∞ 37 Ein Kuss mit Folgen

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Dann griff er nach meinem einen Bein, welches ich ihm jedoch entzog, bevor er sich grinsend dem anderen zuwandte. Dann hob er es hoch und legte es sich auf den Schoss, worauf ich mich leise lachend in meinem Sitz, ihm, also nach links, zugewandt und die beiden Beine entspannt auf seinem Schoss platziert hatte.
Mit den Fingerknöcheln fuhr er langsam meine Oberschenkel hoch, bis er mir sanft über den Bauch strich.
Ich lächelte und schloss kurz die Augen, ich war einfach nur glücklich.
Manchmal fragte ich mich ob ich überhaupt glücklich sein durfte, denn die Umstände verhiessen alles andere als zukünftige Freude.
Doch wenn ich eines gelernt hatte, dann war es, den Moment zu geniessen. Ihn auszukosten und so gut es ging in den Erinnerungen fest zu halten. Es waren die Kernerinnerungen die mir in aussichtslosen Situationen einen Lichtblick verschafften.
Ich hatte das Recht darauf, glücklich zu sein, auch wenn es womöglich nur von kurzer Dauer war.
Diese kurze Dauer hatte ich zwar ernst gemeint, aber ich hätte nicht gedacht dass sie so kurz sein würde. Es war als ob es der Auftrag des Pechs lautete, mich in jeder schönen Situation zu verfolgen und sie zu zerstören.
Ich beging den Fatalen Fehler auf zu stehen.
"Ich geh auch mal aufs Klo."
Aidens Mundwinkel hoben sich schelmisch.
"Wegen mir Kätzchen?"
Er wackelt mit den Augenbrauen. Sogar das sah bei ihm noch gut aus.
"Wenn es ist um von deinem schrecklichen Ego weg zu kommen dann ja", konterte ich und streckte ihm grinsend die Zunge heraus, worauf er sich gespielt getroffen in den Sitz fallen liess.
Lächelnd stieg ich von der Erhöhung der Sitzstände und lief den Gang zwischen den drei Sitzflächen entlang.
Durch den Vorhang kamen in dem Moment, als ich durch schlüpfen wollte einige Kerle hindurch.
Sie sahen ziemlich angepisst aus und da sie den Eingang versperrten und ich mich nicht bremsen konnte, streifte ich leicht die Schulter des einen, bevor ich einen Schritt zurück trat um zu sehen, was hier los war.
Es waren fünf Typen. Sie alle trugen braunes Leder und schienen wohl mit Bikes her gekommen zu sein.
Der eine trug eine knallrote Bandana um die stacheligen blonden Haare und liess die funkelnden Braunen Augen im Saal umherschweifen.
Die übrigen drei standen links und rechts von ihm, und guckten grimmig umher, was einige der wenigen Leute im Saal bereits dazu veranlasste von ihren Sitzen weiter weg zu rücken.
Jeder hier drin stammte aus den Bronx und wusste demnach von den Bandenkriegen. Sie waren allgegenwärtig und sie alle hatten gelernt, damit zu leben. Indem sie uns einfach auswichen.
Doch wenn sie uns begegneten, hatten die meisten Angst.
Dabei gab es zumindest für unsere Seite keinen Grund, ihnen weh zu tun. Wie die Survivors das handhabten wusste ich nicht.
Den Mann, den ich angerempelt hatte, drehte den Kopf zu mir.
Seine schwarzen Haare reichten ihm weit und geplättet in die Stirn, seine grünlichen Augen sahen mich blitzend und auf der Suche nach Streit an.
"Kannst du nicht aufpassen, Miststück?"
Er drehte den Oberkörper zu mir und machte sich gross, während er böse auf mich hinab sah.
Als ich von meiner Familie weg gebracht worden war, hatte ich mir vorgenommen, nie mehr den Kopf ein zu ziehen, wenn ich jemandem gegenüberstand, der grösser war als ich. Erst recht nicht, wenn etwas unfair war. Vielleicht hatte es mir schon einige unbequeme Lagen eingebracht, aber ändern wollte ich daran trotzdem nichts. Ich hatte es mir geschworen und ich hielt mich daran. Für mich einstehen, das war etwas wichtiges. Für jeden. Nicht nur Mafia Mitglieder oder Polizisten. Für jeden Menschen galt es, niemand sollte sich von anderen herum schubsen lassen.
"Nenn mich noch ein mal Miststück und ich verspreche dir du wirst nicht in der Lage sein den Mund jemals wieder zu öffnen."
Okay, das waren grosse Worte und ich hatte auch keinen blassen Schimmer wie ich das anstellen wollte. Aber es war ein Bluff, er gehörte nunmal zum gefährlichen Leben eines Gangmitglieds. Vieles konnte davon ab hängen, ob ich eine Lüge glaubhaft über die Bühne brachte. Und das tat ich immer.
"Ganz schön frech für jemanden der gerade sein Urteil unterschrieben hat du kleine Schlamp..."
Rasend hatte er die Hände gehoben, ohne dass ich zurück wich. Ich hatte es mir längst abgewöhnt, mich dann zu bewegen. Viel eher konzentrierte ich mich darauf zu kontern, wenn er seine groben Hände nieder sausen liess. Doch dazu kam es gar nicht erst, denn mitten in seinem Satz unterbrach er sich und hob den Blick langsam.
Ich spürte ein vertrautes Kribbeln am Rücken, als ich die Wärme eines Körpers hinter mir spürte.
Aiden.
"Was hast du gerade zu meiner Freundin, gesagt du dreckiger Hund?"
Seine Stimme klang schneidend, Kälte schien die Sprechblase zu gefrieren und ich spürte sein,über den Körper gespanntes Shirt,an der Haut.
Von seinem liebevollen und neckenden Grinsen war nicht die kleinste Spur zu sehe.
Inmitten einer Sekunde hatte er sich in einen Racheengel verwandelt, der hinter mir aufblühte und seine stählernen Schwerter zog.
Der Mann hielt kurz inne, als er es mit einem so bereitwilligen Gegner zu tun bekam.
"Ganz schön frech die Kleine", er wies mit dem Kinn abschätzig auf mich, hielt den Blick aber auf Aiden gerichtet. Er hatte Aiden wohl nicht erkannt.
Dieser Antwortete nicht sondern schien nach unten zu sehen, da der Blick des Jungens nach einer kurzen Weile zögernd auf seinen Arm fiel.
Auch ich senkte den Blick darauf und gefror innerlich.
Das war...das Tattoo... Das Zeichen der Survivors. Den Feinden die selbst die Bullen übertrafen. So sagte man. Aber nicht für mich. Niemand konnte die Vorwürfe die ich gegenüber den Männern mit Marken hegte übertreffen.
Aber dennoch wusste ich sehr wohl dass sie gefährlich waren. Und zu fünft.
Aiden schien es bestimmt auch zu wissen, doch wenn er unsicher war oder Angst hatte, liess er es sich nicht anmerken, sondern stand selbstbewusst und in einer feindlichem Haltung nun neben mir.
Nachdenklich überlegte ich ob er unsere Identität gleich preisgeben würde, und einen Kampf wagte, oder ob er versuchte darum herum zu kommen. So wie ich Aiden kannte, scheute er davon nicht zurück, er hatte es noch nie mit Rückzug gehabt, er war der der bis zum Schluss da stand und weiter Kämpfte.
Ob dass nur Dumm oder doch Heldenhaft war, darüber konnte man sich streiten.
"Das Popcorn steht dir, ist aber auch das einzig gute was ich an dir entdecken kann."
Aiden grinste nun lässig und ich hätte es ihm voll abgekauft. Seine Gesichtszüge wirkten entspannt und überheblich, während er mit einer fast Gelangweilten Handbewegung seine Gedanken unterstrich.
Nur seine Augen verrieten mir, dass er gerade dabei war ein Netz zu spinnen, welches ihm wohl für seinen gerade ausgedachten Plan helfen sollte.
Erst jetzt bemerkte ich dass der Junge kleine Maiskörner in den Haaren hatte. Bei genauerem Hinsehen konnte ich auch bei seinen Kumpels solche Kügelchen ausmachen.
Das musste wohl der Grund sein, wieso sie so wütend hier rauf gestürmt waren.
Sie hatten wohl unter dem Balkon gesessen. Als ich dann Die Körner geworfen hatte, und sie Aiden verfehlten, mussten sie wohl auf ihrem Haaren gelandet sein. Was für ein überaus unglücklicher Zufall.
Das Gesicht des Jungens gefror und seine Oberlippe zuckte kurz.
"Ich werde dir zeigen, was es heisst zu leiden. Wenn ich mit dir fertig bin dann schwöre ich, wird dich kein Mädchen mehr ansehen."
Er knurrte es drohend und ballte die gewaltigen und wulstigen Finger zur Faust.
Jetzt ging mir ein Licht auf. Aiden wollte die Zeit heraus zögern, bis die anderen vom Klo zurück waren. Er wusste, dass er alleine keine Chance hatte, auch wenn er ein ausgezeichneter Kämpfer war.
"Grosse Töne für einen mit gesalzenem Popcorn in den Haaren.
Ich hab ja mal einen Artikel gelesen in dem Stand das Eier gut für die Haare sind, aber davon hab ich noch nie gehört."
Mit Wimpernaufschlag sah ich den vor Wut kochenden jungend Mann an und sprach etwas langsamer als sonst.
"Jetzt reicht es mir", knurrte der Junge, und liess die Hand auf mich niedersausen. Doch ehe ich überhaupt reagieren konnte, stand ein wütend knurrender Aiden vor mir.
Er hatte keine Sekunde gezögert eine Schlägerei zu beginnen, in der er in der Unterzahl war, und das für mich.
Er packte das Handgelenk des Typen und wendete den Kinnhaken ab, sodass er die Faust in den Bauch des Kerls rammte.
Dieser stolperte nach Luft schnappend zurück und liess seine Kumpels vorrücken, während er sich keuchend an einem Stuhl fest hielt
Kleinere, erschrockene Schreie gingen durch den Saal und die Besucher drängten sich in die Ecken zurück, so weit wie möglich von uns entfernt. Einige blieben auch einfach sitzen und konzentrierten sich auf den Film.
Zwei Jungs schlugen gleichzeitig zu, sodass Aiden nur einen abwehrte, und durch de Wucht des Schlages zurück taumelte.
Doch sogleich hatte er sich wieder gefasst und warf sich auf den Einen, das gezückte Messer auf den Feind gerichtet.
Der Junge mit der Bandana schrie auf, als er das Messer zwischen die Rippen bekam.
Sogleich warf sich ein anderer auf Aidens Rücken und drehte ihn auf dem matt da liegenden Jungen um. Er schlug ihm mehrmals ins Gesicht, bevor ich aus meiner Starre erwachte. Ich fühlte mich sogleich schuldig , weil ich so lange gewartet hatte.
Ich griff nach meinem Messer, welches ich immer Griffbereit hatte, aber es war nicht da.
Ich trug keine Waffen bei mir.
So etwas konnte den Untergang für mich bedeuten und ich hatte es einfach nur vergessen. Ein verheerender Fehler.
Ich machte dennoch einen Schritt vor, als aus Aidens Mund etwas Blut lief, doch seine tiefgrünen Augen streiften mich und er schüttelte kaum merklich den Kopf.
Unwillig und mit einem Ziehen im Bauch blieb ich Hände ringend stehen und sah zitternd zu, wie Aiden sich gegen den Jungen stemmte und ihn weg schleuderte, bevor er folgte und ihm einige Kinnhaken verpasste, während die beiden anderen ihm mehrmals in den Rücken schlugen.
Bei jedem Schlag entwich mir ein Wimmern, doch Aiden reagierte nicht, sondern schlug immer wieder zu. Seine Augen hatten sich schon lange zu unberechenbaren Bunkern verdunkelt und fast rhythmisch traf er mit den wunden Fäusten in das Gesicht des Typen.
Ich spürte wie meine Lippe zu bluten begann, als ich mir zu sehr darauf biss.
Doch dann kamen endlich die anderen durch den Vorhang.
Kurz blinzelten sie, ich erkannte Verwirrung und Ratlosigkeit in ihrem Blick, als sie das Geschehen automatisch abschätzten.
Doch kaum entdeckten sie Aiden schien ein vernünftiger Grund keine Rolle mehr zu spielen.
Sogleich stürzten sie sich auf die Typen, rissen sie von Aiden weg und schoben sich in einer dichten Wand vor uns, während sie den Kampf mit den, nun unterlegenen Jungs, aufnahmen.
Eine Weile war nur noch das anstrengte Atmen, das Knacksen bei Treffern und das schreien der übrigen Leuten zu hören. Ich stand daneben und rührte mich nicht. Schon lange war ich nicht mehr so hilflos gewesen, die Wochen im Bett zählten nicht. Ich sollte neben ihnen stehen und den Kerl der Aiden so zugerichtet hatte zerstören. Aber ich stand bloss da, die Nägel in meine Arme gekrallt und mit schweifendem Blick.
Es gab nichts was ich tun konnte um ihnen zu helfen, ausser einigen vereinzelten Rufen in denen ich einen der Jungs vor einem hinterhältigen Survivor warnte.
Doch das grausame Schauspiel endete bald, als die stark verwundeten Survivor sich in die Sitze zurück zogen und meine Jungs taumelnd stehen blieben.
Lucas, Sam, Knut und Jake waren kaum verletzt, dafür sahen Aiden, Simon und Kenan umso schlimmer aus. Das verkrustete Blut auf ihren Gesichtern verschmolz mit der bläulichem Haut der geschwollenen Körperteilen und den roten Flecken der Schläge.
Schnell rannte ich los zu Aiden, der sich bloss mit Mühe aufrecht hielt.
Die Unverletzten stützten die anderen und als ich bei ihm ankam strich er mir kurz eine Strähne aus den feuchten Augen.
„Es tut mir so wahnsinnig leid, Aiden. Ich habe meine Waffen einfach vergessen ich Dummkopf. Ich hätte dir helfen müssen."
Er winkte ab.
„Ach was. Ich habe mein Ziel ja trotzdem erreicht", sagte er mit einem schwachen Grinsen.
Verwirrt noch immer zu Tode besorgt musterte ich ihn.
"Welches Ziel meinst du?"
"Dass du unverletzt bist."

Street: Fight or Die *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt