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Harry

„Rede mit ihr!“, riet mir Mum erneut. Maddie sah zwischen Mum und verwirrt hin und her. „Worüber möchtest du mit mir reden?“, kam es etwas ängstlich von ihr. Hilfesuchend sah ich noch einmal zu Mum, die nur prüfend ihre Augenbrauen hob. „Ich lass euch beide mal alleine. Ich bin oben, wenn ihr mich braucht.“, informierte sie uns und verschwand im nächsten Moment schon aus dem Raum. „Komm setzt dich!“, bat ich sie und führte sie zu einen der breiten Sessel. „Was ist das hier?“, fragte sie mich verwundert und schaut sich um. „Das ist ein TV-Raum mit Leinwand. Ich hab es für Mum einrichten lassen!“, erklärte ich ihr kurz. Als sie endlich saß, zog ich einen Hocker zu ihr heran und griff mir ihre Hand. Sie sah mich besorgt an, wahrscheinlich genauso besorgt, wie ich sie anblickte. Ihre Augen waren matt, die Augenringe unter ihren Augen waren dunkler geworden und ihre Müdigkeit hatte extrem zugenommen. Sie hatte 18 geschlafen. „Madow, hör zu so kann das nicht weitergehen.“, begann ich und streichelte ihr sanft über den Handrücken.

„Was…was meinst du?“, fragte sie irritiert. Doch ich glaubte, dass sie genau wusste, was ich meinte. „Seit Wochen bist du am Limit! Du schläfst unglaublich viel, isst kaum und bist dauerhaft erschöpft. Madow irgendwas ist nicht in Ordnung.“, rief ich ihr in Erinnerung. Genervt seufzte sie und entzog mir Hand. „Harry, hör auf dir solche Sorgen zu machen, mir fehlte nichts. Du hast doch gesehen das ich bei mein Eltern gegessen hatte und nicht erschöpft war.“, versuchte sie mir klarzumachen. „Das mag sein. Aber in L.A. hast du kaum gegessen und du hast jetzt 18 Stunden geschlafen. 18 Madow. Das ist nicht mehr gesund!“, kam es lauter aus mir als es sollte. Diese Mischung aus Wut und Sorgen machte mich verrückt. Sie sprang auf und lief durch den Raum. „Madow ich bitte dich, das musst doch selber merken.“, fragte ich sie. „Das geht wieder vorbei Harry, du wirst sehen.“, drückte sie sich und drehte mir den Rücken zu. Warum war sie nur so stur. „Madow, nichts geht einfach so weg. Verstehst du das nicht? Es geht um deine Gesundheit!“, meinte ich wütend. Ich war mehr als wütend. Sie verstand einfach nicht, dass es mir wichtig war, dass es ihr gut ginge.

„Gehe bitte zum Arzt und lass dich Checken! Was ist schon dabei?“, bat ich sie und stellte mich hinter ihr. „Ich hatte dich darum gebeten, dass du zu mir kommst, wenn mit dir etwas ist. Wenn es dir schlecht geht oder du traurig oder angst hast. Nichts hast du davon gemacht Madow. Nicht einmal!“, wies ich sie enttäuscht hin. Es schmerzte mich zutiefst, dass sie sich mir nicht anvertraute. „Du schaffst es nicht einmal dich umzudrehen, um mich anzuschauen, Madow. Was habe ich falsches getan, dass du mir so wenig vertraust? Das du es nicht schaffst mir zu sagen das es dir nicht gut geht.“, ließ ich meine Enttäuschung freien Lauf. Ich sah ihr Schulter, wie sie absackten und sie den Kopf hängen ließ. Das sie mich so anschwieg und dass sie meiner Aussage nicht widersprachen, sagte mir alles. „Bist du fertig!“, kam es nur monoton von ihr mit einen leichten Schulterblick. „Ob ich? Was? Ich.. Ja MADOW! ICH BIN FERTIG!“, rief ich wütend und ließ sie stehen. Dieses Mal, war ich es, der die Flucht ergriff. Aus Wut und aus Angst etwas zu sagen, was ich später bereuen würde. Ich verlies den Keller, stampfte nach oben zur Garderobe, schlüpfte in die Schuhe. Ich hörte Schritte aus dem Wohnzimmer die eilig auf mich zu kamen. „Schatz was ist los?“, fragte mich Mum besorgt. „Ich gehe spazieren!“, brummte ich wütend, ließ nun auch meine Mum stehen und verlies mit meiner Jacke in der Hand das Haus.

Die Dämmerung hatte eingesetzt und die Straßenlampen verbreiteten ein warmes Licht auf den dunkeln Straßen. Vereinzelt fielen noch Schneeflocken und ein eisiger Wind wehte mir ins Gesicht. Ich zog meine Mütze auf, die Kapuze weiter ins Gesicht und vergrub meine Hände in meiner Jackentaschen. Es ist schon verdammt lange her das ich einfach so verschwand. Doch bevor ich was falsches sagte ging ich lieber und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Ich spürte wie mein Handy vibrierte, aber ich ignorierte es. Meine Füße liefen wie von selbst durch die Stadt. Es tat unglaublich gut wieder zu sein und einfach durch den Straßen laufen als wäre es das normalisieren der Welt. 

Wieder vibriert mein Handy aber ich war immer noch wütend und wollte mit niemandem sprechen. Ich wollte mit meinen Gedanken alleine sein, als stellte ich das Handy auf Stumm. Mum hatte versucht mich zu erreichen und ich wusste das ich dafür später definitiv noch einen Anpfiff bekommen würde, aber das war mir egal. Mit dem lautlosen Handy in der Tasche lief ich weiter und schaute in den nächtlichen Himmel.  Ich hoffte auf Sterne, doch leider waren nur Wolken zu sehen. Ich seufzte enttäuscht und machte mich auf den Weg zur alten Weide mit der Backsteinbrücke. Immer wieder zog es mich zu diesen Ort wenn ich nach denken musste. So auch jetzt.

Meine Finger streiften über die raue Oberfläche der Steine, während mein Blick auf die Stadt fiel. Überall leuchtete es. Von Wohnzimmerlichter bis hin zur weihnachtlichen Gartenbeleuchtung war alles dabei. Keine Ahnung wie lange ich hier stand und starrte. Die Kälte eroberte meinen Körper und die Wut flachte ab. Dafür drang das schlechte Gewissen immer mehr nach oben. Was für ein Freund bin ich, der in solch einer Situation einfach geht. Wie sollte sie vertrauen zu mir bekommen, wenn ich einfach abhaue und sie stehen ließ. Ich war ein Vollidiot. Aber ein verletzter Vollidiot. Mit gefrorenen Fingern zog ich mein Handy aus der Tasche um zuschauen wie spät es sei. Zwei Stunden war ich nun schon hier draußen und Mum hatte mit 16 mal angerufen und mehrere Nachrichten geschickt.

Ich öffnete die letzte Nachricht und zuckte zusammen, da ich in ihrer Schreibweise erkannte, wie sauer sie war. >Harry Edward Styles, mach das nach Hause kommst.< Ich schrieb ihr zurück, das ich auf den Weg sei und ihr alles erklären würde, wenn ich zurück sei. So schnell es ging lief ich wieder zurück nach Hause und überlegte wie ich mein Verhalten erklären sollte. Mum und Madow. Auch wenn mein Verhalten nicht richtig war, hoffte ich das sie doch zur Besinnung kam und zum Arzt gehen würde. Leise knarrend öffnete sich das Tor und ich schlüpfte durch. Mein Herz schlug schnell als ich vor der Haustür stand. Für einen Moment traute ich mich nicht reinzugehen und lieb auf der Türschilder stehen.  Doch da öffnete sich schon die Tür und Mum schaute mich traurig an.

„Mum… ich…“, begann ich und wusste nicht, wie ich es ihr erklären sollte. „Komm erstmal rein Mein Junge.“, bat sie mich und trat zur Seite. Ich zog mich aus und hängte meine Sachen an die Garderobe. Ich lauschte ob ich Madow hören konnte. „Was ist nur los, das du einfach verschwindest und uns hier zurück lässt. Ohne ein Wort. Und ohne an Telefon zu gehen. Harry so habe ich dich nicht erzogen.“, sprach sie leise aber doch in einem Anklagendem Ton. Sie schaffte es das ich mich wieder 8 fühlte. Ich ließ den Kopf hängen und zog sie in meine Arme. „Es tut mir leid Mum, ich war so wütend und hatte Angst, dass ich in meiner Wut Dinge sagen würde, die ich bereuen könnte.“, erklärte ich ihr reumütig, während sie ihre Arme um mich schlang. „Das kann ich verstehen, aber es hilft nicht zu schweigen und sich abzuschotten. Ich hab mir Sorgen um dich gemacht. Was wäre wenn dir etwas passiert wäre und ich hätte nichts machen können.“, rief sie mir ins Gewissen, womit sie recht hatte. „Es tut mir wirklich leid Mum!“, entschuldigte ich mich bei ihr.

„Wo ist Maddie?“, fragte ich sie nach unserer langen Umarmung. „Sie ist oben im Bett. Schätzchen sie ist vorhin zusammen gebrochen. Ich wollte eine Arzt rufen aber das wollte sie nicht. Sie wollte nur das du kommst. Aber du Sturer Esel bist nicht an deine Handy gegangen.“, erklärte sie mir und boxte mir strafen auf den Oberarm. Das hatte ich verdient. Sie war zusammen gebrochen  und ich war nicht da. Gott was für ein lausiger Freund war ich nur. Nur weil mein Ego verletzt war, ließ ich sie hier zurück und konnte ihr nicht helfen, als sie mich brauchte.  Ich schämte mich entsetzlich. „Mach das du nach oben kommst. Seht zu das ihr euch wieder vertragt.“, forderte sie mich auf und schob mich in Richtung Treppe. Ich drehte mich um, drückte Mum einen dicken Kuss auf die Stirn und lief nach oben.

Vorsichtig öffnete ich die Zimmertür und nur das kleine Nachttischlicht brannte. Maddie lag im Bett, zugedeckt und mein Shirt in der Hand haltend. Sie schien wieder tief und fest zu schlafen. Ich lief um das Bett und legte mich zu ihr. Sie atmete tief ein als ich meinen Arm um sie legte und an mich heranzog. Ich sagte nichts, drückte ihr ein Kuss auf die Schulter und legte meine Stirn gegen ihr Schulterblatt. „Hey..“, kam es leise und mit rauer Stimme von ihr. „Hey!“, erwiderte ich und suchte nach ihrer Hand. „Es tut mir leid!“, begann ich und küsste ihren Hals. „Nein… ich muss mich entschuldigen.“, entgegnete sie mir und wandte sich in meine Arm, damit sie mich ansehen konnte. Selbst in diesen warmen Licht war ihre Blässe deutlich zu erkennen. „Du hattest recht. Es geht mir nicht gut.“, gestand sie mir und schloss die Augen. „Madow Josephine Cunningham, warum verheimlicht du so etwas?“, sprach ich sie ruhig an. Ihre Augen weitenden sich, begannen zu glitzern und sie vergrub ihr Gesicht an meine Brust. Ich hörte sie leise wimmern.

„Du musst nicht weinen Honey, erzähl mir warum du dich nicht traust mir zu sagen, wenn es dir nicht gut geht.“, versuchte ich sie zu beruhigen und hob mit meinen Fingern ihr Gesicht an, damit ich sie ansehen konnte. „Wegen Josephine!“, brachte sie leise hervor und wischte sich die Tränen weg. Das Verwirrte mich sehr, was sie glaube ich in meinen Blick erkannte. „Josephine ist der Name meiner Zwillingsschwester.“, meinte sie und holte Luft. Erschrocken sah ich sie an, drückte sie etwas von mich das ich noch besser sehen konnte. „Du hast eine Zwillingsschwester?“, fragte ich irritiert. Doch sofort schüttelte sie ihren Kopf und wischte sich über die Wange. „Nein. Als nicht mehr. Sie starb bei der Geburt und meine Eltern gaben mir ihre  Namen als zweiten Vornamen.“, klärte sie mich auf. Nun fühlte ich mich dreifach so schlecht. Erst schnauze ich sie voll, dann lasse ich sie alleine, wo sie mich am meisten brauchte und nun das. Am liebsten hätte ich mich geohrfeigt.

Ich zog sie wieder fest an mich und küsste ihr Stirn. „Das tut mir leid Honey, das wusste ich nicht.“, entschuldigte ich mich bei ihr. „Das konnte du auch nicht wissen. Josephine ist eine Art Tabu Thema bei uns in der Familie.“, klärte sie mich auf. „Ich möchte nicht unsensibel klingen, aber was hat sie mit dem, was mit dir passiert zu tun?“ , versuchte ich so vorsichtige wie möglich zu fragen. Sie begann mit ihrem Finger kleine achten auf meine Brust zu zeichnen. „Nach ihren Tod, war ich oft krank. Meine Eltern machten sich immer mehr Sorgen um mich und glaubten das ich vielleicht auch noch sterben würde. Ich war es leid, dass sie mich behandelten als wäre ich der schwächste Mensch der Welt.“, begann sie zu erzählen. Ihre Stimme war leis und zaghaft. Sanft streichelte ich ihren Rücken und versuchte ihr damit zu zeigen, dass ich da sei und zuhörte.

„Irgendwann war ich so schwer krank, dass ich zwei Wochen zu Hause bleiben musste. Ich durfte nicht in die Schule, nicht raus und auch nicht meine Freundinnen sehen. Es machte mich so wütend, bis mir etwas wirklich dummes rausrutschte.“, fuhr sie fort und sah kurz zu mir auf. „Was?“, fragte ich neugierig. „Ich war 9 Jahre alt und habe meinen Eltern an den Kopf geknallt, dass es doch bessere gewesen wäre, wenn ich Tod sei und nicht Josephine.“, sprach sie und ich stimme brach ab. „Danach sprachen wir 3 Tage nicht miteinander. Ich fühlte mich so schlecht, das ich anfing zu verheimlich, wenn ich krank war oder es mir nicht gut ging. Und Josie wurde zum Schweigethema.“, machte sie mir die Situation verständlich. Mein Herz zog sich zusammen. „Um niemanden mehr zu verletzte und sorgen zu breiten hast du deinen Gesundheitszustand verheimlicht?“, fragte ich noch einmal nach. Ein leichtes nicken spürte ich an meiner Brust. „Es tut mir leid. Es ich ein Schutzreflex. Es ist eine Mauer, die ich über Jahre aufgebaut habe und nie gelernt habe wieder abzureißen.“, flüstere sie im den Stoff meines Pullovers.

„Honey. Welche Situationen hast du mir verheimlicht?“, wollte ich wissen und schob ihr Gesicht hoch, damit sie mich ansehen musste. Ihre Augen glänzten von den Tränen. Es tat mir so leid. „Einige und es tut mir leid!“, entgegnete sie mir und versuchte meinem Blick stand zu halten. Ich konnte mir es nicht vorstellen, wie schwer es sein muss, so etwas über Jahre zu verheimlichen. Wie sehr muss sie im stillen gelitten haben. Wie sehr strängte so etwas an,  um es zu überspielen. „Warte, der Sturz über die Teppichkannte?“, begann ich schockiert und erneut schüttelte sie mir dem Kopf. „Gab es nicht. Ich hatte einen Schwindelfall und bin umgekippt.“, gestand sie kleinlaut und brach den Blickkontakt ab. „ Est tut mir wirklich leid Harry.“, wimmerte sie. Jetzt verstand ich es und trotzdem schmerzte es, das zu hören. Ich legte meine Hand an ihre Wange und küsste ihre Lippen. Sie schmeckten salzig von ihren Tränen. Ich war so ein Idiot.

„Bitte Madow, geh morgen zum Arzt! Lass dich untersuchen. Wenn es dir so schlecht geht, kann ich es nicht verantworten mit dir in den Urlaub zu fahren.“, bat ich sie inständig. Ich hoffte sie würde es verstehen, was es für ein Risiko sei in dem Zustand nach Thailand zu reisen. Wenn ihr da etwas passieren würde, könnte ich mir das nie verzeihen. „Ja, ich gehe morgen. Versprochen!“, sicherte sie mir zu, was mir den Druck von Herzen nahm. „Danke Honey.“

Hold my Hand (h.s.) [+18]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt