Harte Realität

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Levis Sicht

Mit starrem Blick und eingefrorener Miene reite ich neben den anderen durch die Strassen Richtung Hauptquartier. Es ist bereits spät am Abend und seid gestern Nacht hatte es niemand mehr gewagt mich wegen irgendetwas anzusprechen. Dennoch kann ich ihre verstohlenen Blicke auf mir spüren und einen Teil meines eigenen Schmerz in ihren Gesichtern sehen. Auruo sprengte dabei sämtliche Grenzen. Er weinte fast durchgehend seid gestern Nacht und lies mich dadurch nur noch verstärkt wie ein gefühlloses Arschloch aussehen. Denn im Gegensatz zu ihm, bin ich bis jetzt nicht dazu fähig gewesen auch nur irgendein Gefühl zu zeigen. Dabei kann ich nicht sagen woran es tatsächlich liegt. Fühlte ich mich einfach zu leer oder konnte ich es immer noch nicht glauben? Bisher ist sie immer zu mir zurück gekehrt, doch diesmal wird es anders sein. 
Nachdem [V] ohne Vorwarnung in meinen Armen kollabierte, ist sie nicht mehr aufgewacht. Ihr Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen. Ich weiss nicht genau wer meinem Ruf zum Strand gefolgt war. Es war viel zu dunkel gewesen um einzelne Gesichter zu erkennen. Selbst die heran stürmenden Fackeln konnten daran kaum etwas ändern. Doch ohnehin hatte ich nur noch Augen für sie gehabt. Ich hatte sie nicht mal für Hanji aus den Armen gegeben. Zum einen wusste ich mit einer unnatürlichen Gewissheit was folgen würde, als sie undeutlich vom Krankenhaus sprach. Zum anderen konnte ich sie einfach nicht los lassen. Stattdessen drückte ich sie so fest ich konnte an mich und vergrub mein Gesicht an ihrem Hals.. Bis sie... Bis sie einfach verschwand. Selbst ihre Haarsträhne, die ich seid 5 Jahren bei mir trage ist nun einfach weg. Als hätte es sie niemals gegeben. Alles was ich tun kann ist hoffen, dass sie in ihrer Welt weiter lebt und mein Versprechen ihr gegenüber halten. Ich hatte nicht gelogen als ich damals zu ihr sagte, ich könne nicht mehr ohne sie Leben .. Aber ich musste nicht *Leben* um mein Versprechen zu halten. Ich musste einfach nur funktionieren.
Im Hauptquartier überlasse ich Eld mein Pferd und gehe auf direktem Weg zu meinem neuen Arbeitszimmer. Dabei ignoriere ich sämtliche Gesprächsversuche, die mir entgegen gebracht werden und unterbinde die besonders hartnäckigen mit einem kurzen finsteren Blick. Schon beim betreten meines Arbeitszimmers springt es mir förmlich ins Gesicht. Ein großer Koffer mit den Initialen der Familie Davour liegt auf dem runden Besprechungstisch direkt neben dem Eingang. Mein Magen sackt schlagartig eine Etage tiefer, als ich mir bewusst werde was das bedeutete. Langsam schliesse ich die Tür hinter mir und schlucke einmal schwer, während ich vor dem Koffer stehe und ihn langsam öffne. Vorsichtig klappe ich den Deckel auf und lasse meinen Blick über den weissen Stoff gleiten. Es sah ganz anders aus, als alles was ich je gesehen hatte. Viel eleganter und weniger verspielt. [V]s Einfluss auf den klaren Schnitt ging weit über das reine weglassen von Rüschen und Schleifchen hinaus. Es spiegelte einfach derart ihre Persönlichkeit wieder, dass ich mir fast bildlich vorstellen kann, wie es an ihr aussehen würde. Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals, als ich kurz über den oberen Stoff streiche und ich mir der Realität bewusst werde... Es würde immer nur bei dieser Vorstellung bleiben... Denn sie würde dieses Kleid niemals tragen..
Dann schliesse ich den Koffer und wende mich langsam ab, als mein Blick auch schon auf meinen Schreibtisch fällt. Mittig der Tischplatte; direkt vor meinem Stuhl platziert, liegt ein kleines Tagebuch. [V] musste es vor unserer Abreise dort platziert haben, denn sie selbst hatte niemals an meinem Schreibtisch gesessen. Hatte sie etwa gewusst, dass so etwas passieren würde? Voller innerer Anspannung gehe ich zu meinem Schreibtisch herüber und setzte mich steif in meinen Stuhl. Nachdem ich einen Augenblick gezögert hatte, öffne ich es nun und überfliege die erste Seite. Doch als mir klar wird, dass es nicht das ist, was ich eigentlich suche blättere ich im Buch auf die hinterste beschriebene Seite. Das, was ich jetzt lesen wollte, waren ihre letzten geschriebenen Worte... Und tatsächlich finde ich auf der letzten beschriebenen Seite ihren Abschiedsbrief an mich.

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Levi

Ich hätte dieses Buch gern mit soviel mehr Eindrücken und Erinnerungen gefüllt.. Aber ich glaube, ich habe nicht mehr viel Zeit und ich habe das Gefühl, dass das hier ist mein letzter Eintrag ist. Dabei gibt es noch so vieles was ich dir sagen möchte... Ich möchte dir sagen, wie sehr du mich bewegt und verändert hast.. und wieviel mir unsere gemeinsame Reise bedeutet hat. Durch deine Liebe und Unterstützung hast du mir gezeigt, was Familie wirklich bedeutet... Und dafür danke ich dir vom ganzen Herzen! Wenn du mir noch etwas versprechen kannst, dann bitte Versprich mir das hier: Wann immer du traurig bist und dich unsicher fühlst.. oder völlig das Vertrauen verlierst und nicht weisst wie es weiter gehen soll... Versuche dich mit meinen Augen zu sehen.. Danke für die Ehre, dass ich deine Frau sein durfte.. Ich denke.. Ich kann jetzt gehen ohne Angst und Reue.. Egal für welchen Weg sich das Schicksal auch entschieden hat.. Du bist mein Leben und hast mich daran erinnert was Leben bedeutet.. Aber ich bin in deinem Leben nur ein Kapitel.. und wenn all das hier vorbei ist, wird es noch mehrere für dich geben. Daran glaube ich fest! Alles was ich mir für dich wünsche ist glücklich zu sein.. Also habe bitte keine Angst eine neue Liebe zu finden! Verschließe dich nicht vor der Welt.. Sondern achte auf das Signal, dass es wirklich das aller größte ist!.. Vergiss mich nicht.. Aber sieh nach vorn und bleib nicht stehen!

Ich werde dich niemals vergessen.

In Liebe
[V]

Levi x Reader Ausflug ins ParadiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt