∞7 Die wahre, alte Liebe

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Der Flug dauerte wirklich nicht lange.
Dylan hielt die Klappe und ich sah aus dem Fenster.
Ich sah die dunkeln Wolken.
Nass und tief hingen sie am Himmel, also wollten sie einen schlechten
Tag ankünden.
Ich konnte Teile der Stadt unter uns aus machen, vor allem die Hochhäuser und die Geschäftsbauten stachen aus der Anzahl heller Häuser und Strassen.
Sie waren von hier oben alle so klein, so unwirklich und unwichtig.
Selbst die Wassermassen vor dem, mit Containern gefüllten Hafen schienen nichts zu sein.
So kleine Überwindungen, als würde der Ernst des Lebens gar nicht dort unten statt finden können.
Und doch tat er es.
Bald sogar.
Ich spürte wie das Flugzeug an Höhe verlor, der Pilot machte seine Sache gut und vorsichtig.
Doch ich wollte nicht runter.
Ich hatte mich an jede Sekunde geklammert die ich hatte und nun ging der letzte Moment zu Ende, den ich in Erinnerung behalten wollte.
Vielleicht klappte alles, ich traf all die inneren Massnahmen bloss wegen diesem Gefühl.
Und ich hatte das Gefühl dass wir vom Himmel geschosse wurden.
Als sich das Flugzeug weiter senkte und die Container und Menschen wieder grösser wurden, war ich gezwungen wieder in die Realität, das echte Leben hier unten ein zu treten.
Den Ruck als wir auf der Erde aufsetzten spürte ich beinahe nicht.
Ich sah bloss viele Container, das Flugzeug schrammte an einigen Stellen gegen harte Teile, ein Hafen war kein idealer Landeplatz.
Aber die Eltern der Geiseln oder allgemein die Verwandten, mussten der Regierung ordentlich Feuer unter dem Hintern gemacht haben.
Sie scheuten vermutlich keine Kosten, wie man immer so schön sagte.
Es dauerte eine kurze Weile bis die riesige Maschine hielt.
Ich schloss unmerklich die Augen.
Auch das würde vorbei gehen.
Heute Abend spätestens wusste ich dass es vorbei war.
Vielleicht wurde bald alles wie immer und all meine Panik war umsonst.
So musste es sein.
Meine Hände vergrub ich zwischen denen von Aiden, sodass niemand sah wie sie zitterten.
Trotz meiner Mauer war Angst nicht zu verhindern.
Anders als sonst, wenn ich vollkommen gefühlskalt wurde.
Etwas schien die Mauer zu blockieren, sie liess sich nicht vollständig schliessen.
Doch ich liess es mir nicht anmerken, versuchte die Aufsteigende Gefühlswelle nieder zu ringen und lief neben Aiden zum Ausgang.
Als ich ausstieg und mir der salzige und nach Tang riechende Wind entgegen schlug, konzentrierte ich mich auf die Umgebung, um meinen menschlichen Gefühlen so wenig Raum wie möglich zu geben.
Ich lief hinunter, Aidens zerzausten Schopf unter mir, er hatte sich erneut vor mich gedrängt.
Mein Blick schweifte über die Umgebung.
Ich hatte schon viel gesehen, aber eine Geiselnahme von aussen zu betrachten, die andere Rolle zu besetzen sah ganz anders aus.
Das Dock grenzte unweigerlich an das dunkel Grüne Wasser, auf dem einiges Treibholz schwamm und immer wieder an den Rand prallte, worauf kleine Wellen zu hören waren. Friedlich eigentlich, wenn man den Rest und den Geruh nach Tot nicht mit ein bezog.
Das Meer erstreckte sich weit nach hinten und die Sonne war hinter den Wolken verschwunden.
Der Hafen war vollkommen still gelegt.
Kranen mit Gewichten standen an Ort und Stelle, viele Container standen auf dem breiten Gelände herum und etliche Häuser mit Booten grenzten an das Wasser.
Eines davon war in fünfzig Metern Abstand abgsperrt, ziemlich genau hier stiegen wir nun aus.
Überall wuselten Männer in Uniformen umher, viele Geräte waren aufgestellt und Offiziere diskutierten miteinander während sie davor standen und wohl überlegten wie man rein kam.
Sie wiesen auf Stellen am Bildschirm, der durch eine weisse Plane vor Regen geschützt war.
Die andern Geräte die zu der Überwachung dienten, waren ebenfalls besetzt und jede kleine Veränderung wurde gemeldet.
Es war erstaunlich dass keine Reporten in Massen heran strömten.
Doch wahrscheinlich hatte die Regierung nicht gewollt dass man sah wen sie zu Hilfe riefen.
Der Untergrund würde es dennoch sehen.
Und als Sieg auffassen, egal wie es hier endete.
Wir waren die ersten die so etwas je gewagt, oder mit gemacht hatten.
Al ich den Boden unter meinen Füssen spürte schoss mein Blick hoch.
Aiden reihte sich neben mir ein und seine Schulter berührte meine, eine sanfte unscheinbare Berührung.
Dennoch gab sie mir neue Kraft.
Das Treiben hielt inne, die meisten der Bullen blieben stehen, es war wohl such für sie schwer, nicht in alte Gewohnheiten zu verfallen.
Schliesslich standen sich hier zwei Erzfeinde gegenüber und waren gezwungen zusammen zu arbeiten.
Ein Mann mit mehreren Abzeichen und einer etwas ausgeschmückteren Uniform trat auf uns zu, seine Erfahrenen Augen scannten uns ab.
Trotz trat in meine Augen, die Kühle Seite ergriff kurz die Macht, wie immer wenn es wirklich darauf an kam.
Leonie und Lora standen etwas hinter uns, so konnte er nur mich als Mädchen sehen.
Er hob die Brauen, und ich verzog die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln.
Mir war klar was er dachte.
Doch er kannte mich nicht.
Nur aus den Erzählungen.
Er schien nicht zu wissen wie er uns begrüssen sollte, normaler Weise war das die Stelle, an der wir gegenseitig aufeinander Schossen.
Aber jetzt sollten wir zusammen eine andere Gefahr ausschalten.
"Also...Dylan hat Sie schon aufgeklärt?"
Sein Blick huschte zu dem genanten, der eifrig nickte, beinahe ängstlich, dass ein Fehler gefunden werden könnte.
"Ja, wir wurden informiert."
Aiden klang kalt und erbarmungslos, viele der Cops liessen ihre Hände über die Dienstwaffen gleiten.
Sogleich griff auch unsere Seite zu den Waffen.
Lustig, wie wir uns gegenüber standen wie die Gegner im alten Westen. Nur noch die passende Musik.
Manchmal half es das Ganze ins Lächerliche zu ziehen, wenigstens für eine ganz Kurze Zeit.
Dann wurde es wieder ernst und ich konnte mich auch nicht mehr gegen die innere Spannung wehren, die sich in mir breit machte.
Die Stimmung war ebenfalls zum Zerreissen gespannt, eine falsche Bewegung bloss und es würde ein Blutbad geben.
Das sah auch der Kommandant, der uns nicht einmal seinen Namen genannt hatte.
Langsam und beschwichtigend hob er die Arme, dabei folgten seiner Bewegung an die siebzig Blicke.
"Wir arbeiten, so unwohl es den Seiten auch seien möge, zusammen, und ich bitte sie um Diskretion."
Aiden schnaubte und seine Augen stachen sich in die des etwas älteren Mannes.
"Wir wollen zuerst die Gefangenen sehen.
Davor machen wir gar nichts."
Es war eine Aufforderung, er hatte sie absichtlich gestellt, so sahen die Polizisten, dass ihr Anführer einem Befehl von unserem gehorchen musste.
Machtdemonstrationen. Die Welt wäre ohne sie besser dran, bestand aber genau daraus.
Und das musste er tun, denn ansonsten würde er auf keine Hilfe zählen können.
Er spannte den Kiefer an, natürlich entging mir das nicht.
"Sie sind da hinten.
Fünfundfünfzig Stück."
Wie er darüber redete.
Stücke von Kuchen.
Tiere, Objekte.
Das waren alles Menschen wie er und ich, mit Familie die sie vermisste oder Kinder die von ihnen versorgt werden mussten.
Mein Blick folgte seiner Hand zu einem bewachten Gefängnistransporter. Angreifen und sie mit Gewalt befreien, war keine Option.
"Wir wollen sie sehen.
Der Wagen könnte auch leer sein."
Aiden war für mich der geborene Amführer.
Nicht nur seine Art.
Sondern auch alles was er bedachte.
Wie er das "wir" aussprach, weil er genau wusste dass sich dann alle aus der Gang wichtig fühlten.
Und wie er jede Möglichkeit in Betracht zog, nur um dem Kommandant klar zu machen, wer hier wirklich das Sagen hatte.
Es war eines der versteckten Spiele, die man sooft mit bekam, wenn man nur genau hinsah.
Nur dann konnte man die Geflechte der Feindschaft erkennen, die bereits vor unserer Geburt hier gespielt hatten.
"Natürlich, sie sind sehr aufmerksam."
Angespannt rang der Mann vor uns sich ein Lächeln ab.
Daraufhin gab er ein Zeichen, die Wärter, die bis jetzt reglos vor dem hinteren Teil des Wagens aus Panzer gestanden hatte, bewegten sich.
Die Türen wurden geöffnet und meine Augen sogen den Anblick als Motivation auf.
Einige der Leute kannte ich.
Sie sassen in Handschellen und schäbigen Kleidern auf den beiden metallenen Bänken, dazwischen immer wieder bewaffnete Gefängnisangestellte.
Ihre Haare waren gemacht, sie waren auch rasiert, nicht wie in den Filmen wo sie wie Ratten gehalten wurden. Ihre Menschlichkeit war ihnen noch anzusehen.
Und die Ketten die von ihren Händen zu ihren Füssen reichten waren so schwer dass ich sie bei jeder Bewegung über den Boden scheppern hören konnte, wenn sie sich mühsam zurück lehnten.
Doch was gleich war, waren ihre Gesichter.
Sie waren eingefallen, in ihren Augen war bis jetzt nur Hass und Verzweiflung zu sehen, ich konnte mir nicht vorstellen wie schlimm es für sie sein musste.
Doch als sie nach einigem Blinzeln in unsere Richtung sahen, veränderten sie sich.
Ein Glanz trat in ihre Augen, sie sahen uns als ihre Retter.
Sie wussten das wir wegen ihnen gekommen waren.
Hoffnung schoss in ihnen hoch und in mir regte sich ebenfalls etwas, ich wollte ihnen dieses Gefühl weiterhin geben.
Wie sie uns ansahen, all ihr Vertrauen steckten sie in uns und wieder wurde mir klar für wie Viele das hier eine wirkliche Familie war.
Immer wieder bewiesen wir es, und nun schon wieder.
Das war etwas von dem Wenigen, was sich im Moment richtig anfühlte.
Dann schlossen sich die Türen wieder und nahmen für sie wieder die Hoffnung mit.
Ich richtete meinen Blick fest auf den Mann.
"Sie sind es."
Sagte ich dann, worauf Jake den Kopf neigte.
Er war gerade eben neben mich getreten.
Der Kommandant bedachte das mir einem interessierten Blick, der vor allem an mir haftete.
Ekelhaft.
Das war mir nicht wichtig, ich wollte diesen Tag hinter mich bringen und ihn ganz schnell aus meinem Kalender streichen.
"Dann lasst uns beginnen."
Der Mann nickte bedächtig, bevor er seine Augen von mir abwandte und die von Lucas streifte, der ihn während der Ganzen Zeit in der er vor mir gestanden hatte genau im Blick behalten hatte.
Als hätte ich einen undercover Schutzengel.
"Ihr geht zu den Fahrzeugen, macht euch bereit wenn wir das Haus stürmen."
Aiden nickte den Helfern zu, ohne ein Wort der Widerrede gingen sie zum Laderaum, es war wichtig hier den Zusammenhalt klar zu machen.
Vor allem im Angesicht der vielen Gesetzeshütern.
Der Innere Kreis schloss sich und wir folgten dem Mann, der sich vor dem grossen Bildschirm postierte.
Wir stellten uns darum herum auf, der sitzende, etwas jüngere Offizier begann zu schwitzen.
Aiden war sehr darauf bedacht, mich so gut es ging von den Männern ab zu schirmen, seine Hand streifte meine und ich nahm es gierig auf.
Natürlich konnte er sie nicht halten.
Schliesslich mussten wir unserem Ruf in den Augen der unerfahrenen Bullen gerecht werden, die solche Angst hatten wie der Junge vor uns. Wir mussten die eiskalten Killer einfach darstellen die man in uns sah.
So war es einfacher für uns, ihnen Respekt einflössen zu lassen. Doch gleichzeitig dachten sie so falsch von uns. Ein Dilemma das nie wirklich ausgeglichen werden konnte.
Dann begann der Mann zu sprechen, so etwas hatte es in der Geschichte noch nicht gegeben, und beide Seiten waren bereit.
Sie wussten dass sie eine Falle planten.
Und wir wussten es auch.
Fragte sich bloss, ob sie sich auch darüber im Klaren waren.
"Die Operation beginnt jetzt."

Street: Fight or Die *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt