. Und Aiden.
"Mach schon", drängte Lucas angespannt, als das Heulen der Sirenen weiter hinter uns noch immer nicht verstummen wollte.
Jake gab nochmals Gas und wir rasten weiter, bogen all zehn Meter ab und fuhren schließlich direkt durch einen dünnen Drahtzaun in eine verlassene Fabrikhalle. Mit schlitternden und quietschenden reifen kamen wir schließlich zum stehen.
Schnell atmend sassen wir da, während wir alle erwartungsvoll auf den Eingang starrten.
Die Bremsen qualmten und hinterliessen eine dunkle Spur auf dem Boden, davon hatte es schon einige.
Schnell stiess Jake die Tür auf uns trat  heraus. Alle anderen taten es ihm gleich. Auch Aiden hatte einige Jungs dabei, als er ausstieg.
"So eine Scheisse", flüsterte ich.
Dabei hatten wir doch nur zum Treffpunkt unserer Klassen gelangen wollen. Als ich auch aussteigen wollte, warf mir Jake einen mahnenden Blick zu, worauf ich mich mit dem Spähen durch das Fenster begnügte.
Durch die Scheiben des Audi's erkannte ich Leonie, die tief in ihrem Sitz gesunken war. Sie stieg auch nicht aus und sah bleicher aus.
Mein Blick wanderte durch die Halle und ich konnte einige Stützpfeiler ausmachen, die das ohnehin schon brüchige Dach zusammen hielten.
Die Fenster waren komplett eingeschlagen und mit Planen abgedichtet, die meisten davon lagen aber los am Boden herum.
Ansonsten war die Halle leer, bis auf einige Kartons in einer Ecke, die einem Obdachlosen wohl einmal als Schlafplatz gedient hatten.
Mittlerweile hatten uns die Cops doch gefunden und waren ausgestiegen.
Ungläubig, dass die Jungs einfach stehen blieben, wo sie waren, hatte ich mich tiefer in meinen Sitz gedrückt.
Was lief hier nur für ein krankes Spiel ab.
Die Polizisten waren zu fünft, also in der Unterzahl.
Sie hatten sich hinter den Türen ihrer geöffneten Streifenwagen verkrochen und sahen mit ernster Miene, und tief ins Gesicht gezogener Mütze, zu uns.
Ich wusste, dass sie nicht zögern würden, ihre Waffen zu ziehen und zu schießen.
Als wären wir nicht genauso Menschen wie sie.
Dann wanderten einige der Hände der Jungs zu ihren Gürteln.
Unfassbar, hatten sie etwa auch Waffen dabei?
Schusswaffen...Sowohl Jake als auch Lucas führten Schusswaffen mit sich und ich hatte davon nie etwas bemerkt. Ich schlug mir gegen die Stirn, jetzt war ich auch noch sauer auf mich selbst.
Ich hatte es einfach nicht wahrhaben wollen, und es deshalb gut geredet, aber ich konnte es nicht länger leugnen: mein Bruder war ein Krimineller.
Und der gesamte Haushalt, in dem ich wohnte, auch.
Bei dem Anblick der silbernen Waffen erinnerte ich mich an meine Kindheit.
In Dads Schubladen hatte ich oft solche Dinger gefunden, jedoch nie gewusst, wofür er so viele davon brauchte. Für seinen Job, hatte Mom immer gesagt.
"Ihr schon wieder. Und dann noch alle auf einem Haufen. Scheint unser Glückstag zu sein, ha."
Die Stimme des einten Polizists war tief und kratzig.
Niemand antwortete, aber ich sah, dass die meisten Hände zu den versteckten Waffen glitten.
Es war schon immer so gewesen, dass sie eine große Klappe hatten, das hätte ich auch wenn ich meine dunklen Taten hinter dem geschützten Gesetz verstecken könnte.
Ich hielt verwirrt die Luft an.
Sie kannten sich also schon? Na klar.
Die Polizisten waren also nach wie vor ein Problem in meinem Leben, das hatte sich also nicht geändert. n uns, langsam kam das Gefühl auf als hätte sich nichts geändert.
Dass Jake kein grosser Fan von Bullen war wusste ich, aber dass die Gang bereits Probleme mit den Gesetzeshütern hatte, das war mir unbekannt, denn dann konnte sie gar nicht so winzig sein wie ich bisher gedacht hatte.
Das würde den Cops in den Bronx dann nämlich am Arsch vorbei gehen. Die hätten dann nämlich grössere Probleme.
Ich überlegte, ob es zu einem Kampf kommen konnte, denn das konnte ich ihnen gut zutrauen.
Doch alle waren so beschäftigt, sich gegenseitig ab zu checken, das nur ich bemerkte, dass ein Polizist fehlte, der vor kurzem noch schräg hinter einem der Autotüren gestanden hatte. Denn jetzt waren es nur noch vier. Alarmiert drehte ich mich zu Leonie um.
Doch bei ihr schien alles in Ordnung zu sein. Sie sass nur da und blickte mit großen Augen zu ihrem Bruder hinüber.
Dann wurde die Türe wie aus dem Nichts aufgerissen und Jemand packte mich an den Haaren. Ich schrie erschrocken auf, mein Inneres verkrampfte sich. Ich wurde von meinem Sitz und raus aus dem Auto gezerrt.
Scheisse tat das weh.
Verfluchtes Leben, ich konnte nicht mal in die Ferien fahren, ohne mich in irgendwelche Probleme zu verstricken.
Probleme, die ich alle nicht gewollt hatte.
Trotzdem setzten sich plötzlich alle Hebel in meinem Kopf in Bewegung und ich löste mich aus meiner Starre. Gerade als ich etwas unternehmen wollte, wurde mir etwas Kaltes an die Schläfe gehalten und ich zuckte zusammen.
"Waffen weg, oder sie ist tot. Nochmals entwischt ihr nicht einfach so."
Wow, der Mann wollte das jetzt wohl auf die schnelle Art machen.
Aber an den Blicken von Jake, Lucas und Leon konnte ich sehen, dass der Polizist nicht scherzte.
Sofort wurde mir kalt und mein Hals schnürte sich zu.
Es war eine surreale Situation und ich fragte mich, ob es tatsächlich echt war.
Schließlich war ich noch nie einfach so mit einer tödlichen Waffe bedroht worden. Und ich wusste auch, dass er mich nicht verschonen würde, nur weil ich unbewaffnet war. Sowas wie Gesetze galten für die Polizisten nämlich nicht.
Diese Männer hatten keinen Skrupel, deshalb durften wir auch keinen haben.
Jake starrte zu mir, und ich konnte die Hilflosigkeit und die Wut darüber in seinen Augen sehen und auch Aiden sog scharf die Luft ein.
Die meisten Jungs ballten die Hände zu Fäusten, doch sie konnten nichts tun. Ich starrte sie nur hilflos an, unfähig dem kalten Metall an meinem Kopf zu entfliehen. Eine feste Hand lag auf meiner Schulter.
Ich war eine 18-Jährige, die ihren Abschluss machte und noch nie zuvor auch nur einen Strafzettel bekommen hatte. Natürlich hatte ich Angst. Ich blickte schließlich dem scheiss Tod ins Auge.
Aber da war noch etwas anderes in mir. Etwas, das ich seit meiner Kindheit in mir trug und was wahrscheinlich ganz und gar nicht gesund war. Es war eine Jessy, die sich nicht fürchtete, die dieses Gefühl einfach abstellen konnte. Aus irgend einem Grund, den ich nicht kannte. Aber es klappte und ich wusste, dass nur diese Jessy in der Lage sein würde, jetzt zu reagieren. Und das musste ich, wenn wir nicht alle auf dem Polizeirevier enden wollten.
Und da passierte es.
Mein eigentlich rasendes Herz und die wirren Gedanken der Angst in meinem Kopf wurden zurück gedrängt.
Es fühlte sich an als ob ich abkühlen würde, die Gefühle runter schrauben würde und mein Ich hinter einer Mauer einsperrte.
Es gab ganz plötzlich keine zweifelnden oder panischen Gedanken mehr, die meine nächsten Schritte hinterfragten.
Denn da gab es nichts anzuzweifeln, ich tat es einfach. Vielleicht war es Instinkt, vielleicht eine Reaktion darauf, womit ich aufgewachsen war. Ich zögerte nicht.
Ich tastete nach meinem Ausschnitt, dass mir viele verwirrte und nicht ganz uninteressierte Blicke von den Bullen aber auch den anderen Jungs einbrachte.
Blitzschnell zog ich das Klappmesser heraus und hörte das Zischen als ich es ohne eine Sekunde zu zögern nach hinten stieß, direkt in das Bein des Polizisten.
Ich spürte wie sich die Klinge tiefer in sein Fleisch hineinbohrte und er die Pistole mit einem schmerzerstickten Schrei fallen ließ.
Es war erstaunlich, wie leicht es durch das Gewebe schnitt, beängstigend einfach. Und es fiel mir auch erstauntlich leicht, dafür, dass ich zuvor noch nie jemandem so sehr weh getan hatte.
Jemanden zu verletzen, war gar nicht so schwer, zumindest nicht die Handlung selbst.
Das war vielleicht auch der Grund, wieso es so viel Gewalt in unserer Stadt gab.
Ich wusste, dass ich ihm gerade Schmerzen verursachte, doch es tat mir nicht einmal leid.
Aber es machte mir Angst, zu sehen, wie kalt ich sein konnte. Ich fürchtete mich vor mir selbst. Diese Jessica hatte ich nämlich bisher nicht kennen gelernt.
Hinter mir schnappte der Mann nach Luft und seine Hand löste sich von meiner Schulter.
Trotz wackeliger beine und rasendem Herz stürzte ich sofort von ihm weg, in Sicherheit vor seinen Händen, die beinahe verzweifelt nach mir griffen.
Jetzt, wo mein Körper wieder realisierte, dass ich ausser Lebensgefahr war, verschwanden die Gefühle, die Kälte und diese Wut wieder so schnell wie sie gekommen waren.
Sie zogen sich einfach zurück und verschwanden, als wären sie nicht mehr als eine verblasste Erinnerung.
Gedanken rasten mir durch den Kopf, Gedanken wieso ich das getan hatte, wie ich es geschafft hatte, tatsächlich einen Menschen zu verletzten.
Es fühlte sich an, als hätte ich bloss zugesehen, wie ich es getan hatte. Ich hatte es nicht einmal bereut, ich hatte auch nicht einen Moment geglaubt, dass es falsch sein könnte.
Mein Herzschlag verlangsamte sich und ich schien in einer Hülle zu stecken die die Geräusche um mich herum nur gedämpft hineinliess und alle Handlungen verlangsamten.
Ich hatte gerade das erste Mal in meinem Leben jemanden ernsthaft verletzt.
Die Bullen starteten keine weiteren Versuche uns aufzuhalten sondern eilten sofort zu ihrem Freund.
So wichtig schienen wir ihnen also nicht zu sein. Korrupte Bullen eben.
Einer von ihnen sah zu mir. Seine Augen waren verengt.
„Wir kriegen euch auch ein andermal. Ihr seid hier gefangen, wir müssen nur abwarten."
Ich sagte nichts und starrte nur auf den blassen Polizisten, der schwitzte und aus dessen Bein rotes Blut quoll.
Er sah nicht aus, als wäre er lebensgefährlich verletzt worden.
Zum Glück, denn ich denke nicht, dass ich damit hätte leben können, eine Mörderin zu sein.
„Das war Notwehr. Du hättest sterben können, das war völlig okay."
Sagte die Stimme in meinem Kopf immer wieder. Trotzdem breitete sich ein tiefsitzendes Schuldgefühl in mir aus.
Aiden drehte sich zu den Bullen und meinte, mit einer klaren und kalten Stimme, die gleichgültiger nicht hätte sein können:
"Wir sind hier fertig."
Sie riefen den Notruf, also höchste Zeit für uns, hier zu verschwinden.
Bei einem verletzten Officer würde sich der Krankenwagen bestimmt extra beeilen.
Ich drehte mich langsam weg und streifte Leonies Blick.
Sie sah mich vom Fenster aus geschockt an, aber ich konnte auch Erleichterung über mein Handeln in ihren Augen sehen.
Sie war merkwürdig, alle hier waren merkwürdig.
Wie sie reagierten, nicht als ob es für sie was neues war, Leute zu verletzten.
Sie schienen es sich gewöhnt zu sein, so zu leben, und langsam vermutete ich, dass ich hier in eine viel grössere Sache rein rutschte, als ich es eigentlich dachte.
Und nun fand ich mich selbst auch noch merkwürdig, wie ich mich verhalten hatte.
Doch aus einem mir unerklärlichen Grund schloss ich viel zu schnell damit ab, keine endlosen Schuldgefühle, diese Rache die ich all den Männern geschworen hatte, vielleicht war sie daran Schuld, dass ich nicht das kleinste bisschen Schuld empfand.
Aber was ich wusste, war dass ich aufgeklärt werden wollte was hier wirklich los war.
Es waren nicht bloss zwei kleine Gangs, hier war mehr im Spiel, und das schon lange vor meiner Ankunft hier.
Die übrigen Jungs stiegen wieder in die beiden Autos.
Aiden warf mir einen undefinierbaren Blick aus seinen Smaragdgrünen Augen zu bevor er sich hinters Steuer setzte.
Jake umarmte mich und ich fühlt wie sich seine Wärme auf mich übertrug, und die Hülle von mir abfiel, als ich merkte wie sehr er sich um mich gesorgt hatte.
Er drückte sich an mich und murmelte.
"Verdammt ich hatte solche Angst um dich, ich hätte dieses Schwein gleich erschiessen sollen."
Ich atmete seinen vertrauten Dufte tief ein und liess mich von ihm zum Auto zerren und anschnallen.
Die Türen schlugen zu und die Motoren heulten auf, bevor wir aus der Halle rasten, zurück auf die Strasse.
„Das war echt tapfer von dir, Jessy."
Meinte Leon und klopfte mir von hinten auf die Schulter.
Ich zuckte zusammen.
„Entschuldige", meinte er verlegen. Ich war nicht imstande zu reagieren. Nur mein Mundwerk funktionierte noch.
„Ich hab sowas nur noch nie gemacht...werden sie mich jetzt anzeigen?"
Mir wurde kalt und heiss zugleich.
„Werde ich gesucht?"
Jake grinste leicht. Die Wut war allerdings noch nicht ganz aus seinen schönen Augen gewichen.
„Wir sind hier in den Bronx. Hier wird niemand gesucht, und doch jeder. Mach dir keine Sorge Schwesterchen, sie werden das nicht weiter verfolgen."
Ich schüttelte den Kopf.
„Aber...ich habe einen Polizisten verletzt!"
Protestierte ich und liess meinen Kopf gegen die Autolehne fallen.
Normalerweise war das die schlimmste Art von Verbrechen.
Oftmals gab es dafür eine höhere Gefängnisstrafe als für die Verletzung anderer Menschen im gleichen Ausmass.
„Glaub ihm einfach. Die haben momentan grössere Probleme als uns."
Hörte ich Lucas von hinten und nickte nur.
Ich sah auf mein Hände, während wir weiter auf den Treffpunkt zufuhren.
Sie zitterten.
Ich schluckte und versteckte sie unter meinen Beinen, eingequetscht dazwischen und dem Sitz.
Ich sagte die ganze Fahrt über kein Wort.
Es beschäftigte mich sehr. Die Jungs allerdings nicht.
Sie unterhielten sich normal, lachten und provozierten sich, als wäre nichts gewesen.
Es war keine aussergewöhnliche Sache gewesen. Für niemanden, ausser mich.
Wieder wurde mir klar, dass die Welt in der ich nun lebte eine ganz andere war, als ich gedacht hatte.
Und das gefiel mir gar nicht.
Wir überholten die Autos mit unseren gewohnten gefährlichen Manövern und Jake sowie auch Aiden drückten kräftig aufs Gas.
Dieser kleine Zwischenfall, wenn man da so sagen konnte, hatte dafür gesorgt dass wir zu spät kamen.
Als wir endlich auf den Parkplatz fuhren standen dort schon ein ungeduldiger Lehrer und einige gelangweilte Klassen auf uns.
Die meisten sassen auf dem Boden und tippten auf ihren Handys rum, andere genossen die Sonne und versuchten mit kleinen Kügelchen den Kopf unseres Lehrers zu treffen.
Ich stieg aus und nahm den Koffer entgegen der mir Lucas hin hielt und lief dann schnell mit den anderen zu Mr. Jones der uns übertrieben Streng durch seine runde Brille ansah.
"Schön dass ihr euch auch mal Blicken lässt.
Den Grund eurer Verspätung will ich gar nicht hören, ich würde es sowieso nicht verstehen."
Er hatte so recht, auch wenn er das nicht einmal zu erahnen schien. Er wollte es wirklich nicht wissen.
Ich liess den Blick kurz über das Gelände schweifen, es ware ein regelmässig gepflasterter brauner Boden.
Regelmässige angepflanzte Bäume und Bänke, in einigen Abständen waren grüne, so typische, Strassenlaternen zu sehen und ein graues Geländer grenzte die Busse voneinander ab. Die konnte man anscheinend mieten.
Die Jungs liessen die Schlüssel stecken, irgendwer würde die Autos schon finden. Autos ohne Nummernschild waren vielleicht in den Bronx normal, nicht aber in New York City.
Ich fragte Jake, ob man nicht seine und unsere Fingerabdrücke finden würde, doch er zuckte nur die Schultern.
„Dazu macht sich niemand die Mühe. Sie haben ihr Auto ja wieder."
Er schien das alles so locker zu nehmen. Doch was, wenn er mit einer seiner Vermutungen mal daneben lag?
Ich schauderte. Daran sollte ich besser gar nicht denken. Ich war noch immer gelähmt von dem vorherigen Zwischenfall. Ich hatte einen Mann verletzt und das konnte ich nicht einfach so auf die Schnelle verdrängen.
Leonie hatte sich durch die Schülermenge zu mir durch gerangelt und drückte mich kurz wortlos.
Ich wusste, dass sie mich verstand und meine absurde Situation vielleicht als Einzige nachvollziehen konnte.Ich lächelte sie dankbar an: ich war froh, dass es sie gab, auch wenn ich ihr das jetzt nicht grad gesagt hätte.
Dafür war ich noch etwas zu verkorkst.
Dann machten sich die Schüler daran, in den weissen, grossen Bus zu steigen, dessen Lack an einigen Stellen bereits abblätterte.
Eines der vorderen Lichter war glaube ich kaputt, ansonsten ratterte der Motor gesund und munter vor sich her.
„Bitte alle einsteigen! Wir fahren gleich los!"
Rief Mr. Jones.
Er ging in dem Gewusel aus Schülerinnen und Schülern unter, die ihr Gepäck in den Seitenklappen des Bus verstauten und dann nach innen drängelten. Es herrschte absolut gute Laune.
Nachdem Jake eingestiegen war, drängte ich mich ebenfalls in den engen Bus, der nach abgesessenem Leder und Essensresten roch.
Ich liess mich auf den Sitz neben Lucas sinken, da Kenan bereits neben meinem Bruder sass.
„Hier ist doch noch frei, oder?"
Fragte ich leicht verlegen und der Junge neben mir grinste bloss.
Sein Bein befand sich verdächtig nahe an meinem.
„Für dich doch immer."
Ich lächelte und atmete dann tief durch, um mich zu entspannen. Jake hatte gesagt, das alles gut werden würde.
Vielleicht war ich naiv, ihm zu glauben; aber ich konnte nicht anders.
Jake war mein grosser Bruder, er hatte immer recht.
Ich blickte im Bus umher, hinter mir sass Leonie, die von Aiden andauernd genervt wurde, der auf dem Sitz hinter ihr sass.
Kurz kreuzten sich unsere Blicke, als ich über die Lehne meines Sitzes zurück linste, dann liess ich mich schnell in meinen Sitz zurück sinken.
Ich hörte Aiden lachen.
Auch ansonsten schien sich niemand mehr Gedanken über das was gerade passiert war zu machen, oder aber sie verdrängten sie einfach so lange, bis sie sie in aller Ruhe besprechen und analysieren konnte.
Dann schlossen sich die Türen des Busses mit einem Rumps und ratternd und knatternd tuckerten wir los, in Richtung Hamptons auf Long Island.
Ich lachte und witzelte mit, versuchte, mich so gut es ging zusammen zu reissen und mich so zu verhalten, so zu leben wie die beiden Gangs um mich herum es taten.
Denn zu ihnen gehörte ich jetzt, es hatte niemand ausgesprochen, aber meine Entscheidung schien ich bereits gefällt zu haben.
Ich wollte bei meinen Freunden und bei Jake sein, und das führte automatisch mit dass ich diesem Leben zustimmte.
Ein Leben, von dem ich noch nicht einmal genau wusste was es beinhaltete.

Was haltet ihr von den Kapitel und von Jessys Handeln? Und von den Polizisten?
Ich hoffe, ihr seid animiert, weiterzulesen und dass ich euch im nächsten Kapitel wiedersehe :)
Lg
Angora77

Street: Fight or Die *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt