Kapitel 61

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Der Mond fiel durch die flatternden Vorhänge und die Uhr zeigte bereits halb zwei. Ich lag schon eine ganze Weile wach und versuchte meine Gedanken zu ordnen.

Als ich von meinem Ausflug vor einigen Stunden zurückgekehrt war, war ich zum Glück allein gewesen. Ich vermutete, die anderen waren noch beim Dinner gewesen, dennoch war ich zügig schlafen gegangen. Über Großmutter hatte ich vor dem einschlafen kaum nachgedacht. Da mein Kopf nun aber beschlossen zu haben schien, dass ich genug Schlaf für eine Nacht hatte, blieb mir jetzt wohl mehr als genug Zeit dazu.

Ihr wahrer Name war also Elevia Kathariné Carait gewesen. Und sie war Prinzessin von Tulip. Ihre Uhrahnen hatten gegen die meiner Heimat gekampft.

Tulip gegen Belaria, war es nicht immer so gewesen?

Nach den Geschichten aus meiner Kindheit zu urteilen, war die Geschichte meiner Großeltern eine Liebesgeschichte gewesen, aber konnte man diesen Worten Glauben schenken? Ich wusste es nicht.

In meinem Schädel wirbelten so viele Fragen, auf die ich keine Antwort wusste.

Wieso hatte sie in Belaria einen anderen Namen angenommen und ihren Titel abgelegt? Warum ließ man jeden über ihre Herkunft im Unklaren?

Wusste nicht einmal Vater, wer seine Mutter eigentlich gewesen war?

Ich spürte noch mehr ungeklärte Thesen die gegen die Innenseite meiner Stirn drückten und wieder weitere, die noch nicht einmal zu Fragen geformt waren, aber ebenfalls meinen Geist aufwirbelten. Ich fühlte mich rastlos.

Ich hatte meine Großmutter doch immer als eine Art Vorbild gesehen, aber hier nach wusste ich nicht, ob ich das noch tun konnte. Ob es richtig wäre, das zu tun.

Es musste noch mehr dahinter stecken.

Als ich es nicht mehr aushielt, setzte ich mich in meinem Bett auf, und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Er verweilte, als ich mein Schwert neben der Kommode erkannte. Hatte mir der Knauf der Waffe deshalb so gut gefallen? Weil die Lilie ein Teil meines Seins war? Oder gab es diese tief verwurzelte Zugehörigkeit zu meinen Ahnen gar nicht, und weder der Geist von Belarias, noch Tulips Vergangenheit floss als blasser Schimmer durch meine Venen?

Ich schloss die Augen und atmete langsam ein und aus.

Ich wollte keinen Schlaf, ich wollte Antworten.

Durch diesen Entschluss getrieben schlug ich die Bettdecke zurück und lief barfuß zu dem Schrank. Während ich weg gewesen war, musste jemand weitere Kleider in ihm platziert haben, denn acht Bügel hingen an der Stange.

Im Halbdunkeln zog ich das erstbeste heraus und schlüpfte hinein. In dem matten Licht des Mondes sah es bräunlich aus und war etwa Knöchellang. Ich zog ebenfalls meine Stiefel an, griff nach Schwert und Dolch und verließ so leise wie möglich mein Zimmer. Auf Zehenspitzen schlich ich durch den dunklen Salon. Niemand schien mich zu bemerken oder noch wach zu sein, und als ich draußen auf dem halboffenen Gang angekommen war, schnallte ich meinen Gürtel um den feinen Stoff an meinen Hüften und machte mich auf zur Treppe.

Ich sah mich in alle Richtungen um und suchte die Umgebung nach möglichen Angreifern um, ganz wie Ren es mir beigebracht hatte. Als ich niemanden entdecken konnte marschierte ich los. Ich wollte zur Bibliothek.

Ich kannte mich weder in der Stadt aus, noch sprach ich die Muttersprache ihrer Bewohner. Dann kann das ja nur gut laufen.

Als ich die Hauptstraße, auf der wir zum Anwesen geführt worden waren, einige hundert Meter entlanggegangen war und mir keine Menschenseele begegnete, begann ich zu verzweifeln. An jeder Hauswand waren bunte Malereien, glitzernde Vorhänge oder Farbenfrohe Gewächse. Ich spähte in zwei Richtungen einer Querstraße und erblickte schließlich einen Springbrunnen. Erleichtert lief ich auf ihn zu, denn heute Nachmittag war mir aufgefallen, dass an fast jedem Brunnen auch ein kleiner Stadtkern war.

Die Belington Chroniken - Königin der SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt