Kapitel 56

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Lana blickte mir grinsend ins Gesicht, während ich verdattert auf ihre Nasenspitze sah. Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen. Es kam mir vor, als wäre ich bei einem verbotenen Stelldichein erwischt worden, dabei war dem doch nicht so. Oder?

„Also er ist zwar ein Gott von einem Mann, aber dass du gleich in die Offensive gehst hätte ich nicht von dir erwartet Jillian!" lachte sie und boxte mich spielerisch gegen den Arm. Panisch bedeutete ich ihr, nicht so laut zu reden.

„Ich bin nicht in die Offensive gegangen! Er war in meinem Zimmer, als ich aus dem Bad kam und wir haben geplaudert."

„Ach ich bitte dich! Mit so einem Mann plaudert man doch nicht!" rief sie noch lauter und wir beide brachen in Gelächter aus. Eigentlich hatte sie ja recht.

„Bei der nächsten Gelegenheit kannst du ja mit ihm plaudern." bemerkte ich kichernd und Lana gab einen grunzenden Laut von sich. Hin und wieder klang ihr Lachen ein wenig wie das von Tante Celeste, was in mir eine Woge des Heimwehs aufkommen ließ. Ich verbannte sie in den hintersten Winkel meines Herzens.

„Vielleicht werde ich das." brüstete sie sich und wir Lachten erneut.

Als es verebbte sah ich ihr doch in die Augen.

„Du wirst Kaden sagen, dass ich Varian nicht so scheußlich finde wie er, richtig?"

Ich wollte die Antwort gar nicht hören.

Lana schien einen Augenblick nachzudenken, lächelte mich dann aber an.

„Nein. Es geht mich nichts an, mit wem du glücklich bist und ich stelle mich auf keine Seite, solange du unserer Unternehmung treu bleibst. Auch nicht, wenn du dich gegen ihn entscheidest." Ihre Worte gaben mir Halt, trafen mich aber auch. Mein Blick wanderte zu dem bezaubernden Ring an meinem Finger und ich schluckte. Würde ich die Möglichkeit bekommen, mich neu zu Entscheiden?

Und wenn ja, würde ich anders Wählen?

Ich wusste es nicht und ich wollte eigentlich auch nicht darüber nachdenken.

Jetzt gerade war ich hier um, gemeinsam mit Kaden und den anderen eine Armee zusammenzustellen, damit wir uns gegen König Horan stellen konnten. Nicht für irgendwelche Sperenzchen.

Ich nickte Lana nur stumm zu und sie lächelte aufmunternd. Ich hätte Varians Sympatien mir gegenüber gern für mich behalten, aber dafür war es jetzt zu spät. Da war es leichter, Lana würde denken, ich hätte mich in ihn verguckt, anstatt ihr erklären zu müssen, dass ich meine eigenen Plane hatte.

Schwere Schritte unterbrachen unser Schweigen.

„Tag die Damen." sagte Ren knapp und nahm einige Meter von uns entfernt auf einem Breiten Diwan platz. Er begann, seine Dolche zu schleifen und Ruhe kehrte ein. Kurze Zeit später kam auch Kaden dazu. Sein Haar fiel ihm noch feucht in die Stirn und ließ ihn viel sorgloser aussehen, als er eigentlich war. Er schliff ebenfalls seine Waffen, obwohl er das erst heute Morgen ausführlich getan hatte. Manchmal war er geradezu besessen davon, seinen Vater zu besiegen. Auch ich wollte Horan für seine Taten büßen lassen. Ich verzehrte mich regelrecht danach, aber es war nicht alles, worum sich meine Gedanken bei jedem Atemzug drehten. Malich stieß als Letzter dazu. Niemand sagte etwas, aber ich hielt es nicht mehr aus.

„Glavo raja? Woher kennst du ihn? Wer ist er? Warum kennst du ihn?" sprudelte es aus mir heraus, während ich mich aufplusterte und diese ganz bestimmte Stimme annahm. Vater nannte es den ‚Befehlston'.

Ren beeindruckte es nicht, er sah nicht einmal auf. Kaden hingegen wurde aufmerksam und sah uns beide abwechselnd an, während Lana scheinbar desinteressiert die Ohren spitzte. Malich lehnte sich zurück und lauschte Rens Atem, bis er antwortete.

„Ich habe vor ungefähr sechsundzwanzig Jahren einige Monate lang Aufträge für Gereon Alserrah ausgeführt. Er ist der Glavo raja und wie es aussieht der Vater unseres Gastgebers. Ich wusste nicht einmal, dass er inzwischen geheiratet hat, wir stehen nicht in Kontakt und nein, ich habe es nicht verheimlicht. Niemand sagte bis vor ein paar Stunden ein Wort über die Familie Alserrah. Das Gelände kam mir aber gleich bekannt vor." sagte er völlig emotionslos und hob den Blick, um jeden von uns bedeutungsvoll anzusehen. Malich blickte skeptisch drein, genauso wie Lana, aber Kaden klopfte Ren leicht auf die Schulter.

„Ich glaube dir, alter Freund."

Lana brach als erste aus ihren Gedanken.

„Wie wollen wir jetzt vorgehen?"

Stille, aber sie war nicht von Dauer, denn Kaden stand auf und lief hinter dem Diwan hin und her, während er sprach.

„Wir gehen zu diesem Dinner. Wir müssen uns mit Varian gut stellen, genauso wie mit seinen Eltern, jedenfalls mit dem Glavo raja, und bekommen die Soldaten. Dann können wir weiter." Es war bis jetzt nur selten vorgekommen bei Unterhaltungen wie diesen, aber Malich meldete sich zu Wort: „Für ein Land wie Tulip sind zweitausend Männer nahezu nichts."

„Wenn sie uns tatsächlich Männer aus ihrer Armee geben, haben wir talentierte Kämpfer an unserer Seite." setzte Kaden hinzu.

Ein Schimmer der Hoffnung legte sich erneut über unsere Gruppe, aber auch Nervosität machte sich in mir breit. Wenn wir die Soldaten hatten, würden wir eine Schlacht planen müssen. Und diese auch gewinnen. Was passieren würde, sollten wir dies nicht tun, konnte ich mir nicht ausmalen.

„Zwei meiner Vetter sind seit Jahren in Mahrraz. Die Armee ist gigantisch und gut ausgebildet." Malich sah Ren amüsiert an. „Sind sie im Quartier oder der Festung?" murmelte er und Ren schmunzelte.

„Rate mal." raunte er und Malich grinste schief.

Mahrraz war der Name der einzigen Stadt, einer Festungsstadt, auf der größten Insel Tulips. Sie war mehr eine Kreuzung aus Hafen und Lager, als eine Stadt, denn dort war das Heerlager des gesamten Landes. Und die ‚eiserne Festung', das Gefängnis. Als ich noch klein war, hatten sich die Kinder im Dorf Gruselgeschichten über diesen Ort erzählt. Die Menschen starben angeblich schon, wenn sie der Festung nur zu nahe kamen, so sehr stank die Luft dort nach Tod.

Dennoch gab es wohl keinen sichereren Platz um Gefangene aufzubewahren, als eine Insel voller Soldaten.

Lana stand plötzlich auf und klatschte in die Hände.

„Dann wollen wir mal zu diesem Dinner gehen." rief sie erheitert und unsere Versamlung löste sich prompt auf. Malich ging zurück in sein Zimmer, genau so wie Lana. Ren steckte seine Waffen zurück an ihren rechten Platz und verabschiedete sich dann mit der Aussage, er wolle draußen mal eine Runde drehen, also blieben Kaden und ich zurück.

„Kann ich dich kurz sprechen?" fragte Kaden etwas unschlüssig. Ich nickte, woraufhin er mir in mein Zimmer folgte.

Mitten im Raum blieb ich stehen und wartete, bis er die Tür geschlossen hatte. Als er sich umwandte, kräuselte sich etwas seltsames in seinen Augen.

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