∞14 Come and get me

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Ich lag die Hälfte der nächsten beiden Nächte wach und heute war es soweit. Mit pochendem Herzen lag ich in dem Bett, die Hände um den Schlüssel und die Karte geschlossen.
Ich hatte mehr als genug Zeit gehabt, Tage lang hatte ich mich mit jedem Gedanken auseinandergesetzt der sich hatte finden lassen.
Irgendwann hatte ich begonnen die Wärter zu beobachten.
Ich sah wie bestechlich sie waren, wie gewalttätig und grausam, doch ich sah auch wenn sie in der Nacht ihre Rundgänge machten, jeder jeweils ein Stockwerk.
Immer geordnet, nach festen Regeln. Niemals eine Änderung.
Es lief gleich ab und es gab keine geplanten Änderungen.
Ich sah an die Decke des Bettes und atmete tief durch, vielleicht würde sich bald alles wieder ändern, vielleicht war das die einzige Chance die ich bekam, bevor Aiden und die gesamte Gang den Krieg gegen die Regierung mit dem gesamten Untergrund eröffneten.
Denn so offensichtlich wäre ein Kampf der bisher immer im Schatten lief noch nie ausgeführt worden.
Als ich die schweren Schritte hörte und das Licht der Taschenlampe in meinem Zimmer wahrnahm, schloss ich meine Augen und versuchte meine Nervosität hinter einer ruhigen, schlafenden Maske zu verstecken.
Es gelang mir perfekt, vielleicht deswegen weil ich mir in meiner Position keine Fehler erlauben durfte und jedes Detail für mich entscheidend war.
Die Taschenlampe verharrte kurz und mein Herzschlag schien aus zu setzen, doch ich zwang mich, mich nicht zu bewegen und mich zu beherrschen.
Es hing so viel mehr für mich davon ab als dass ich es versauen konnte.
Dann wanderte der helle Schein die graue Wand entlang und verschwand kurz darauf in die nächste Zelle.
Nun lief er weiter und ich hatte zwei Minuten Zeit um die Treppe hinunter zu eilen, bevor er die andere Seite erreichte und mir nicht mehr den Rücken zu kehrte.
Es wurde hier nicht so zuverlässig kontrolliert, da ausserhalb dieser Räume sowieso niemand entkam, und das war die Schwachstelle die ich ausnutzen konnte.
Ich hatte nämlich nicht vor zu entkommen sondern zu telefonieren. Und da ich die Einzige war die das nicht ganz legal tun durfte, kam Niemand auf die Idee dass ich im Alleingang runter huschen würde.
Mit pochendem Herzen und trockenen Lippen schwang ich mich aus dem Bett, meine Füsse berührten den Eiskalten Boden, doch es war nötig wenn ich wirklich unbemerkt zu den Telefonzellen kommen wollte.
Ich spürte den rauen Boden an meinen Sohlen kratzen und meine Hände waren schwitzig, als ich langsam den Schlüssel in das kalte Schloss schob.
Ich atmete noch einmal durch, sobald ich draussen war zählte jede Sekunde die ich irgendwie auftreiben konnte.
Langsam drehte ich den unförmigen Schlüssel in den schloss und es quietschte, als die Türe sich ein wenig öffnete.
Ich hielt den Atem an und betete zu allem was mir einfiel, doch die Schritte liefen in demselben Tempo weiter.
Es war ein wahnsinnig gutes Gefühl den Käfig der mich gefangen hielt verlassen zu können weil ich es wollte. Und Niemand anders. Es verlieh mir etwas meines alten Mutes und meines Stolzes wieder. Und eine Menge Adrenalin.
Langsam stiess ich die Luft aus und gab mir einen Ruck.
Schnell schob ich mich aus dem, kaum in der Dunkelheit bemerkbaren Spalt der Türe und rannte los.
So leise und lautlos ich konnte hetzte ich zu der Treppe, noch konnte ich den breiten Rücken des Wächters sehen, sowie Malcolm der mir mit dem Blick aus seiner völlig dunklen Zelle folgte.
Meine Haare flogen vor meinem Gesicht herum und meine Sicht beschränkte sich auf das Wichtige.
Nur auf das was für mich zählte.
Ich flog die Treppen beinahe hinunter und rannte weiter, als ich den schmutzigen Boden des Gemeinschaftsraumes unter meinen nackten Sohlen fühlte.
Mein Herz war beinahe nicht zu hören und ich hielt mich in jedem bisschen Schatten den ich finden konnte.
Er nahm mich auf, beschützte mich und geleitete mich durch den Raum, zwischen den leeren Stühlen, zu den Zellen ganz hinten.
Er wollte dass ich diesen Anruf tätigte, er wollte auch dass ich zurück kehrte.
Meine Augen fixierten die Telefone und ich kam unbemerkt hinten an, wo mir nun die Stämmige runde Tafel mit den vier Telefonen Deckung gaben.
Zuerst starrte ich den abgegriffenen Hörer an, dann die abgenutzten Zahlen und die zerkratzten Wände der Zellen, meine Hand umklammerte die Karte.
Es war ein Lichtblick den ich mir schon lange nicht mehr hatte leisten können.
Aber jetzt wo ich den weg vor mir hatte, als ich Aiden wirklich anrufen konnte, war alles anders.
Es war ein innerer Kampf mit mir.
Was sollte ich sagen?
Ich wusste dass es eine Falle war, ich wusste dass der Kommandant und die gesamte Regierung auf Aidens Reaktion setzte.
Seinen Versuch mich zu befreien.
Er würde in ihre Falle laufen, wenn ich ihn anrief würde es ihn bloss noch mehr darin bestätigen zu kommen, und nichts könnte ihn dann noch daran hindern.
Ich liebte ihn viel zu sehr um ihm das an zu tun, was all die Männer hier Tag täglich erleben mussten.
Aber ich wollte bloss seine Stimme hören, ihn hören um weiter zu machen.
Ich brauchte etwas woran ich mich klammern konnte, ich konnte nicht anders, ich brauchte ihn denn sonst würde ich zerbrechen.
Langsam schob ich die Karte in das Telefon, beinahe von alleine Spuckte mein Kopf die Nummer seines Handys aus.
Es war der Anker den ich mir selbst erstellt hatte, die Nummer die ich die ganze Nacht tausend Mal wiederholt hatte, auch wenn ich sie niemals vergessen würde.
Dann hörte ich das Tuten in meinem Ohr, meine Hand lag auf der kühlen Wand, mein Blick nach vorne ins Leere gerichtet nicht mehr darauf wo sich die Wärter gerade befanden, die Haare vor meinem Gesicht wurden von meinem flachen Atem nach vorne geweht.
Mein Blut rauschte und alles in mit wartete auf die Stimme.
Seine Stimme.
Doch da war nur das Tuten, die regelmässigen Töne.
Mit jedem Mal wurde ich mutloser, verzweifelt doch ich krallte meine Hand um den Hörer, als wollte ich ihn zwingen weiter zu warten. Er musste jetzt abnehmen, es war ein einziger Anruf und würde er nicht klappen wäre es vorbei mit Hoffnung.
Ich hatte mir überlegt ob ich etwas von Lucas sagen sollte, doch es gab so viel Wichtigeres, und ich wollte mich als auch ihn schützen, denn niemals war es Liebe gewesen bei dem was ich für ihn empfand..empfunden hatte. Es war ein für alle Mal weg und geklärt, auch wenn eine kleine stetige Schuld an mir nagte.
Diese empfand ich erst wieder als ich das eine Wort hörte.
"Was."
Er war es, ich hörte seine verzerrte Stimme in meinem Ohr und konnte sehen was sie beinhaltete.
Sehnsucht, schmerz und so viel Wut.
Jede Zelle meines Körpers schien zu spüren dass es seine Stimme war und Hitze wallte durch meinen Körper.
Ich sog das Wort in mich hinein, all die Gefühle die in mir hoch kamen waren viel zu überwältigend als dass ich sie beschreiben konnte.
ein beinahe lautloses Schluchzen entrang mir und ich spürte die Tonnen an Erleichterung ihn zu hören.
So wenig genügte um mir ein neues Ziel zu geben.
Kurz war es ruhig und ich hörte wie er scharf, beinahe ungläubig die Luft einsog.
"Jessy?"
"Aiden"
Hauchte ich, die Tränen veränderten meine ohnehin schon schwache und leise Stimme.
"Scheisse wo bist du?
Geht es dir gut?
Ich bringe diese Scheiss Wixer um, das schwöre ich."
Ich schloss die Augen, spürte das Nass an meinen Wimpern.
Ich konnte sehen, vor meinen Augen sehen wie er sich fühlte, dass er bereit war alles zu tun um mich hier heraus zu holen, und nichts wollte ich mehr als das.
Doch es war eine Falle.
Ich wusste davon und er nicht.
Was war mir wichtiger?
Meine Freiheit mit dem höchsten aller Preise oder er.
Die beiden wichtigsten Dinge auf einer Wage, ohne beide würde ich zerbrechen, verkümmern wie eine Blume ohne Sonne.
Doch so sehr ich auch immer die Freiheit die ich hatte rühmte, egal wie sehr ich sie brauchte um glücklich sein zu können, ihn vrauchte ich mehr.
Er war mir wichtiger und schon wieder musste ich eine Entscheidung fällen, eine der vielen die ich bereits hinter mir hatte.
Jede hatte mich verändert und auch diese würde es tun, irgendwie.
Ich wollte hier raus, aber niemals wollte ich ihn gegen meine Freiheit ein tauschen.
Also entschied ich mich dagegen.
"Du darfst nicht kommen, es ist alles eine Falle, sie wollen dich haben töten Aiden."
Flüsterte ich in den Hörer, seinen Namen aus zu sprechen kostete mich viel an Beherrschung, denn am liebsten hätte ich mich laut Schluchzend an der Wand hinunter sinken lassen, denn niemals bevor hatte ich meine Freiheit an zweiter Stelle gesetzt.
Meine Stimme klang rau und wispernd, ich durfte nicht lauter sein, denn sowas würden sie sonst hören.
Es war der Grösste Beweis den ich mir selbst geben konnte, dass etwas wie Liebe existierte.
Es gab mir den Mut, zu sehen dass ich sie lebte und ich alles dafür opferte.
Doch es war auch unendlich schwer, gegen alles in mir das nur nach Befreiung schrie, sich wand und sich quälte, mit jedem Tag hier drinnen, in den kalten, verwahrlosten Mauern.
"Das ist mir scheiss egal, Jill verfolgt die Nummer gerade, wir werden dich raus holen, und diese Schweine werden bezahlen, dafür was sie dir angetan haben.
Es ist mir egal ob es eine Falle ist, wenn ich dich dadurch wieder bekomme."
Er sagte es so überzeugt dass ich schmerzhaft lächelte, die Liebe in mir war beinahe der schlimmste Schmerz von allen.
Kurz schwieg er, anscheinend hingen mehr Leute am Handy und wahrscheinlich setzte Jill grade alle Hebel in Bewegung. Eigentlich hätte ich den Namen gewusst, aber ich war viel zu aufgeregt.
Er schien von alleine zu merken wie wenig Zeit mir blieb, und er redete schnell, als gäbe es noch so viel zu sagen wofür es keine Zeit gab.
Und das stimmte, so viel wollte ich ihm sagen, alles was ich erlebt hatte wollte ich in den Hörer weinen, die Schmerzen, die Verzweiflung und die Sehnsucht nach ihm.
"Warte Jess, Jake will dich kurz hören."
Ich lächelte unter Tränen. Es war schön Aiden zu hören.
"Jessy, bist du es?"
Ich atmete tief ein, er klang wie immer, mein Bruder.
"Ja Jake...ich..es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen."
Er merkte dass ich log, ich hörte sein kontrolliertes Atmen und dann flüsterte er dass er kommen würde, bevor ich wieder Aiden am Hörer hatte.
Doch dann hörte ich Rufe, der Wärter schien erkannt zu haben dass ich fehlte, dass meine Zelle leer war.
Sofort kamen mehrere Schritte in meine Richtung und ich konnte die hellen Lichtkegeln auf dem Boden sehen, die sich an den Wänden entlang arbeiteten, mit den aufgebrachten Befehlen vermischten sich die Insassen, die wütend an die Zellwände schlugen.
Mir blieb keine Zeit, das wusste ich, aber ich musste es ihm sagen.
Alles was ich hier durch machte wollte ich ihm sagen, und meine Hand fuhr zu meinem Bauch.
Vielleicht war ich schwanger, vielleicht trug ich sein Kind und konnte es ihm nicht einmal sicher sagen.
Doch das war es wert, ich wollte es bloss endlich heraus bringen, all die Gedanken mit denen ich die letzten Nächte verbracht hatte verwirklichen.
"Sie kommen, Aiden ich muss dir etwas sagen."
Es war der falsche Zeitpunkt, aber ich konnte nicht warten und die Worte brannten in meinem Hals.
"Wer kommt?"
Er schien den Radau im Hintergrund zu hören und ich spürte beinahe wie seine Stimme sich anspannte.
"Die Wärter, Aiden, ich bin..."
"An die Wand!"
Schrie einer der Wärter, die hellen Lampen wurden auf mich gerichtete und ich geblendet, sodass ich zurück stolperte, eine Hand vor meinen Augen und eine vor meinem Bauch.
Den Höhrer liess ich fallen, er baumelte an der Schnur und ich hörte die Pistolen entsichern, während mich die Männer anbrüllten ohne Wiederstand wieder in meine Zelle zurück zu kehren.
Die Schreie waren laut und das helle Licht verwirrte mich, doch das Einzige was ich wirklich hörte waren Aidens Worte durch den Hörer.
Es war das Einzige was ich hören wollte und ich liess mich von den Männern packen und grob weg zerren, sie wären anders mit mir umgegangen, wenn da nicht die deutlichen Befehle des Kommandanten wären. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah auf den Mond am pechschwarzen Himmel.
Vielleicht hatte ich jetzt ein Problem hier drin.
Aber mein Ziel war erreicht, ich hatte die Chance genutzt und meine Kraft war aufgefrischt, ich wollte durch halten, auch wenn ich es ihm nicht hatte sagen können.
"Ich liebe dich Jessy.
Halte noch durch, bald wird alles hier vorbei sein, und dann wird es erst beginnen.
Ich komme dich holen,
Bald."

Street: Fight or Die *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt