∞ 21 No Control

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Ich schlurfte langsam aus meinem Zimmer, um mir eine lange Dusche zu genehmigen.
Nach gestern Abend war ich noch immer in meiner kleinen Traumwelt gefangen.
Immer wieder schien ich seine Lippen auf meinen zu spüren, seine Hände an meiner Hüfte und die Blitze auf meiner Haut, wenn sein Atem darüber strich.
Ich bekam das Lächeln einfach nicht von meinen Lippen und seine blitzenden Grünen Augen schienen sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt zu haben.
Ich hatte mich beinahe die ganze Nacht wach gehalten, selbst nachdem mir die Chips ausgegangen waren, hatte ich noch auf dem Bett gesessen und es mir immer wieder durch den Kopf gehen lassen.
Ich hatte eine Weile gebraucht bis ich mir selbst eingestehen konnte dass meine Reaktion, nach seinem Kuss weg zu laufen, das Dümmste war was ich je getan hatte.
Er hatte die Augen geschlossen gehalten, er hatte so entspannt und ausgeglichen gewirkt und was hatte ich getan? Statt den Moment genauso zu geniessen war ich weg gelaufen. In Panik, dass meine Gefühle für diesen Typen vielleicht die Oberhand gewinnen könnten.
Ich fragte mich immer wieder, was passiert wäre wenn ich geblieben wäre. Hätten wir ein tiefgründiges Gespräch geführt? Wären wir am Ende sogar ein Paar geworden? Oder hätten wir vielleixht.... an dieser Stelle ging meine Fantasie mit mir durch. Das alles nützte aber nichts, da die Realität noch immer so aussah: Auden war für den Rest des gestrigen Abends verschwunden.
Ich vertiefte mich so auf die Dielen, die leise unter meinen Füssen knarrten und meine Gedanken, sodass ich keine Bewegung um mich wahrnahm.
Ich knallte mit voller Wucht in eine Person hinein, doch das Kribbeln blieb aus.
"Lass es nicht Aiden sein, bitte lass es nicht Aiden sein."
Flüsterte ich lautlos. Dafür wäre ich nicht bereit gewesen. Ich wollte zwar mit ihm ein Gespräch führen, ich hatte mir nur noch nicht zurecht gelegt, was ich da sagen würde.
Ich versuchte mir noch notfallmässig die Grundregeln eines Gespräch ins Gehirn zu rufen bevor ich mich bereit machte, in die fesselnden Augen meines Zimmernachbars zu sehen.
Aber als ich hochblickte, blieb mir die Spucke weg.
Ein Mädchen, einzig und allein mit einer halb durchsichtigen Bluse bekleidet, stand vor mir.
Und wenn ich sagte sie trug nur diese Bluse, dann war es auch so.
Sie hatte rotes, kraftvolles langes Haar und blaue Augen.
Etwas zu viel Make-up für meinen Geschmack, dafür einen echt perfekten Körper.
Doch was ich neben ihrem ziemlich entblössten Körper schlagartig kapierte, war, dass sie hier garantiert nicht wohnte und gestern Abend auch noch nicht da gewesen war.
Sie sah mich abschätzig an und stemmte dann die Hände in die Hüften.
"Du stehst mir im Weg."
Ich kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
Ich war hier garantiert nicht nur um irgendwelchen Möchtegern Models aus zu weichen, die zudem zu meinem Leidwesen noch fast ein Kopf grösser war als ich. Enttäuschung machte sich in mir breit.
Ich hatte gerade angefangen mich in Aiden zu vergucken. Und es war unwahrscheinlich, das dieses nackte Ding aus Leonies Zimmer gekommen war.
Mein Leben wollte mir anscheinend echt eins rein würgen. Gestern noch hatte er mich geküsst als gäbe es nur mich auf dieser Welt.
Und jetzt dass.
Kaum war ich weg, schnappt er sich die Nächste. Er hatte keine Zeit verschwendet. Noch am selben Abend. Wow. Wollte er sich so irgendetwas beweisen ?
Mir bewies das ganze nur etwas.
Das ich verdammt verletzt war und dumm, dass ich tatsächlich gedacht hatte, das das zwischen Aiden und mir etwas Einzigartiges gewesen war.
Es war gut, dass ich weg gerannt hatte. So hatte ich mich nur vor einer noch grösseren Enttäuschung geschützt.
Mein Blick kühlte ab, so sehr dass ich mich wunderte, dass die Schönheit vor mir nicht längst erstarrt war.
Trotz dieser eisigen Maske zerriss es mir mein blödes Herz, sie hier vor mir stehen zu sehen.
Aber was hatte ich schon von ihm erwartet? Er war ein gnadenloser Ganganführer und trotz allem ein verdammter Heuchler.
Und trotzdem hatte er meine Schale geknackt.
Ich war bereit gewesen, mich ihm zu öffnen und hatte meinen Stacheldrahtzaun hinter mir gelassen, weil ich ihm einfach nicht widerstehen konnte.
Das würde mir eine Lehre sein.
Ich liess nicht zu, dass er mit mir spielte.
Immerhin brauchte er mich.
Ich war der Anker, und ich konnte ganz schnell damit aufhören.
Ich wollte nicht sein Spielzeug für ab und zu sein und ich wollte auch nicht, das er mich so behandelte wie er es jetzt tat.
"Hallo? Bist du taub Mädchen, oder wieso bewegst du deinen Arsch hier nicht weg?"
Die elende hohe Stimme der jungen Frau brachte mich wieder in die Gegenwart zurück.
Ich stand immer noch wie angewurzelt vor ihr, der Dampf des benutzten Bades verpasste mir eine heisse Ohrfeige.
Meine Trauer hatte Wut platzgemacht und ich richtete mich auf.
"Ich sag dir mal was.
Wenn du dich nicht augenblicklich aus meinem Sichtfeld bewegst, bin ich gezwungen, dir einige unschöne Sachen anzutun."
Es war zwar nicht richtig, diese Frau für Aidens Scheissaktion zu bestrafen, aber so arrogant wie sie auf mich hinunter sah, konnte ich nicht anders.
Das Mädchen hob eine perfekt gezupfte Augenbraue und rief dann mit einem herablassenden Blick.
"Ich weiss ja nicht was du hier willst, aber du solltest etwas mehr Respekt zeigen."
Mit dem Finger deutete sie in Richtung Decke.
Ja dorthin würde ich sie gerne hinein katapultieren.
"Ach wirklich?"
Mein Grinsen wechselte von gequält zu wütend.
„Ja."
Sie verschränkte die Arme und verdeckte dabei ihren Busen.
„Du meinst, weil du mit einem Ganganführer geschlafen hast? Keine Sorge, da bist du nicht die Einzige und es macht dich ganz sicher nur zu einem: einer Trophäe."
Ich zuckte die Schultern und sie schnaubte.
„Da spricht doch bloss die Eifersucht aus dir. Weil du nunmal ein Nichts bist und absolut..."
Sie blickte angeekelt an meinen Pyjama-Hosen hinunter, „nicht begehrenswert."
"Du hast keine Ahnung, wer ich bin. Aber es hat einen guten Grund, wieso ich mich in diesem Haus befinde."
Zischte ich und trat einen Schritt näher an das wohlriechende Mädchen heran.
Sie sagte nichts, zog nur den Kopf etwas zurück.
"Oh ja. Und ich bin ein ziemlicher Morgenmuffel, also solltest du besser Leine ziehen bevor beschliesse deine Nase in meinem Zimmer aufzuhängen."
Die Worte kamen über meine Lippen, ohne dass ich wirklich darüber nachdachte.
Das war absolut primitiv, was ich da ablieferte. Schockiert und angeekelt trat die Rothaarige etwas zur Seite. Als wolle sie ihre Nase retten. War vielleicht auch eine gute Idee.
Mein Interesse am Badezimmer hatte ich jetzt aber verloren.
"Aiden, Babe, kommst du mal?"
Als sie seinen Namen so unruhig und hilflos aussprach, wäre mir vor Eifersucht beinahe der Kragen geplatzt, wofür ich mich selbst hätte ohrfeigen können.
Wieso dachte ich auch bloss daran, sie als Konkurrenz zu sehen. Ich hasste Aiden. Ich konnte froh sein, seiner elenden Masche entkommen zu sein.
Doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund war es nicht mehr so einfach, diesen Hass für den Kerl in mir aufzurufen wie bei meiner Ankunft in den Bronx.
Aber meine wütende Maske hielt. Ich wusste nur nicht, was hervor kam, wenn sie es nicht mehr tat.
Ein verschlafener Aiden, nur mit Boxershorts bekleidet trat aus dem Zimmer und hob etwas genervt den Blick.
Seine Haare hingen ihm wirr ins Gesicht und ein bläulicher Fleck zierte seinen Hals, sodass mir beinahe übel wurde.
Sein Blick blieb an mir hängen und sofort schien er hellwach.
"Was macht diese Barbie hier?"
Meine Stimme klang gepresst, und wenn er nicht dumm war, was ich echt bezweifle, dann hörte er meine Wut bestimmt ganz gut heraus.
Mein Blick kühlte ziemlich ab und meine Zähne hatten womöglich bald einen Zahnarzt Termin nötig.
"Jess beruhig dich. Sie hat hier übernachtet, aber sie geht gleich."
Er kratzte sich im Nacken, doch es sah nicht so aus als ob er es bereute. Oder sich schämte. Nein. Er warf dem Mädchen lediglich einen vielsagenden Blick zu, der mir aber ziemlich am Arsch vorbei ging.
"Jessica. Du nennst mich Jessica."
Er hob eine Augenbraue und ich war selbst erstaunt von mir, dass ich so unterkühlt klingen konnte. Ich hatte trotzdem das grosse Verlangen gehabt, ihn zu korrigieren.
Er hatte sich endlich gefasst und sah mich ziemlich intensiv an.
Vielleicht war es eine Herausforderung, die ich in seiner Morgenstimme wahrnahm.
"Das ist meine Freundin, Elli. Elli, das ist Jessica."
Es traf mich wie ein Schlag in die Magengrube.
Aber meine frisch errichtete Maske liess nichts nach aussen durchdringen. Ich stand da und starrte die beiden an.
Ich versuchte mit aller Kraft meine Aggressionen runter zu würgen und sagte mir dass ich über diese verlogene Schlampe auch gut hinweg kam ohne aus zu flippen, wie mir alles in mir riet.
Kurz hob Elli die Brauen und tauschte mit ihrem Freund einige Blicke, bevor sie erfreut nickte und mich triumphierend ansah.
"Ich glaube die Frage wer hier wer ist, ist ja wohl geklärt."
Kurz hielt sie inne. Dann zuckte sie die Schultern und formte einen Schmollmund mit ihren breiten Froschlippen.
"Naja...wer du bist weiss ich eigentlich nicht, aber besonders relevant scheinst du ja nicht zu sein."
Das war genug.
Ich hatte versucht mich nicht auf das Niveau vor meiner Zeit hier hinunter zu lassen aber diese Kommentare musste ich mir nicht anhören.
Ich war besser darin Dinge zu zerstören, als mir Mühe zu geben, sie zu reparieren. Schon immer hatte ich ein Händchen dafür gehabt. Und wenn sie sich mit mir anlegen wollte, musste ich mich auch nicht bemühen, mich zurück gehalten.
Ich war es Aiden nicht schuldig, seinem kleinen Betthäschen gegenüber Gnade walten zu lassen.
Meine Sicherung brannte durch und ich warf mich auf die rothaarige Schönheit vor mir.
Ja schon klar, Gewalt war keine Lösung. Ich suchte aber gerade auch nicht wirklich nach einer.
Ich wollte nur Heulen. Und damit ich das nicht tat, brauchte es eben so eine Aktion die mich davon ablenkte.
Kreischend drehte sie sich um, doch sie kam nicht weit, ich schleuderte sie, so wie Aiden mich gestern, auf den Boden und kniete mich über sie.
Ich wickelte mir ihre geglätteten Haare um die Hand und zog sie daran zu mir hoch.
Ich kam mir vor wie eine dieser kreischenden Teenies, die um einen Jungen kämpfte. Ich fühlte mich wie eine dieser Zicken, die ich in Filmen immer so gehasst hatte.
Doch es war mir sowas von egal.
"Du willst wissen wer ich bin? Ich bin Diejenige die dich dazu bringt nie wieder in den Spiegel zu sehen, wenn du noch einmal so mit mir redest."
Meine Stimme war ziemlich laut. Und böse.
Im Nachhinein könnte ich mich rausreden, damit, dass es mir um meinen Rang ging, der hier auf der Strasse tatsächlich wichtig war. Doch ich glaube Aiden und ich wussten beide die Wahrheit.
Es tat gut, diese Macht zu besitzen und es gefiel mir noch mehr, sie zu demonstrieren.
Mit weit geöffneten Augen kreischte Elli um Hilfe.
"Aiden tu doch was, ahhh du tust mir weh du Schlampe!"
Im nächsten Moment umfassten mich zwei starke Arme und zogen mich von ihr weg. Leider. Zu gerne hätte ich ihr das Gesicht von den Knochen gekratzt.
Das Kribbeln reichte bis unter das Shirt und ich brauchte eine Sekunde um mich zusammen zu reissen und wieder die Wut auf ihn zu spüren, die mich beflügelte.
Aiden hielt mich mit beiden Armen fest umschlungen, doch ich schlug wild um mich, vielleicht traf ich ihn sogar. Es beeindruckte ihn aber nicht sonderlich.
"Kätzchen, bitte beruhig dich."
Flüsterte er.
Seine Stimme steigerte meine Wut ins Unendliche.
„Nenn mich nicht so!"
Schrie ich und stiess ihm den Ellbogen in die Brust. Ich schaffte es, loszukommen.
Ich mochte seine Stimme eigentlich sehr, doch in diesem Moment wollte ich ihn nicht hören.
Diese Stimme hatte mir so viele falsche Dinge erzählt und Hoffnungen in mir erweckt und ich wollte mir nicht noch eine weitere Lüge daraus anhören.
Ich stolperte etwas von ihm weg und zerhackte ihn mit Blicken.
Elli sah mich angeekelt und schniefend an und liess sich von Aiden aufhelfen, während sie ihre zerzausten Haare richtete. Dann kuschelte sie sich an seine starken Arme und sah mich nochmals an.
"Du bist verrückt."
Murmelte sie schnaubend.
Aiden legte den Kopf minimal schief, es sah so aus als würde er ihr ziemlich recht geben.
Ich sah ihn fassungslos an.
Das war nicht der Junge, in den ich mich beinahe verliebt hätte.
Kurz öffnete ich meinen Mund um ihn anzuschreien.
Doch würde das irgendwas bringen? Nein.
Ich drehte mich um und verschwand im Zimmer, bevor ich etwas schlimmes tat. Denn meine Beherrschung war weg.

Street: Fight or Die *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt