Ein nötiges Opfer

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Erst als es eine Ewigkeit ruhig zu sein scheint und entfernte Schüsse zu hören sind, drücke ich den Deckel mit meinem Rücken auf und klettere steif aus der Kiste raus. Dann fliegt mein Blick über das angerichtete Chaos und lässt mich für einen Moment erstarren. Besorgt recke ich meinen Hals in Richtung der Schüsse und sehe schliesslich zu Auruo, der gerade aus der Kiste steigt. Auch seine Miene ist alles andere als gefasst, als er an mir vorbei geht und sich mit der Hand an den Waffen im Raum umsieht. Dann atmet er tief durch und zieht mich angespannt hinter sich her. 
Schnell überfliegt er die Umgebung, ehe er mich hinaus durch die Gassen führt um in der Masse von Menschen auf dem Marktplatzes abzutauchen. Unser Weg führt uns weiter Südöstlich; weg von der momentan laufenden Operation und in die Nähe der Kaserne der Mauergarnison. Mehrfach schiebt mich Auruo durch kleinere Seitengassen und macht immer wieder für ein paar Minuten im Schutz von dunklen Häuserecken halt, um patrouillierenden Militärsoldaten auszuweichen. Zweimal lotst er uns hastig über grosse Hinterhöfe um im den Chaos der dahinter liegenden Gassen zu verschwinden und als wir schliesslich eine Sackgasse erreichen, packt er mich und fliegt mit einem kurzen Gasstoß durch ein Fenster eines grossen Hauses dahinter.
Erschrocken klammere ich mich an ihm fest, bis ich wieder festen Boden unter den Füssen  habe. Dann verstehe ich wo wir sind. Das hier ist eine Lagerhalle direkt am Kanal und vermutlich wurden hier die Waren direkt von den Schiffen umgeschlagen. 
Zielsicher führt mich Auruo in den hinteren Teil des Lagers und biegt gerade hinter ein Regal, als aus der Deckung jemand hervorgeschossen kommt. Erschrocken mache ich eine Vollbremsung und entspanne augenblicklich, als ich Gunther und Reiner erkenne. "Habt ihr uns erschreckt!" knurrt Gunther und mustert uns beide angespannt. Ich kann sehen wie sein Blick über meine Verbände fliegt, die mir Levi auf meine selbst zugefügten Wunden an Armen und Beinen gelegt hatte. "Was ist passiert?" fragt er sofort alarmiert. Bevor ich ihn beruhigen kann, fängt Auruo an los zu plappern. "Um ein Haar hätten sie uns erwischt." jammert er beinahe hysterisch den Tränen nahe. Er hatte ja Recht.. Die Situation war ganz schön knapp gewesen, aber unsere Freunde kämpften gerade nach wie vor offen um ihre Leben. Einer der Gründe, wieso ich nicht fähig bin an mich selbst zu denken, solange Levi von einem halben Bataillon durch die Strassen gejagt wurde.

Gunther und Reiner führen uns eine schmale Treppe hinauf auf einem erhöhten Catwalk. Selbst von hier, währe mir nicht auf Anhieb die flache Zischendecke direkt unter dem Dach aufgefallen. Sie war zwar nur mit einem 3DMA zu erreicht oder zu verlassen, jedoch so riesig, dass sie nicht nur das Licht einer kleinen Lichtquelle mit Leichtigkeit verdeckten würde... Durch verschiedene Kisten, die als Sichtschutz dienten, war sie nicht mal auf anhieb komplett einsehbar. 
"Warum seid ihr hier und nicht an der Operation beteiligt?" frage ich schliesslich Reiner, als wir uns an das provisorische Lager gesetzt haben. "Wir sitzen hier auf Abruf." sagt Gunther knapp und mustert mich mit einem eigenartigen Blick. Auf Abruf.. denke ich mir..
Hatten Levi oder Hanji etwas neues ausgeheckt und brauchten sie tatsächlich in der Hinterhand? Oder wollte Levi nicht riskieren ihn auf offener Strasse gegen die Militärpolizei einzusetzen und eine eventuelle Verwandlung riskieren? Tatsache war jedoch das er sich nicht für Option 1 entschieden hatte, denn Reiner lag weder in Ketten noch war er unbewaffnet. Eine Weile sitzen wir wieder stumm zusammen und horchen hinaus in das rege treiben des Tages. Als sich Gunther und Auruo für einen kurzen Sicherheitsrundgang verabschieden, bin ich schliesslich mit Reiner allein. "Weisst du was mit Bertholt ist?" fragt er mich keine 2 Sekunden, nachdem beide ausser Hörweite sind. Verdammt! Jetzt musste ich meine Wortwahl genau überdenken. "Vermutlich hat ihn die Zentralbrigade." sage ich ehrlich und füge eine kleine Zweideutigkeit hinzu. "Sie haben angefangen jeden der dem Aufklärungstrupp angehört vorübergehend fest zu nehmen." Reiners entsetzter Gesichtsausdruck entspannt sich minimal. Dann sieht er finster auf seine Hände. "Ich denke ich habe es dir zu verdanken, dass sie mich nicht auch geholt haben.."
Er fragt nicht.. Er schlussfolgert und ich nicke ihm bestätigend zu. Nachdem wir einen Moment Schweigen, entscheide ich mich die Gesprächsführung zu übernehmen. So konnte ich das Gespräch wenigstens in die Richtung lenken, die ich wollte und unangenehmen Fragen über Bertholt und Annie entgehen.

Levi x Reader Ausflug ins ParadiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt