∞11 Es ist möglich, dass...

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"Das hier wird kein normales Verhör in dem ich dich frage wieso du getötet hast. Oder ob du gestehen willst. Wir wissen beide zu welchem räudigen Pack du gehörst.
Aber das interessiert mich nicht, du bist für einen anderen Zweck nützlich."
Stellte er ohne Umschweife fest.
Ohne einen Kommentar lehnte ich mich zurück und hob den Kopf etwas, sodass ich herablassend auf ihn hinunter blicken konnte.
Meine Körperhaltung verriet Nichts ausser Langeweile und Teilnahmslosigkeit.
"Ich will bloss wissen was du weisst.
Alles.
Alles über deine Gang, über Aiden Parker und deinen Bruder."
Ich lehnte mich langsam vor, formte jedes Wort mit meinen Lippen. Und nichts in meinen Augen zu erkennen.
"Wieso sollte ich das tun?"
Er lehnte sich ebenfalls vor.
"Weil ich dein Leben hier ganz schnell ändern kann, und du wirst es bereuen, nun nein gesagt zu haben."
Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, und ich lehnte mich wieder zurück.
In mir arbeitete alles daran, die Spiele zwischen dem Spiel zu durchschauen, denn bloss ein Fehler und ich hatte verloren.und das konnte ich mir nicht leisten.
"In dem Fall.
Nein."
Ich wartete eine Sekunde.
"Geht es mir jetzt anders?"
Er setzte zum Sprechen an, doch ich unterbrach ihn.
"Hören sie, ich weiss dass sie mich brauchen, also werden sie mir nicht ein Haar krümmen bis sie haben was ich habe und worauf sie so wild sind."
Belächelnd sah ich auf ihn hinunter.
Er feuerte sofort zurück, es war wirklich kein normales Verhör, hatte ich aber auch nicht erwartet, wenn es hier nicht mal Menschenrechte gab. Es existierte irgendetwas was er wollte, dafür würde er sehr weit gehen.
Bloss was?
"Du vielleicht, aber was ist mit deinem Freund.
Ist er das überhaupt nachdem er dich verraten hat?
Er nützt mir nichts, ich kann ihn gleich töten lassen und niemand würde es je erfahren."
Mein Gesicht wurde noch kälter.
Kurz wollte ein Teil von mir sagen dass er das gerne tun konnte.
Dass es mir egal war auch wenn das nicht stimmte.
Aber wenn er es wirklich tun würde müsste ich doch stop sagen und das würde mich schwächer machen.
Also entschied ich mich um.
"Das werden sie nicht tun.
Wenn sie wissen wollen was wir wissen, dann nutzen ihnen nur beide Teile, einen davon hat Lucas und einen ich.
Aber nur zusammen ergeben sie Sinn, und glauben Sie mir, ich weiss nicht alles was er weiss."
Ich neigte den Kopf lächelnd zur Seite, ich wusste dass ihn meine Gelassenheit aufregte.
Dann liess ich einen erschrockenen Blick in mein Gesicht treten, als ob ich aus versehen etwas zu viel gesagt hatte.
Es war schön einmal so viel Kontrolle zu haben. Das Spiel zu lenken.
Sofort wurde er darauf aufmerksam und prompt fiel er darauf hinein.
"Falsche Antwort Black.
Du hast gerade zu viel Preis gegeben."
Ich biss mir auf die Lippen und hob den Kopf, de Haltung die ich auch im echten Fall ein genommen hätte.
Doch er merkte nicht dass es in diese Richtung verlief in die ich wollte.
"Ihr Freund wird gleich Morgen verlegt und dann werden wir ihn so lange verhören bis er mir sagt was er weiss."
Ich reagierte nicht, tat so als ob ich zitternd einatmen würde.
Doch innerlich fragte ich mich wieso ich das tat, wieso ich ihm half.
Vielleicht weil er immer noch in meine Familie gehörte.
Und egal was er tat, ich würde ihm nicht fallen lassen. Auch wenn es die perfekte Rache gewesen wäre, wollte ich ihm das gar nicht antun. Er war schon genug gestraft damit, dass er seinem Bruder von dem er so oft traurig geredet hatte, nicht mehr am leben war, nachdem er alle Hoffnung hinein gesteckt hatte.
Zufrieden, als würde er bereits jetzt einen Triumph feiern können, liess er sich zurück sinken.
Wie gerne hätte ich ihm nun das Lächeln aus dem Gesicht gewischt, mit meiner Falle oder ihn erschossen.
Aber keines von Beiden tat ich, jeden kleinen Vorteil musste ich sammeln den es gab.
Ohne einen weiteren Kommentar dazu fuhr er fort, vielleicht hoffte er durch meinen Fehler mit einem nächsten an schliessen zu können.
"Du hast es bereits geschafft dich an deinem ersten Tag mit einem der obersten Faden Zieher hier drinnen gut zu stellen.
Ich bin beeindruckt."
"Danke, das bezweifle ich nicht, meine Fähigkeiten müssen sie ja fast beneiden, so gestresst wie sie wirken."
"Woher du das wusstest interessiert mich.
Auf jeden Fall zeigt es mir, dich nicht mehr zu unterschätzen, Jessica Black."
Ich verzog die Lippen zu einem kurzen Lächeln und tönte eine Verbeugung an.
"Die Regierung will den Anführer."
Ich zuckte die Schultern.
"Die Regierung will uns auch zerstören, sie werden es bloss nicht schaffen."
Gleichgültig betrachtete ich den Raum.
Als wäre sogar die graue langweilige Wand noch spannender als ihm zuzuhören.
Da schlug seine Faust laut auf den Tisch und ich schaffte es gerade so, nicht zusammen zu zucken.
"Du wirst mir noch nützen, ob du willst oder nicht, er wird dich holen kommen, das ist sicher.
Und bis dahin wirst du auch ohne dein Geheimnis preis zu geben eine grosse Hilfe sein."
Beinah grausam lachte er.
Ich verkrampfte mich, er hatte recht.
Ich war Aiden zu wichtig, und ich war so dumm gewesen stehen zu bleiben.
Ich war vielleicht schuld daran, wenn der nächste Bandenkrieg anbrach und sich gegen die Regierung richtete.
"Ich werde niemals etwas sagen, sie werden sehen dass sie alle sterben werden, wenn sie mich hier behalten. Ich werde Ihr Untergang sein."
Kalt richtete ich mich auf und liess nun pure Verachtung in meinen Blick, alles andere wäre zu auffällig gewesen.
"Ich werde sie noch zum reden bringen, aber das beim Nächsten Mal."
Abrupt und ruckartig erhob er sich und mein arroganter, hasserfüllter Blick folgte ihm durch den Raum, bis er ihn verliess.
Ein Messer in seinem Rücken stecken zu sehen wäre jetzt gut gewesen. Nur leider spazierte er lebendig heraus obwohl ich eine Pistole hatte.
Aber nur Geduld. Der Moment würde kommen.
Er war unter Druck, musste Ergebnisse liefern und ich stellte mich quer.
Dass es so schnell ging hatte ich dennoch nicht gedacht, doch als mich Mace raus holte, erfuhr ich dass ich eine geschlagene halbe Stunde da drin gesessen hatte.
Auf seine vorsichtigen Fragen antwortete ich nicht, mir war wieder übel, stärker als zuvor, aber ich hatte es geschafft.
Ich hatte nichts gesagt und Lucas etwas Zeit verschafft.
Und diese würde er brauchen.
Ich ekelte mich vor den Blicken der Wächter, erst zwei Tage hier und schon waren sie schlimmer als die Gefangenen. Nur schockte mich das nicht.
Fast schon traurig.
Mir wurde übel, und ich war mir ziemlich sicher dass es an dem Gestank hier lag, an den vielen Jungs mit zu wenigen Duschen hier drin.
Aber eigentlich war es die Angst die meinen Magen dazu brachte zu rebellieren.
Ich liess mir nichts anmerken, schon wie vorhin.
Als mich Mace durch den Gemeinschaftsraum führte, sassen oder standen dort viele Insassen.
Wieder kamen dumme oder eklige Anmachen, aber einige sahen mich wieder so an wie heute Morgen, als ich Malcolm gerettet hatte. So als würden sie mich ernst nehmen, und nicht mehr als Objekt sehen. Das tat gut so angesehen zu werden, nur leider machten dass die ekelhaften Kommentare zunichte.
Ich hatte es nicht beabsichtigt, doch dem Boss zu helfen hatte einigermassen gute Auswirkungen.
Glück im Pech des Glücks. Es wurde ja immer komplizierter.
Ohne es zu wollen hatte ich einen weiteren Joker gesammelt.
Ihre Uniformen waren alle gleich, doch selbst als Gefangene schätzte ich sie mehr als die Männer die die Aufsicht über uns hatten.
Ihre Blicke verfolgten uns und als ich die Treppe hoch stieg, wusste ich wie viele mir ungeniert auf den Hintern starrten.
Auch ohne die Kommentare die das bestätigten.
Ich lief schneller auf meine Zelle zu, ich ekelte mich selbst dafür an dass ich sie so schnell wie möglich erreichen wollte.
Doch ich wusste wie schnell man hier ein Image verlieren konnte und wollte auf keinen Fall dass ich das nun schon wieder abgeben musste. Vor allem weil ich das Gefühl hatte dass es mir minimale Sicherheit gab.
Die Hände in meine Hose gekrallt wartete ich verspannt vor der Türe und achtete nicht auf seine besorgten Blicke, bis Mace aufschloss und rannte dann förmlich zur Toilette.
Mir war heiss und ich hatte das Gefühl dass jede Zelle in meinem Körper gerade gegen mich arbeitete, das war der Moment an dem ich die Maske fallen liess und wieder die Gefühle über mich rauschten und ich mich übergab, als das Gefühl der Übelkeit zu gross wurde.
Gott sei dank hatte er die Fesseln gelöst bevor ich hatte spucken müssen, ansonsten wäre es nur noch schlimmer geworden.
Mein Körper krampfte sich ab und zu zusammen und ich atmete schnell, als ich mir den Mund mit einem der Tücher abwischte und ihn mit dem nach lauwarmer Brühe schmeckenden Wasser des Waschbeckens ausspülte.
Ich zitterte leicht, eine Gänsehaut hatte meinen Rücken überzogen. Wahrscheinlich lag das an den vielen Gefühlen und dem Wissen nun kurz los lassen zu können und sie zu fühlen.
Mace besorgter Blick verfolgte mich, als ich zu meinem Bett wankte und mich, noch immer brennend vor Hitze die um mich herum brannte, darauf sinken liess.
"Soll ich einen Arzt holen?
Du siehst etwas müde aus, sind es die Verletzungen?"
Schnell schüttelte ich den Kopf und hielt mir die kühlende Hand an die Stirn.
"Mir gehts gut.
War wohl einfach der Stress und so."
Er nickte nicht überzeugt und schloss die Türe.
"Das kann gut sein, das Gefängnis hier kann ziemlich viel sein wenn man das erste Mal hier ist, da spielt der Magen schonmal verrückt. Ruh dich einfach aus."
Er kratzte sich an der Stirn, während ich mich gerade einfach matt und schwach fühlte.
Ich liess den Kopf auf die Matratze sinken und gönnte mir einen Moment der Schwäche, wenn ich ansonsten schon immer einen starken Eindruck machen musste.
"Ich komme in fünf Stunden wieder, dann kannst du unten Essen, oder einfach etwas herum laufen. Falls dir das irgendwie gut tun würde."
Er nickte mir erneut zu und ich wusste dass er das auch tat um zu sehen ob wirklich alles okay war.
Das war es nicht.
Und vor allem hatte ich das Gefühl dass rein gar nichts mir jetzt gut tun würde. Nur meine Familie. Und bei der war ich nicht.
Als er draussen war wandte ich den Blick von den glänzenden Gitterstäben ab und starrte nach oben.
Wenigstens erkannte ich anhand des grossen Dachfensters dass es noch Tag war, mein Zeitgefühl war jetzt schon am Arsch.
Die Sonne liess mit ihren Strahlen alles vier harmloser aussehen, freundlicher.
Aber das täuschte, und die Männer die ich unten lautstark spielen, schlagen und rufen hörte, wussten das schon länger als ich.
Ich seufzte und Gefühle nisteten sich wieder ein.
Alle Erinnerungen.
Und vor allem die Tatsache dass ich Angst hatte hier zu bleiben.
Wie alleine ich war und wie schnell ich verlieren konnte, wenn ich mir einen Fehltritt erlaubte.
Dann stiegen die Tränen in meinen Augen auf und rannen über mein Gesicht.
Erlösende Tränen die mir zeigten dass ich noch Jessy war.
Dass es mich noch gab und das ich imstande war Schmerz zu spüren.
Und das tat ich auch, so unsägliche Schmerzen.
Sie zeigten mir die ganze Situation auf und Verzweiflung machte sich in mir breit.
Leise schluchzend vergrub ich das Gesicht in den Händen, schüttelte den Kopf als könnte ich alles wieder rückgängig machen.
Ich wollte nicht hier sein, Angst frass sich in meine Glieder und mir wurde erneut schlecht.
Ich wusste dass ich auf nichts mehr achten musste, es gab nur noch mich selbst zu schützen und da war es mir beinahe egal.
Also interessierte es mich nicht ob ich schluchzte.
Oder wie sehr ich schluchzte, auch wenn ich eher leise weinte, unauffällig und allein.
Ich vermisste sie alle, jede Sekunde in denen ich sie nicht sah, nicht umarmen konnte tat mir weh.
"Nicht weinen.
Du must stark sein, du bist eine Frau, du bist mehr Wert als wir alle zusammen hier drinnen.
Lass nicht zu dass es dich zerstört."
Er hatte einen leicht Spanischen Akzent.
Ich wusste dass es Malcolm war.
Doch bloss weil ich weiblich war hiess das nicht dass für mich andere Regeln galten.
Was er sagte liess mich bloss noch schniefen und laut ein atmen.
"Genau.
Beruhige dich.
Wir werden noch reden, du bist nicht allein hier. Das solltest du nutzen."
Ich bezweifelte nicht dass er Kinder gehabt hatte, er konnte gut beruhigen, auch wenn ich nicht glauben konnte dass so ein mann dazu imstande war.
Vor allem nicht wenn er sie getötet hatte.
Doch sein Wort, dass er mir gerade gegeben hatte, davon wusste ich dass er es ernst meinte.
"Ja."

Street: Fight or Die *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt