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Harry

Sie sah mich erschrocken an und ihre Hände zitterten leicht. „Nun mach es auf.“, bat ich sie. Vorsichtig klappte sie den Deckel der Schatulle auf. Ich hörte, wie sie den Atem anhielt. Ihre Finger griffen den Schlüssel aus dem kleinen Kästchen. „Ein Schlüssel?“, kam es verwundert von Richard. „Schau in den Deckel.“, flüsterte ich ihr zu. „Lass mich dein zu Hause sein!“, las sie laut vor und Mary japste freudig neben mir. Nur Richard und Maddie sah mich immer noch verwirrt an. Ich musst etwas lachen als ich in ihr fragendes Gesicht sah. „Was meinst du damit?“, fragte sie mich mit brüchiger Stimme. „Du besitzt schon den Schlüssel zu meinen Herzen und jetzt schenke ich dir den Schlüssel zu UNSEREM Haus.“, erklärte ich und sah, wie sich die Tränen wieder in ihren Augen bildeten. Im Augenwinkel konnte ich Richard sehen der zufrieden die Arme vor seine Brust verschränkte. „Ich würde mich freuen, wenn du bei mir einziehen würdest. Ich möchte neben dir einschlafen und auch wieder aufwachen. Ich möchte das wir nicht nur unsere Zeit zusammen verbringen, sondern dass wir gemeinsam Leben. Nicht bedeute mir so viel wie du Madow. Ich möchte dich bei mir haben. Was sagst du?“

Sie hielt sich die Hand vor dem Mund und starrte mich fast schon an. „Nun sag schon ja Madow!“, kam es ermutigend von Richard. Seine Aussage schockte wohl nicht nur mich, denn auch Maddie und Mary blickten unglaublich zu ihm. „Also, möchtest du bei mir einziehen?“, wiederholte ich meine Frage als ich mich von der Zustimmung von Richard erholt hatte. „Also… Ich meine… Wow.. das... das ist..“, begann sie zu stottern und erhob sich von meinen Schoss. Angespannt wartete ich auf eine Antwort und wurde immer nervöser als sie begann etwas Abstand zu nehmen. „Madow! Was ist?“, fragte sie ihre Mum und stand auf. Dieser Moment nahm plötzlich eine ganz andere Wendung als erwartet.  Behutsam legte sie den Schlüssel in die Schatulle zurück und klappte diese zu. „Madow?“, fragte ich sie besorgt und stand ebenfalls auf. Sie zitterte und legte die Schatulle in meine Hand. „Tut… tut mir leid… ich muss.. ich muss kurz weg.“, meinte sie und rannte aus dem Wohnzimmer. Was zum Teufel war das? Fassungslos sah ich ihr hinterher und hörte nach wenigen Sekunden die Haustür zufallen.

Hatte ich was Falsches gesagt? Ich sah kurz zu Richard und Mary, die ebenso verwundert hinter ihrer Tochter her sahen. „Entschuldigt mich!“, meinte ich höfflich, drückte Mary die Schatulle in die Hand. Ich eilte zum Flur und sah, dass ihre Schuhe weg waren, aber die Jacke hing noch. Sie war ohne Jacke einfach nach draußen gerannt. Ich sah durch das kleine Fenster der Haustür und konnte kaum das Zauntor sehen, so sehr schneite es draußen. Ich schlüpfte schnell in meine Jacke, schnappt mir ihre und griff nach der Türklinke. „Harry!“, hörte ich noch Richards Stimme, die nach mir rief. „Sie wird bestimmt zum alten Spielplatz gelaufen sein. Er ist die Straße runter auf der rechten Seite. Er ist seit 4 Jahren eingezäunt, weil die Stand die Instandhaltung nicht mehr zahlt. Wenn sie sauer und frustriert war ist sie immer dort hin gelaufen.“, erklärte er und klopfte mir auf die Schultern. Ich nickte und verschwand durch die Tür.

Die Schneeflocken peitschten mir ins Gesicht und ich hatte Probleme den Weg vor mir zu sehen. Es war kalt und es fiel eine Menge Schnee. Der Schnee knirschte unter meinen Füßen. Vor mir im Schnee konnte ich Fußspuren erkennen die immer mehr verblasten. Was war mir ihr nur los. Warum um Himmelswillen rannte sie bei solch einen Wetter einfach nach draußen? Warum hatte sie nur so reagiert? Ich dachte sie würde sich freuen, wenn sie mit mir zusammenziehen würde. Was hatte ich übersehen? War sie doch nicht glücklich bei mir? Diese Selbstzweifel machten mich fertig.

Wo war sie nur? Ich musste stehen bleiben und mich umsehen. Durch den dichten Schneefall war alles um mich herum wie ein weißer Schleier. Was sagte er? Rechte oder linke Seite? Fuck! Ich musste mich konzentrieren, was mir schwer fiel. Die Kälte kroch mir in den Füßen hoch und eine Schneedecke bildete sich auf meinen Haaren. So sehr ich Weihnachten und den Schnee liebte, so sehr hasste ich diese Kälte. Bei dem Gedanken, das Madow keine Jacke trug, wurde mich noch kälter. Wo musste ich lang? Ich lief weiter durch diesen Schneesturm, die Straße hinunter, bis ich an einen hohen Holzzaun ankam. War es das war Richard meinte? „Madoooooow!“, rief ich. Doch der Schnee verschluckte jedes Geräusch. Ich musste einen Weg finden, um reinzukommen. Ich schüttelte den Schnee von Ihrer Jacke ab und stopfte sie unter meine, damit ich beide Hände frei hatte.

Ich versuchte eine offene Stelle zu finden, wo sie hätte durchschlüpfen können. Ich hatte gefühlt den eingezäunten Bereich zum zweiten Mal abgelaufen, bis ich endlich zwei lose Holzbretter fand. Meine Hände waren schon eisig und fühlten sich taub an. Als ich den Spielplatz betrat, hörte ich das leise quietschen von Kettengliedern. Der Schnee wurde höher und somit erschwerte es auch das laufen. Mühsam und durchgefroren nährte ich mich diesem Geräusch. Je nähre ich dem kam, desto deutlicher wurde der Umriss einer Person auf einer Schaukel. Der karamellfarbene Ton ihres Oberteils leuchtete ihm strahlend weißen Schnee. Ihre Hände waren in den Armel eingewickelt, während sie sich an der Kette der Schaukel fest hielt. Sanft schaukelte sie vor und zurück und ließ den Kopf hängen. Ihre Schultern und auch ihre Kopf war bereits mit den gefroren Flocken bedeckt.  Sie zitterte nicht ein mal. Was ging nur in ihr vor?

„Madow?“ rief ich leise ihren Namen und sie drehte ihren Kopf in meine Richtung, ohne mich direkt anzuschauen. „Mein Dad hat dir gesagt, wo ich bin, richtig?“, fragte sie mich brüchiger Stimme. „Ja das hat er. Madow lass uns zurück gehen. Es ist verdammt kalt, du wirst dich noch erkälten.“, meinte ich ruhig und zog ihre Jacke unter meiner hervor. „Es tut mir leid.“, entschuldigte sie sich und wendete ihren Kopf von mir ab. Ich verringerte den Abstand zwischen und stellte mich direkt hinter sie, wodurch ich das schaukeln stoppe. „Nein mir tut es leid. Ich war wohl etwas zu vorschnell mit meinem Geschenk.“, erwiderte ich, putzte ihr den Schnee von den Schultern ab und legte ihr schützend die Jacke über. Sie begann leicht den Kopf zu Schütteln. „Nein das war es nicht!“, entgegnete sie mir und warf einen Blick über ihre Schultern. „Was ist es dann Madow? Was hab ich falsch gemacht?“, fragte ich aufgeregt. „Du hast nichts falsch gemacht. Der Fehler lieg allein bei mir!“, antwortete sie mir einem Selbsthass in der Stimme, der mir das Herz brach.

Sofort lief ich um sie herum, legte meine Finger unter ihr Kinn und forderte sie auf mich anzusehen. „Das ist nicht wahr. Sag mir, warum du weggerannt bist.“, bat ich sie und legte meine Hände um ihre. Ich wollte ihr mit dieser Geste zeigen, dass ich hier bin und für die da bin. „Ich.. dachte im ersten Moment.. du würdest mir einen Ring schenken.. mir einen Antrag machen..“, erklärte sie mich stockend und versuchte nicht dabei du weinen. „Madow!“, hauchte ich ihren Namen. „Dann sah ich diesen Schlüssel… deine Worte brauchten ewig, um in meine Kopf anzukommen.. und dann.. dann.. hatte ich plötzlich Angst.“, fuhr sie fort. „Wovor?“, fragte ich nach und sah ihr in die Augen. „Das.. das.. naja. Fuck wie soll ich dir das erklären.“, sprach sie weiter. Und ich verstand nun um was es ging. „Du hast Angst, dass sich das mit Chris wiederholt.“, beendete ich ihren Gedanken. Sie sah mich enttäuscht an. Enttäuscht über sich selbst. „Ich weiß das du das niemals tun würdest, was er getan hatte. Doch lässt es in mir das Gefühl wachsen nicht genug zu sein.“, gestand sie mir ihre Selbstzweifel.

Ich ließ ihre Hände los, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. „Verkauft dich nicht unter deinem eigenen Wert Madow. Du bist genug, so wie du bist. Und du bist genug für mich und wirst es immer sein. Für niemand anderen bin ich jemals sieben Etagen über die Treppen gelaufen, durch Untergrundgänge gerannt oder durch den Schnee gewartet. Für niemanden! Nur für dich! Du bist alles, was ich brauche. Du bist meine Luft zu atmen, du bist mein Sonnenschein an dunklen Tagen, du bist meine Wärme in kalten Nächten und du bist mein Mondschein mitten in der Nacht. Wie kann das nicht genug sein?“, schüttete ich ihr mein Herz aus. „Harry, es tut mir leid!“, wimmerte sie und ihre Tränen rannen hinab. Ihre Finger vergruben sich in meiner Jacke. „Ich möchte immer noch das du zu mir ziehst, aber wenn du es nicht möchtest, werde ich dich nicht dazu zwingen.“, versicherte ich ihr und sie begann den Kopf zu schütteln. „Ich möchte es!“, schluchzte sie. Chris hatte sie wirklich gebrochen. Sie und ihre Eltern. Wut kochte in mir auf, da ich es nicht verstand, wie man einen Menschen nur auf solch eine Art und Weise verletzten konnte. „Es tut mir leid, dass ich dir so viel Kummer mache!“, entschuldigte sie sich. „Ich sage jetzt und ich werde es immer wieder sagen. Solange wie es eben dauert, bis es in deinem Köpfchen ankommt. Ich liebe dich Madow und  ich bitte dich, wenn du Kummer und Sorgen hast, das du zu mir kommst und nicht wegrennst. Obwohl ich dir überall hin folgen wurde.“, bat ich sie erneut und lächelte sanft. Ich verfluchte mich dafür, dass ich dieser Frau mit Haut und Haar verfallen war. Langsam kam der warme bernsteinfarbene Ton in ihren Augen wieder und ihre Tränen stoppten. Der Schneefall wurde schwächer und vereinzelt landeten Flocken auf ihrer hellen Haut. Eine Flocke landetet auf ihrer Stirn, eine andere auf ihrer Nasenspitze und eine weitere auf ihren Lippen. Ich küsste jede einzelne davon fort. „Ich liebe dich. Und jetzt kommt mit nach Hause, bevor dein Dad noch die Polizei ruft.“, forderte ich sie auf. Sie musste lachen und um mein Herz wurde es wieder wärmer.

„Ich liebe dich auch Harry. Aus den Tiefen meine Herzens.“, erwiderte sie, stand auf und schlang ihre Arme um meinen Hals. Ich drückte sie fest an mich, als hätte ich angst sie könnte jeden Moment wieder davon rennen. Ich versuchte diese unruhige Gefühl in mir herunterzuschlucken, zu vergraben. Aber ich bekam mittlerweile selbst das Gefühl, das ich derjenige sein, der für sie nicht genug war. Wie konnte ich es nur schaffen ihren Wunden zu heilen, ihr das Gefühl von Sicherheit zu geben, was sie so dringend brauchte? Wie nur? Ich vergrub mein Gesicht an ihre Halsbeuge und versuchte den Sturm von Tränen wegzudrücken. In diesen Moment war meine Angst am größten, dass ich sie verlieren könnte. Genau das würde mir den Boden unter meinen Füßen wegreißen.

Ich zog ihren Duft in meine Nase und bemerkte, wie sich meine Tränen warm aus meinen geschlossenen Augen drückten. „Weinst du?“, hörte ich es leise an meinem Ohr. „Ja!“, antwortete ich kurz und drückte sie noch fester an mich. „Warum?“, fragte sie. „Weil ich genauso angst habe wie du. Ich will dich beschützen und dich sicher wissen. Trotzdem habe ich Angst, dass ich es nicht schaffe.“, gestand ich ihr und küsste ihren Hals. „Du schaffst viel mehr als das Harry. Du warst schon so oft mein Fels in der Brandung, wenn ich drohte zu ertrinken. Bei niemanden fühle mich sicherer als bei dir. Du hast mir in schwierigen Situationen immer wieder aufgefangen. Und dafür liebe ich dich um so mehr.“, beruhigte sie mich und meine Tränen stoppten. Wir lösten uns voneinander und sahen uns tief in die Augen.

Nun standen wir hier, auf einem baufälligen Spielplatz, mitten im Winter, umgeben von Schnee und ließen unsere tiefsten Gefühle aus sprechen. „Lass uns zurück gehen!“, bat ich sie und küsste ihre Träne von der Wange. Geständnisse einer Liebe, können schmerzhaft und heilend zugleich sein. Aber alles zu verschweigen und zu ersticken, kann ihr Tod sein. Langsam liefen wir durch den Schnee Richtung Zaun. Eilig schlüpften wir durch die losen Holzbretter und liefen Arm in Arm, die Straße zurück, die zu ihrem Haus führte. Mittlerweile hatte es aufgehört zu schneien und sie Sonne suchte sich einen Weg durch die Wolken. Die Sonnenstrahlen verwandelte die weiße Decke aus gefrorenem Wasser in ein Meer aus glitzernden Diamanten. Die hellen Strahlen wärmen etwas unsere Gesichter. Ich sah zu ihr und ihre Nasenspitze und Wangen waren leicht gerötet. Sie lächelte bis sich ihr Grübchen bildete und legte dann ihrem Kopf gehen meinen Arm. Dieser Moment war vollkommen und friedlich. Es waren keine Worte nötig, die beschrieben, wie wir uns fühlten. Kurz bevor ihr bei ihrer Zufahrt ankamen, blieb die erprobt stehen und sah mich an. „Ich habe keine Ahnung, womit ich so einen Mann wie dich an meine Seite verdient habe. Aber alles, was ich weiß, ist das ich nicht ohne dich sein möchte. Und ich würde gerne bei dir einziehen. Wenn es geht nach unserem Urlaub. Bist du damit einverstanden?“, fragte sie zögerlich und mein Herz platzte fast vor Freude. „Natürlich!“, versicherte ich ihr, hob sie hoch und wirbelte uns herum. „Lass mich runter Harry. Mir wird schwindelig!“, quietschte sie auf.

Ich stoppte, stellte sie wieder auf ihre Beine und küsste sie innig. „Kinder, da seid ihr ja!“, unterbrach uns Marys besorgte Stimme. Sie stand dick eingepackt am Zauntor und winkte uns zu sich. Ich griff ihre Hand und lief mit ihr zur ihrer Mum. Wir beeilten uns endlich ins Warme zu kommen. Und nach einer kleinen Standpredigt von Richard an seine Tochter, sahen wir in dicke Decken einwickelt und mit heißen Kakao in der Hand vor den Kamin. Währenddessen telefonierte ich kurz mit meiner Mum, erzählte ihr von den Weihnachtsgeschenken und der Neuigkeit, des Zusammenzugs. Sie freut sich und wünscht uns jetzt schon alles Beste dieser Welt. Ich vermisste sie. Gerne hätte ich sie jetzt in den Arm genommen. Aber zum Glück würden ich sie in ein paar Tagen sehen und darauf freute ich mir wirklich sehr. Kurz vor Ende des Telefonats sackte Maddie neben mir zusammen und ihr Kopf landete auf meiner Schulter. Ich hörte sie ruhig atmen. Der Vormittag war so anstrengend, das sie einschlief. „Hey Mum, ich leg jetzt auf. Maddie ist eingeschlafen. Wir telefonieren, wenn wir wieder in L.A. sind, okay?“, versprach ich ihr, sagte ich wie sehr ich sie liebte und legte auf.  Behutsam legte ich Maddies Kopf auf meinen Schoss ab und krauelte etwas durch ihr Haar, bis auch mich das angenehme Knistern und die Wärme vom Kamin einlullte und mich in einen tiefen Schlaf zog.

Hold my Hand (h.s.) [+18]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt