Kapitel 42

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„Du musst fester schlagen!" brüllte Ren gegen den Wind und ich holte erneut aus. Die aufgehende Sonne schien mir grell ins Gesicht, meine Arme schmerzten vom Tragen meiner Koffer und der Wind stürmte um uns herum also denkbar tolle Voraussetzungen um draußen zu trainieren. Wir waren schon seit fast einer Stunde an Deck und ich drosch immer wieder auf Rens bandagierte Hände ein. Lana war schon wach gewesen, als ich nach oben gekommen war und lehnte an einem Geländer neben dem Steuerrad. Sie hatte mir nur einen mürrischen Blick zugeworfen und sich dann wieder ihren Fingernägeln zugewandt, unter denen sie Dreck mit der Spitze ihres Dolches hervor kratzte. Ich hatte ihr gern meine Nagelfeile an den Kopf geworfen, lies es aber bleiben. Die würde sie nur auch im Meer versenken.

Als ich aufgestanden war, musste Kaden schon auf den Beinen gewesen sein, denn er war verschwunden. Vor ein paar Minuten hatte ich Malich mit ausgemergeltem Gesicht und tiefen Augenringen in die Kammer des Captains, so hatte Ren sie genannt, schlurfen sehen, daher vermutete ich, Kaden würde ebenfalls dort sein.

Ich besann mich wieder auf das Ziel meiner Schläge.

Rechts, links, links, rechts. Rechts, links, links, rechts.

„Gut, das soll erst einmal reichen. Verteidigung." sagte er und schien zu erwarten, dass ich wusste was zu tun war. Ich stellte mich also schulterbreit hin, hob die Hände zu Fäusten geballt vor mein Gesicht und duckte den Kopf leicht.

Über uns zog eine gigantische Wolke vorbei und entblößte einen Augenblick lang die Schönheit des avendorianischen Himmels. All die türkis-blauen und cyanfarbenen Sterne und die leicht gelbliche und rosafarbene Schattierungen des Himmels waren atemberaubend.

Plötzlich traf mich ein blanker Schmerz an der linken Seite und ich viel rücklings zu Boden, wobei ich mich dämlicherweise mit den Ellbogen abzufangen versuchte.

Völlig entgeistert starrte ich Ren an, der mich mit einem leichten Schulterzucken abtat.

„Du hast dich ablenken lassen." erklärte er und schaute mich schuldzuweisend an.

„Ach wirklich?" spie ich sarkastisch und zwang mich wieder nach oben. Ich presste eine Hand an meine Seite.

Ren lachte kurz, reichte mir dann aber mein Schwert.

„Hoffen wir erst mal, dass dein Angreifer nicht auf einen Angriff aus ist."

„Dann wäre er ja kein Angreifer." entgegnete ich und Ren zog eine Augenbraue nach oben. „Dann bete zu den Göttern, dass jemand gerade Zeit hat, deinen Retter zu spielen."

Sein harscher Tonfall ließ mich verstummen und ich griff mein Schwert und stellte mich schlagbereit hin. Vor ein paar Stunden war der ehemalige Assassine erheblich freundlicher und mitfühlender gewesen. Dabei konnte ausgerechnet ich wohl niemandem eine Predigt über Mitgefühl halten.

Ren stand vier Schritte von mir entfernt und wies mich bei jedem Schritt an, was ich zu verbessern hatte. Ich hätte mich über meineTolpatschigkeit geärgert, aber mir war selbst bewusst, dass ich mit einem Schwert in der Hand aussah, wie ein epileptischer Esel.

So vergingen einige weitere Stunden auf dem Schiff und als die Sonne schon im Zenit stand, knurrte mein Margen so laut, dass sogar Ren es hörte.

Er erklärte das Training kurzerhand für beendet und meinte, ich solle mir was zum essen suchen. Toller Rat, hätte er mir nicht wenigstens sagen können, wie ich besagtes Essen finden würde?

Ich steckte meine Haare in einem neuen Zopf zusammen, brachte das Schwert zurück in meine Kammer und trat erneut auf das Deck, diesmal ratlos.

Als ich Lana sah, wie sie in der Tür auf der anderen Seite des Schiffes, in die auch Kaden und Malich gegangen waren, verschwand, erweckte es erneut meine Neugier. Worüber sie wohl Stundenlang zu sprechen hatten? Nun steuerte auch noch Ren auf diese Tür zu und ich beschloss, ihm einfach zu folgen. Er ging durch die Tür und wir befanden uns in einem schmalen Gang. Auf der einen Seite führte eine Treppe weiter hinunter, auf der anderen befand sich eine weitere Tür. Auch durch diese ging er, sie wurde aber wieder aufgestoßen, noch bevor ich sie ebenfalls passieren konnte und Lana kam vor mir zu stehen. Die Tür fiel zu, ohne das mich jemand sah und sie grinste mich freudlos an.

„Wollte das Prinzesschen etwa lauschen?" spottete sie mit kräftiger, leicht tiefer Stimme und legte den Kopf schief, als sie mir genau in die Augen sah.

„Nein, das Prinzesschen sucht etwas zu Essen." entgegnete ich in hoffentlich dem selben kalten Tonfall und versuchte, mich unauffällig aufzubauen. Lana musste ungefähr einen Meter fünfundsiebzig messen, vielleicht etwas mehr, was immerhin ein gutes Stück größer war als ich. Ihre voluminösen, dichten Locken und die breiten Schultern und Hüften ließen sie wie eine onyxfarbene Löwin erscheinen, was nicht gerade beruhigend war.

Der Captain machte einen verstehenden laut und nickte dann zur Treppe.

„Unten links." meinte sie schroff und stieß mit der Schulter gegen meine, als ich mich in dem schmalen Gang an ihr vorbei quetschte.

„Und sie zu, dass an dich was ran kommt. Wir wollen doch nicht, dass du für immer das flachbusige Püppchen bleibst, das du bist und dem armen Kaden den Spaß am Leben verdirbst."

„Bitte was?!" entfuhr es mir und ich starrte die Piratin an, die mich breit lächelnd ansah.

Sie lachte kurz auf, als wäre sie mehr als begeistert von ihrer perfekt getroffenen Anmerkung. „Du hast schon richtig verstanden, Schlampe." raunte sie, drehte sich mit wehendem Haar um und ging hinaus. Warum zum Teufel hasste sie mich so?!

Die Belington Chroniken - Königin der SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt