∞ 23 Freeze!

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Ich lief die grosse Hauptstrasse entlang.
Es war bereits dunkel und dementsprechend kühl. Ich fröstelte.
Ich trug eine hautenge schwarze Hose, die förmlich an mir klebte als wäre ich ins Wasser gefallen, dazu hochhackige, schwarze Stiefel, in denen ich ein Messer versteckt hatte.
Meine Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, sehr eng. Frei zur Interpretation.
Dazu ein schwarzes Trägertop, in dessen Aussschnitt ich mir ein Klappmesser zwischen die hoch gepushten Brüste gesteckt hatte, und darüber ein schwarzer Pulli mit Kapuze.
Wieso der Push-Up nötig gewesen war, wusste ich nicht. Einer der Jungs musste ihn wohl zu der Ausrüsten gelegt haben.
Nicht lustig.
Ich schämte mich dafür, wie ich aussah.
Wie eine Prostituierte. Ich wusste schon, dass solche Frauen dies oft für ihr eigenes Überleben oder das ihrer Kinder taten. Ich verurteilte sie nicht dafür. Wer weiss, was ich an ihrer Stelle getan hätte. Aber ich war nunmal nicht an ihrer Stelle.
Es war schwer unter diesen Stofffetzen noch das kleine erste Hilfe Kästchen zu verstecken, das ich für Markus mitgebracht hatte. Schliesslich wussten wir nicht, in was für einer Verfassung er sich befand. Eigentlich war es die Pflicht der Bullen, ihm eine medizinische Versorgung zu ermöglichen. Vor all bei seiner schweren Verletzung.
Deswegen musste ich auch so bald zu möglich zu ihm gelangen.
Es war einfach. Zumindest meine Aufgabe. Ich sollte mich schnappen lassen, bei Markus bleiben und warten, bis sie uns raus holten.
Was für eine Rolle das Outfit dabei spielte, hatte ich nicht genau verstanden.
Aber die Jungs hatten mir versichert, dass ich in diesem Aufzug um diese späte Uhrzeit am ehesten angesprochen wurde.
Ich schnaubte. Auf Jake hätte ich hören sollen, der mir am liebsten einen Sack über den Kopf gestülpt hatte, nicht auf den Rest, der versichert hatte es sehe ‚gut' aus.
Es war bereits Abend, die Strasse wurde durch unzählige Laternen und die Lichter der Häuser erleuchtet, doch alle Geschäfte waren bereits zu.
Für die Aktion musste ich mich in die Umgebung wagen, in der auch Markus gefangen worden war. Nicht dass ich schlussendlich in einem anderen Knast landete als mein Zielobjekt.
Ich mochte die Erinnerungen trotzdem nicht. Wie ich feige weg gerannt, und er wegen mir in den Knast gewandert war.
Ich hielt mich nicht eng an den Häuserwinkeln, wo die Dunkelheit mir angenehme Deckung gegeben hätte.
Nein, ich musste auf mich aufmerksam machen.
Mein Atem ging unregelmässig, und ich schwitzte unter meiner Kleidung.
Es war meine erste wirkliche Aktion, die etwas mit den Black Angels zu tun hatte.
Und zudem war sie mir auch noch persönlich wichtig, da ich meinen Freund befreien wollte. Ein geschätztes Mitglied.
Ich suchte mit den Augen die an mir vorbeilaufenden Leute nach einem potenziellen Opfer ab.
Am besten einer der so alt war wie meine Jungs, dem würde sicher gefallen, wie ich angezogen war.
Eigentlich hätten sie Elli schicken sollen, die würde das besser machen als ich.
Mit Sicherheit.
Ich war nervös und hatte Angst, doch ich wusste, das Jake, Dylan und die anderen immer in meiner Nähe waren. Ich konnte sie nur nicht sehen.
Das gab mir Mut. Vor allem weil mich unser neues Mitglied heute schonmal gerettet hatte.
Im Notfall würde er es erneut tun.
Zehn Schritte vor mir chillten einige Jungs ihr Leben, die typischen High-School Typen, die sich für so cool hielten.
Eigentlich erinnerten sie mich sogar an Aiden, nur hatte ich sie zuvor noch nie gesehen.
Also waren sie keine Gang Mitglieder.
Nur Unwissende Teenager.
Perfekt.
Ich streifte mir den Pulli über den Kopf, worauf mir natürlich sofort die Aufmerksamkeit der jungen Männer gesichert war.
Jetzt hatte ich noch weniger an, es wurde noch kälter und mir wurde es schon unangenehm, so angestarrt zu werden.
Als Black Angel sollte man ohne Furcht sein.
Und ohne Scham. Man musste hart wirken, und das konnte ich normalerweise gut. Nur jetzt hatte ich grosse Angst, zu versagen.
Trotzdem setzte ich ein verführerisches Lächeln auf und stöckelte auf die Gruppe zu.
Dumme Absätze, auf denen sah man doch aus wie eine Giraffe.
Und meine Hüfte schwang viel zu aufreizend hin und her, dabei war das gar nicht beabsichtigt.
Die Schuhe regelten das irgendwie von alleine.
Die Jungs klopften sich gegenseitig auf die Brust und nickten in meine Richtung.
Ach was, schön dass sie mich bemerkt hatten.
Ihr Anführer, ein schwarzhaariger, völlig in schwarz gekleideter Typ, trat vor und grinste mich dreckig an.
Erinnerte mich irgendwie an einen Emo.
Ich hatte nichts gegen diese Gruppe, nur passten sie hier nicht rein, weil sie meist aus der Oberschicht kamen und sich nur hier unter die Leute mischten, um sich böse und rebellisch zu fühlen. Am Abend kehrten sie dann aber doch wieder zu Daddy in die Villa zurück.
Ich mochte es nicht, wie er mich ansah.
So als wäre ich nur ein Etwas, das man benutzen konnte um Spass zu haben.
Dabei war ich genauso vollwertig wie er.
Es war gut, dass er da war. Er war meine Aufgabe und er passte perfekt.
Mit einem kurzen Blick nach links erhaschte ich für einen Moment die Sicht auf eine Verkehrskamera.
Die würde alles aufzeichnen. Alles lief nach Plan. Jill hatte es prophezeit.
Und da die Bullen es sowieso liebten, uns so oft es ging einzubuchten, würde es hier nicht lange auf sich warten lassen.
Ich lächelte noch immer und stellte mich nah vor den leicht angetrunkenen Jungen.
Er packte mich grob am Arsch und zog mich zu sich, worauf ich meine Arme um seinen Hals legte.
Sofort grölten seine Jungs, worauf er sich aufplusterte wie ein Pfau.
"Lust auf ein bisschen Spass?"
"Natürlich, aber ich mag es gern gefährlich."
Er hob anerkennend die Augenbrauen und seine Kumpels klopften ihm lachend auf die breiten Schultern.
Ich schmiegte mich enger an ihn und versuchte meine aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken.
So billig verhielt ich mich sonst nicht, aber wenn das der Sache diente, Markus lebendig raus zu holen tat ich es eben.
Auch wenn ich vermutete, dass es auch anders geklappt hätte.
Dafür musste ich den Jungs später noch ordentlich die Leviten lesen.
Kurz kniff ich ihn in die Oberschenkel und zuckte herausfordernd mit den Brauen.
Er schnappte nach Luft und grinste danach ziemlich überheblich.
Wie ein Fisch hatte ich ihn an der Angel.
"Jungs, ich bin gleich wieder bei euch."
Er zwinkerte mir zu, und das war mein Moment.
"Das glaube ich gern, aber auch nur, wenn sie dir ins Krankenhaus folgen."
Angeekelt verzog ich das Gesicht und machte mich los.
Der Satz gehörte eigentlich nicht zum Plan, aber das musste einfach gesagt werden.
"Was soll das Süsse..."
Verwirrt starrte er mich an, immer noch eine Hand nach mir ausgestreckt.
„Glaubst du wirklich ich würde mit dir etwas anfangen? Du solltest zuerst lernen wie man eine Frau behandelt, bevor du nochmal eine ansprichst."
Zischte ich provokant. Aber es war auch ein sehr grosser Funke Wahrheit darin enthalten.
Erzürnt und mit hochrotem Kopf, weil ich ihn vor seinen Kumpels gedemütigt hatte, trat er auf mich zu und hob die Hand.
Jetzt also auch noch das. Ich wusste mit welcher Art Mann ich es zu tun hatte. Und es machte mir das Folgende erheblich leichter.
Ich schlug blitzschnell zu, und meine geballte Faust traf auf seinen Kiefer.
Es war ein knacksen zu hören und der harte Typ schrie auf.
Seine Jungs rührten sich nicht, sondern starrten mich nur geschockt an. Ich schüttelte meine schmerzende Hand. Ich strich mir über die Pistole an meinem Gürtel und blickte vielsagend zu dem Rest der Truppe.
Langsam und ganz still bewegten sie sich rückwärts. Sie dachten nicht einmal daran, ihrem Anführer zu helfen. Dieser taumelte hilfesuchend hinter ihnen her.
Doch ich war noch nicht fertig mit ihm. Es musste schliesslich Aufmerksamkeit erregen.
„Na, na, na. Ich bin noch nicht fertig mit dir."
Ich rammte ihm mein Knie in den Bauch, sodass er nach Luft japsend in sich zusammensank.
Mein Ekel über diesen Jungen wurde von meinem Mitgefühl übertroffen, sodass ich seufzend von ihm abliess.
"Sorry, aber das gehört nun mal dazu", murmelte ich entschuldigend.
Ich hatte mir vorgenommen, niemals gegen jemanden zu kämpfen, der nicht ein Bulle oder Survivor war.
Toll, seit kurzem eine Black Angel und schon die Erste Ausnahme meiner Prinzipien.
„Ich...ich hab die Bullen gerufen. Lass ihn in Ruhe!"
Wagte es einer, mich aus gebührendem Sicherheitsabstand anzubrüllen. Wie mutig.
Ich lächelte.
„Gut."
Sie verstanden die Welt nicht mehr.
Wie erwartet erklang bald das so verhasste Sirenengeheul.
Ich tat so, als versuchte ich zu fliehen, und ein Streifenwagen brauste über das Trottoir und kam mit qualmenden Reifen vor mir zum stehen.
Ich hielt gespielt geschockt an und sah mich betont lange nach einem neuen Fluchtweg um.
Mein Herz klopfte wie verrückt und jagte das Blut in einem Höllentempo durch meinen Körper.
Jetzt musste ich nur noch ins Gefängnis. Dass ich da mal freiwillig hingehen würde...
Ein junger Police Officer stieg aus, wahrscheinlich hatte er seine Ausbildung erst kürzlich abgeschlossen, denn die ansonsten so reichlich vorhandenen Abzeichen fehlten an seiner strammen Uniform.
Und seine Motivation war auch etwas zu gross.
Wahrscheinlich war er sogar einer von den ehrlichen, die die Welt wirklich zu einem besseren Ort machen wollte.
Dann war ja gut dass er mich erwischte. Die Wahrscheinlichkeit dass er nicht wusste, dass ich eine Black war, war somit grösser.
Als er mich sah, wurden seine Augen gross.
Ich grinste ihn lässig an, während ich vergebens versuchte, ruhig zu atmen.
Nungut.
Los gehts.
Ohne ein Wort drehte ich mich um und rannte los. Natürlich extra langsam. Es sollte so aussehen,als wäre ich überrumpelt worden, und natürlich konnte ich auf solchen Hacken ohnehin nicht wirklich schnell rennen.
Ich sah eigentlich wirklich aus wie eine Tusse die versuchte Seil zu springen.
Und tatsächlich, nach ungefähr 10 Metern, warf sich der Junge Officer, etwas überengagiert auf mich, sodass wir beide zu Boden vielen.
Das wäre jetzt echt nicht nötig gewesen...
Es wäre ein leichtes gewesen, ihm die Waffe abzunehmen und ihn zu töten. Er war echt unvorsichtig. Doch das war ja nicht mein Ziel.
"Sie sind festgenommen und haben das Recht zu schweigen. Alles was sie sagen..."
"Wird vor Gericht gegen mich verwendet, ich weiss."
Gelangweilt, in der Hoffnung, dass er mein viel zu schnell schlagendes Herz nicht bemerkte, liess ich mir Handschellen anlegen und der Cop führte mich stolz zum Wagen, während er den Rest meiner Rechte hinunter ratterte.
Eine Trophäe.
Oder vielleicht eher ein trojanisches Pferd, dem er jetzt Einlass gewährte.

Street: Fight or Die *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt