Es war Mittag und ich war gerade auf dem Weg in den Speisesaal zum Lunch. Es war traumhaft schön im Palast wenn die Sonne schien. Sie flutete die gesamte Galerie durch die hohen Fenster und alles funkelte geradezu. Ich fühlte mich an Tagen wie diesen, als würde ich auf den Sonnenstrahlen den Himmel empor tanzen und hätte am liebsten einen Purzelbaum geschlagen, wenn ich es gekonnt hätte. Aber Talent für Purzelbäume hatte nur mein Herz.
Unten an der Treppe stand Kaden. Er hatte mir den Rücken zugedreht und schaute zum Fenster hinaus. Fröhlich hopste ich die Treppe hinunter und blieb eine Stufe über ihm stehen. Ich legte meine Arme von hinten um seinen Hals und sagte: „Was gibt es da zu sehen?" Mit einem amüsierten lächeln drehte er sich zu mir um und und befreite sich aus meinen Armen.
„Nichts besonderes Liebes. Ich habe gehofft dich vor dem Essen abzufangen und habe mich dann in Gedanken verloren." Wir verschränkten unsere Hände und liefen langsam zum Speisesaal.
„Und warum wolltest du mich abfangen?"
„Ich habe mich gefragt was du heute Nachmittag vor hast."
Ich überlegte kurz und antwortete dann.
„Bis jetzt noch nicht schätze ich." Er schmunzelte zufrieden und schaute mich an. „Hervorragend, ich habe nämlich den ganzen Nachmittag Zeit. Was wollen wir unternehmen?"
Er schien fast schon übermotiviert und ich musste lachen. All zu viele Abenteuer fielen mir nicht ein.
„ Wir könnten ins Dorf gehen und einen kleinen Abstecher zum Schneider machen wenn du magst. Ich müsste noch einige Kleider anprobieren und eines für Lady Avarias Hochzeit auswählen."
„Einverstanden. Ich habe noch nie einen Schneider besucht um Ballkleider zu kaufen und es klingt durchaus interessant." sagte er feixend und ich musste über seine übertriebene Euphorie lachen.
„ Ich fürchte es wird nicht halb so spannend wie du es dir vorstellst."
Er zuckte mit den Schultern und meinte: „Aber ziehe dieses mal bitte andere Schuhe an. Nicht, dass ich dich wieder zurücktragen muss." Etwas verlegen nickte ich und unsere Wege trennten sich, als wir um den Tisch herumgingen.
§
Nach dem Essen lief ich zügig in mein Gemach, um mir flache Schuhe anzuziehen und eine dünne Jacke zu hohlen, die hervorragend zu meinem Himmelblauen Sommerkleid passte. Vor dem Eingangsportal lehnte Kaden lässig an der Fassade und wartete augenscheinlich auf mich. Wir gingen die Auffahrt entlang bis zum Tor, dann einige Straßen entlang bis wir uns auf dem Marktplatz wiederfanden. Er war umgeben von kleinen Restaurants und niedlichen Geschäften mit bunten Markisen über den Fenstern. Wir schlenderten auf die Schneiderei zu als ich vor einem der Schankhäuser ein mir bekanntes Gesicht aufblitzen sah. Überrascht starrte ich auf die gegenüberliegende Straßenseite .
„Ist das nicht dein Kammerdiener dort drüben?" fragte ich und zeigte mit dem Finger auf den Mann. Kaden folgte meinem blick und kniff die Augenbrauen etwas zusammen.
„Es scheint als hätte er eine Verabredung. Ist die Dame nicht ebenfalls angehörige des Personals?" Ich besah mir seine Begleitung etwas genauer an und ja, Kaden hatte recht. „Ja das ist Miss Bexter, die Zofe meiner Mutter. Das sie in ihrem Alter noch zu Verabredungen gehen ist ja nett." kommentierte ich die Szene und wollte sie mit einem lächeln abtun, aber Kaden schien es zu beschäftigen. Vielleicht war er ja nicht so gut mit seinem Diener verbunden wie ich mit Amanda und nun etwas verwirrt durch den kurzen Einblick in sein Privatleben. Ich beschloss ein Gespräch anzufangen, bis wir den Laden erreichten.
„Wie lang ist Mr. Greenchester schon dein Kammerdiener?" er bedachte mich mit einem kurzen Seitenblick und schaute dann zurück auf die Straße vor ihm. Irgendetwas belastete ihn. In seinen Augen hatte ich sehen können, wie ein Sturm in ihm tobte.
„ Er steht seit zwölf Jahren in meinen Diensten."
„Zwölf Jahre? Amanda kenne ich erst seit sechs Jahren und sie ist fast wie eine Schwester für mich. Du stehst ihm wohl nicht so nah?"
Sein Kiefer spannte sich an bevor er antwortete.
„ Er steht mir immer mit guten Ratschlägen zur Verfügung und ist ein guter Geselle. Ich schätze ich also durchaus sehr. Ist das nicht die Schneiderrei?"
Er war plötzlich wie versessen darauf mich in das Geschäft zu schieben und damit war die Unterhaltung wohl beendet. Die Türglocke läutete und der Schneider, ein wohlbeleibter Mann mit dunkelbraunen Locken , kam hinter dem Tresen hervor. Er Verbeugte sich tief und begrüßte uns mit einem mir merkwürdigen Akzent. Vermutlich hatte er wurzeln in einem der nördlichen Kleinreiche.
„Eure Hoheiten es ist mir eine Ehre sie mal wieder in meinem bescheidenen Geschäft willkommen heißen zu dürfen. Die gewünschten Kleider hängen Hinten. Ich hohle sie ihnen sofort. Bitte, setzen sie sich." Er eilte Rückwärts in das Hinterzimmer, wobei er sich noch mehrmals verbeugte und Kaden ließ sich auf einem gelben Sofa nieder. „Behandelt man die Königsfamilie hier immer so?" flüsterte er während ich neben ihm Platz nahm.
„Oh das war gar nichts. Du müsstest ihn sehen wenn Mutter hier einkehrt." entgegnete ich kichernd und der Prinz schüttelte schmunzelnd den Kopf. Mr. Tourons kehrte mit einer völlig überladenen Näherin zurück. Sie knickste ungelenk und stellte sich hinter den Schneider. Hinter dem bunten Berg aus Tüll, Seide und Chiffon war ihr Gesicht nicht zu erkennen und bevor ich die Gelegenheit hatte sie nach ihrem Namen zu fragen schwadronierte Mr. Tourons bereits weiter.
„ Hier ist eine Auswahl meiner besten Arbeiten. Heute nicht mit der Frau Mamá , ihrer Majestät der Königin hier?"
Ich stand auf und sah die Kleider durch. Es waren pompöse Abendkleider. Dem armen Mädchen mussten fast die arme abfallen, also bemühte ich mich ihr eines abzunehmen, während ich dem Schneider beiläufig antwortete.
„ Nein, ich fürchte sie war beschäftigt. Aber ich hoffe doch der Prinz hat ebenfalls ein Händchen für Farbkombination und Ärmellängen." ich lächelte und hörte Kaden hinter mir ebenfalls lachen. Mr. Tourons hingegen schaute zu Kaden und musterte ihn. Seine brennende Neugierde war ihm ins Gesicht geschrieben.
„ Ah ich bin davon überzeugt Prinzessin. Es ist mir eine Freude ihnen zu dienen eure Hoheit." Kaden nickte und lächelte matt während er von Mr. Tourons mit unnötigen Fragen gelöchert wurde. Sein Verhalten war fast schon aufdringlich, aber er war auf seinem Gebiet nun mal am talentiertesten. Ich wählte einige Kleider aus und verschwand samt der Näherin hinter einem großen Wandschirm.
Das erste Kleid hätte mir eigentlich gefallen, aber das Mädchen sagte mir schüchtern es würde meine Haut orange wirken lassen und Mr. Tourons stimmte ihr zu, wobei er sich mehrfach übertrieben für ein solch abstoßendes Kleid entschuldigte. Also verschwand ich erneut hinter dem Schirm und machte mich an die anderen Kleider.
Die darauf folgenden waren entweder aufgegangene Tüllmonster oder waren furchtbar unbequem. Erst als ich das sechste und damit vorletzte anprobierte nickte das Mädchen zufrieden und ich kam hinter dem Wandschirm hervor um mich zu präsentieren. Es war ein mittel Blaues Ballkleid, dass in sanften wellen zu Boden fiel. Die Ärmel umfassten nur einen Teil meines Oberarms und ließen so meine Schultern frei. Nachdem ich mich einmal um die eigene Achse gedreht hatte und meinen Hals mehrfach nach oben reckte, während Mr. Tourons an irgendetwas herumzupfte wirkte auch er zufrieden.
„Eure Hoheit, mit Verlaub, sie sehen fabelhaft aus. Sogar noch scho ner als ihre Großmutter damals." Er verschwand erneut im Hinterzimmer, vermutlich um die anderen Kleider zurück zu bringen und ich wandte mich an Kaden und sah ihn fragend an. Er hatte sich mit den Ellenbogen auf die Knie gestützte und betrachtete mich.
„Du siehst bezaubernd aus."
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung und zog die Augenbrauen in die Höhe. „Das weiß ich doch, aber was ist mit dem Kleid?"
Sein tiefes, kehliges lachen hallte in meinem Kopf wieder und auch ich brach in Gelächter aus. Es beflügelte mein gesamtes Sein, wenn ich ihn zum lachen bringen konnte.
Nach einiger Zeit kam Mr. Tourons zurück und sagte er habe es auf die Rechnung geschrieben. Das Mädchen half mir mich wieder umzuziehen und kurz darauf verließen wir den Laden mit einem großen Karton, den Kaden für mich trug.
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Die Belington Chroniken - Königin der Sterne
FantasyIhr ganzes Leben lang war sie die hübsche und doch kluge Prinzessin, Thronerbin von Belaria. Doch was ist, wenn alles, was sie je über ihre Welt zu wissen glaubte, plötzlich auf den Kopf gestellt wird? Was, wenn alles was sie kannte, lediglich auf...