∞1 Ein Auto und wir zwei

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Die Motorhaube des Sportwagens war heiss und ich fuhr mit dem Finger leicht über den schwarzen Lack,. Das Erneute aufheulen des Motors übertönte alle anderen Autos.
Ich trug einen schwarzen, kurzen Rock und ein gleichfarbiges Top, meine Haare waren leicht gelockt und vielen mir ungeordnet über den Rücken.
Meine Stiefel berührten kaum den Boden, ich sass auf der Haube unseres heutigen Wagens.
Seit wir die Survivors besiegt hatten, galten wir hier im Untergrund als die neuen Könige.
Das war toll. Wir bekamen Respekt gezollt und galten als unverwundbare Familie. Aber es erforderte folglich auch, dass es für eine Gang unserer Stufe Pflicht war, an solch grossen Events wie illegalen Strassenrennen teilzunehmen.
Der Himmel war rabenschwarz und das verlassene Fabrikgelände diente perfekt als Rennstrecke.
In der Weite konnte ich bereits einige der stolzen Wolkenkratzer ausmachen, und den Stadtteil, der als immer Beleuchtet galt. Der nie schlief. Genau wie wir.
Am Ende der Strasse war ein Wendepunkt aufgestellt den ich von hier aus kaum erkennen konnte.
Zu den beiden Seiten der Rennstrecke erstreckten sich heruntergekommene Werkstätten und Fabriken und mehrere Abwasserkanäle.
Vereinzelte Laternen der langen Strasse waren kaputt aber dennoch reichte der Schein, um die Sicht auf den überfüllten Platz zu ermöglichen.
An die Zwanzig Autos parkten in einem grossen Kreis, eines prachtvoller als das andere und die Besitzer prahlten vor den Mädels und den anderen mit ihren Nitros und der hohen Lachgaseinspritzung, sowie ihrem Motor. Nur unser Auto hatte die Haube unten. Denn wir mussten niemandem beweisen, wie gut wir waren. Aber gewinnen wollten wir trotzdem.
Es war eine ausgelassene Stimmung. Die Gespräche waren laut und ab und zu schloss einer eine Wette ab, welches der Mädchen er vor seinem Kumpel mit seiner Karre beeindrucken würde.
Ich grinste und beobachtete die Leute. Das rege Treiben um mich herum war genau das, was ich brauchte. Ich selbst sass noch an der gleichen Stelle, Leonie und der Innerste Kreis, wie ich uns immer nannte, war auch in der Nähe verteilt. Sie waren damit beschäftigt, die Kontakte zu den kleineren Gangs zu pflegen und weitere Mitglieder abzuwerben. Das hier war wirklich ein Vollzeitjob.
Rockige Musik ertönte aus den Boxen und einige tanzten um die Autos herum, während die Tribüne für den Sprecher aufgebaut wurde und die Lichter der Autos die Strasse von grün bis zu rot färbten.
Die Startfahnen hielt ich in meinen schwitzigen Händen, sie flatterten nicht in dem Windstillen Moment.
Ich würde das Startsignal geben, schliesslich war ich die Freundin des Anführers der Black Angels.
Ich liebt diese Aufgabe, dort vorne zu stehen und zwei Zehn Sekunden Autos vor der Nase zu haben die direkt auf dich zu rasten.
Seit unserem finalen Kampf gegen die konkurrierenden Survivors, hatten die Überlebenden die Wahl bekommen sich uns anzuschliessen und sie ausnahmslos genutzt.
Seitdem waren wir die unangefochtenen Könige. Die Medien bezeichneten uns sogar als Mafia, obwohl das übertrieben war.
Auf einmal legten sich zwei starke Arme um meine Hüfte und zogen mich auf den Boden.
Ich grinste und sah in seine smaragdgrünen funkelnden Augen. Ich war wirklich gesegnet mit diesem Mann.
"Du siehst heiss aus", flüsterte Aiden nahe an meinem Ohr und seine braunen Haare kitzelten mich.
Ich wurde rot und stellte mich schnell auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.
Aber er hielt mich bei sich und so wurde daraus eine Knutscherei.
Ich fuhr ihm durch seine weichen Haare und er wanderte mit seinen magischen Händen meinen Rücken immer weiter hinunter.
Ich hätte hundert Jahre hier stehen können, mitten unter den gaffenden Leuten, wenn ich hier war, legte ich die verunsicherte Jessy völlig ab, und wurde zu der selbstbewussten Person die ich selbst so mochte.
Ein Räuspern unterbrach uns, und ich löste mich unwillig von Aiden, der seine Hände jedoch an meinem Rücken hielt und grinsend aufsah.
Ich drehte mich um und legte meinen Hinterkopf an seine starke Brust und er schloss die Arme um mich.
"Du bist dran, Aiden"
Leonie grinste vielsagend und ihr Bruder war sofort hellwach.
Das war ganz sein Element.
"Wünsch mir Glück."
Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und löste seine Arme von mir, bevor er mit einem Glitzern in den Augen im Wagen hinter mir verschwand.
Ich lächelte und schnappte mir meine weiss-schwarz karierten Fahnen.
Dann umarmte ich kurz Leonie. Unsere Beziehung war noch enger geworden, seit Jake und sie endlich ein Paar geworden waren. Aiden hatte es nach einer Weile auch akzeptiert. Und Leonies Erzählungen zufolge hätte es nicht besser laufen können. Das freute mich ehrlich für meinen Bruder, denn er hatte so lange gezögert. Und Leonie war nicht besser gewesen. Deswegen war ich jetzt froh, dass sie sich endlich gefunden hatten.
Ich schob mich zwischen den Menschen weiter nach vorbe, denn die Musik klang langsam ab und die Menschen drückten im Halbkreis nach vorne, um einen Blick auf die Startenden Wagen zu haben.
Heute Abend hatte noch niemand Aiden herausgefordert, der uns vertrat.
Aber es würde sich dennoch einer finden lassen. Und so begann mein Auftritt.
Ich lief los und eine Gasse bildete sich.
Die eifersüchtigen Blicke der Mädchen sowie das starren der Jungs entging mir nicht, aber an das Ganze war ich mittlerweile gewöhnt.
Früher hatte ich nicht einmal daran gedacht, freiwillig vor so viele Leute zu stehen, aber jetzt war es Alltag geworden, in den sechs Monaten seit Garrisons Tod war ich wirklich anders geworden.
Mit einer Spraydose war eine Weisse Linie gezogen worden und ich blieb kurz nach ihr stehen und drehte mich um, ein Lächeln auf meinen Lippen.
Aiden fuhr langsam vor bis ich ihm das Stop Zeichen gab, und er den Wagen dicht vor der Startlinie anhielt.
"Nun zum Herausforderer, wer wagt es wohl sich mit den Black Angels anzulegen?"
Unser Sprecher sprang ziemlich überengagiert in der Luft umher und hielt das Mikro fest in beiden Händen.
Ein Mädchen flüsterte ihm etwas ins Ohr und seine Miene verfinsterte sich kurz, bevor er sich wieder zu einem übertriebenen Lächeln zwang.
Ein Ungutes Gefühl breitete sich in mir aus, als ich seine nächsten Worte hörte, auch wenn das eigentlich nicht beunruhigend seien sollte.
"Wie es scheint gibt es eine neue Gang, die heute mit dabei ist!"
Das war leider wahr. Wir hatten es uns selbst verboten, so mit kleinen Gangs umzuspringen wie die Survivor mit uns.
„Die Reds! Und ihr Anführer Markus ist heute hier, um den unseren in diesem Rennen herauszufordern!"
Lautes Buhen ertönte und es wurde geklatscht. Wir waren hier die unangefochtenen Favoriten. Und jetzt konnten wir uns auch unsere eigenen Autos leisten.
Der Junge mit dem Mikrophone nickte mir zu, das Lächeln in meinem Gesicht war mittlerweile versteinert.
Ich liess mir nichts anmerken, aber bei dem Namen Markus hatte es meinem Herz einen Stich versetzt.
Wir hatten einst ein Mitglied der Black Angel, der gestorben war um mich und die Gang zu schützen.
Ich war bei ihm als er starb und hatte auch die Rede an seiner Beerdigung gehalten. Eine ziemliche Ironie seinen Namen wieder zu hören.
Ein blaugrüner Wagen fuhr langsam neben Aiden und ich liess auch ihn dicht vor der Linie anhalten.
Am Lenkrad sass an ein schwarzhaariger Junge und seine hellblauen wässrigen Augen schienen mich zu Löchern.
Unter seinem Blick wurde es mir noch unwohler aber das verdrängte ich.
Ich sah ihn bloss herausfordernd an und lächelte dann Aiden zu, der entschlossen den Motor aufheulen liess, worauf tosender Applaus und Gejubel unsererseits ertönte.
Bedächtig und langsam, um die Spannung zu erhalten lief ich einige Schritte weiter, meine Schritte hallten auf der Strasse, und drehte mich um.
Ich stand nun in der Mitte der Strasse und ein kühler Windhauch liess mich kurz frösteln.
Dann hob ich langsam meine Arme, sodass die wehenden Flaggen nun horizontal von mir abstanden.
"Achtung", meine Stimme klang laut und selbstsicher.
Ich erblickte aus den Augenwinkeln kurz Aiden und Markus, die sich anscheinend vor kurzen noch über etwas unterhalten hatten.
Auf jeden Fall war Aiden wütend.
Ich hob beide Arme in die Höhe.
"Fertig..."
Ich verharrte in der Stellung und es war mucksmäuschenstill. Nur die entfernten Geräusche des Stadtlebens waren zu hören.
Ich liess den Blick vielsagend über die beiden Autos wandern während die beiden immer wieder aufs Gas drückten.
Die Zuschauer sowie die beiden Fahrer hatten den Blick starr auf die Flaggen gerichtete.
"Los!"
Ich liess die Fahnen niedersausen und genoss den Augenblick, in dem pures Adrenalin durch meine Adern schoss.
Die beiden Motoren heulten auf und die Autos schossen haarscharf an mir vorbei, sodass meine Haare wild herumflogen.
Ich drehte mich um und starrte ihnen hinterher.
Die Autos flogen über den Asphalt und ich spürte ihn unter meinen Füssen vibrieren, noch ein Gefühl welches mich in höchst Stimmung brachte.
Sie verschwanden kurz aus unserem Blickfeld und ich nahm an dass sie nun bei der Kurve angekommen waren.
Noch hatte keiner der beiden sein Nitro benutzt.
Kurz sah und hörte man Nichts mehr, die Menge hatte dann keine Ahnung wer von beiden vorne lag, und auch waren in diesen Toten Winkeln schon Unfälle passiert.
Doch dann begann die Menge zu jubeln, als die beiden Wagen wieder zurückkamen.
Zuerst konnte man nur das Heulen der Motore hören, dann die qualmenden Reifen und schliesslich die Windschutzscheiben.
Sie rasten Seite an Seite auf mich zu und meine Häärchen ab den Armen stellten sich auf.
Es war ein berauschendes Gefühl hier zu stehen, während zwei Zehn-Sekundenautos auf mich zurasten.
"Warte noch."
Murmelte ich, was an Aiden und seinen Daumen am Nitro Knopf gerichtet war.
Die Wagen kamen immer näher und die Stimmung war zum zerreissen gespannt.
Nun waren sie bloss noch an die 150 Meter von mir entfernt und Markus schien es wohl nicht mehr zu ertragen.
Sein Wagen schoss vor und ein lautes zischen war zu hören.
Meine Mundwinkel zuckten nach oben, und Markus Fanclub begannen zu Jubeln, als sich sein Auto langsam vor Aidens schob.
Anfänger, dachte ich.
Sie kamen der Ziellinie immer näher und meine Beine vibrierten, als sie direkt auf mich zu steuerten.
Dann benutzte Aiden endlich sein Nitro.
Eine Flamme loderte aus seinem dreifachen Auspuff und sein Wagen schoss an Markus' vorbei.
Und an mir, ohne mich auch nur zu streifen.
Meine Haare wehten im Wind und mein Herz schlug Saltos.
Ich begann wie alle anderen zu jubeln und rannte zu Aiden der das Auto qualmend abbremste und einige Drifts vorführte.
Markus bremste ebenfalls ab und stieg mit angespanntem Kiefer aus seinem Wagen.
Ich ignorierte ihn und die Leute die sich zu ihm gesellten und drückte die Fahnen Leonie in die Hand, die selig grinste.
Dann rannte ich zur Fahrertür und fiel Aiden um den Hals als er ausstieg.
Er schwang mich herum und ich drückte mich fröhlich an ihn.
"Ich sollte wohl öfters Rennen fahren." Ich wusste dass er grinste und drückte ihn noch fester an mich.
Er vergrub sein Gesicht in meinem Haar und so standen wir einige Sekunden bis er von unseren Freunden umringt und gefeiert wurde.
Ich liebte den Abend, die Feier und die kleinen Neckereien unter Freunden.
Er war der Sieger, und wieder einmal stellte uns niemand in Frage.
Bis auf diesen Markus. Seine Gang...die Reds, von ihnen hatte ich bis jetzt noch nie etwas gehört. Das war für mich ein Alarmsignal, wir sollten sie also im Auge behalten.

Street: Fight or Die *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt