Chapter 19

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"Nächstes mal lade ich dich ein" lachend treten Karim und ich aus dem Restaurant.
"Einverstanden" entgegnet er.

Wir laufen ein paar Meter.
Quatschen ein wenig.
Bis mir irgendwann etwas an dieser riesigen Menschenmenge auffällt.

"Irgendwie sind hier ziemlich viele Leute mit Trikots" stelle ich fest "deutlich mehr als vorhin."
Karim schaut kurz auf seine Uhr.
"Ja das stimmt" antwortet er dann "es ist ja auch schon 15:30 Uhr."
"Was hat das denn damit zutun?" frage ich verwirrt.
"Komm mit" antwortet er und läuft weiter die Straßen entlang.

Also laufe ich ihm wieder mal einfach hinterher und folge ihm durch die Menschenmenge.
Mir bleibt wohl auch nichts anderes üblich, oder?

Irgendwann verliere ich dann aber doch meine Geduld.
"Ich kann nichtmehr Karim" jammere ich.
"Nicht schlimm" lacht er "wir sind da."

Mein Blick folgt seinem und bleibt bei einem riesigen Gebäude haften.
Mein Atem stockt.
Meine Augen werden groß und mein Kinn hängt mir bestimmt bis zu den Knien.

"Ist das?" stottere ich völlig perplex vor mich hin.
"Jap" antwortet Karim "das ist das Bernabéu."
"Wie bitte?" ich schaue Karim ungläubig an.
"Das Real Madrid Stadion" erklärt er.

"Was machen wir hier?" frage ich nach einigen Momenten des Staunens.
"Wir gehen rein" antwortet Karim trocken.

Ich bin sichtlich überfordert mit der Situation, jedenfalls glotze ich ihn gerade einfach nur an.
Karim lacht nur.
Geht dann mit mir im Schlepptau weiter und zückt sein Handy.

"Das hast du also vorhin im Restaurant gemacht" bemerke ich "du hast uns Karten gekauft."
"Ganz genau" bestätigt er mir.
"Das Geld bekommst du zurück" stelle ich klar.
"Wenn du darauf bestehst" Karim lacht leise.
"Das tue ich" antworte ich ebenfalls lachend.

Am Eingang werden wir erstmal abgetastet.
Müssen dann die Karten vorzeigen und dürfen reingehen.

"Bist du bereit?" Karim grinst übers ganzes Gesicht.
Ich nicke aufgeregt.
Hole einmal tief Luft und gehe dann die Treppen hoch.

Laute Musik ist zu hören.
Die Fans sind am Singen und grölen.

"Alles in Ordnung?" Karim tritt neben mich.
Ich nicke langsam.
"Ich bin sehr aufgeregt" gestehe ich.
"Das glaube ich dir" entgegnet er "Aber gleich siehst du ihn wieder."
"Das ist es ja" murmle ich "Ich weiß nicht ob ich dazu wirklich bereit bin."
"Warum solltest du es nicht sein?" frägt Karim verwundert.
"Ich habe ihn so lange nicht gesehen" erkläre ich "was ist, wenn es ihm ohne mich viel besser geht?"
"Das glaube ich nicht" verneint er "er war immer so glücklich wegen dir."
Meine Mundwinkel Zucken kurz hoch, die Zweifel bleiben aber trotzdem.

Karim legt seine Hände auf meine Schultern und sieht mich an.
"Du hast dich so lange danach gesehnt ihn wiederzusehen" seine Stimme ist sanft "Und jetzt bist du nur ein paar Meter davon entfernt.
Mach jetzt keinen Rückzieher."

Ein Lächeln erscheint auf meinem Gesicht und ich werfe mich in Karim's Arme.
"Danke" murmle ich an seiner Brust.
"Lass und reingehen" schlägt er vor.
Ich nicke zustimmend.

Also hole ich einmal tief Luft und gehe zusammen mit Karim auch die letzten Treppenstufen nach oben.
Und augenblicklich klappt mir mein Mund auf, als ich meinen Blick durchs Stadion schweifen lasse.

"Und?" Karim tritt grinsend neben mich "beeindruckt?"
"Ziemlich, ja" ich nicke.
"Unsere Plätze sind da unten" Karim deutet mit seinem Finger auf die prall gefüllte Nord Tribüne.
"Das ist ein Witz, oder?" frage ich ungläubig.
"Sehe ich aus als würde ich Scherzen?" lacht er.
"Leider nein" murmle ich, während Karim mich am Handgelenk packt und hinter sich herzieht.

Wir quetschen uns an unzählig vielen Menschen vorbei.
Einige von ihnen sind freundlich, die anderen eher weniger.

"Pass doch auf wo du hintrittst" mault mich ein älterer Typ an, nachdem ich versehentlich seinen Arm geschliffen habe.
"Verzeihung" entgegne ich leise.

Nach wenigen Minuten sind wir endlich an unseren Plätzen angekommen.

"Wann beginnt das Spiel?" frage ich Karim.
"In 10 Minuten" antwortet er.

Offenbar haben wir die Aufwärm-Einheit der Spieler verpasst, da wir erst so spät reingekommen sind.
Naja, halb so wild.

"Schau mal" Karim hält mir sein Handy vors Gesicht "Jude ist in der Startelf."
"Prima" lache ich.

Mein Blick schweift durch das Stadion.
Tausende Fans, die lachen und singen.

Und so langsam wird mir alles klar.
So langsam verstehe ich, wo ich hier bin.
Es dauert nichtmehr lange, dann werde ich ihn wiedersehen.
Das, wonach ich mich so lange gesehnt habe, ist jetzt Realität.

Tage.
Wochen.
Monate lang habe ich mich in den Schlaf geweint.
Ihn vermisst.

Ich habe niemanden an mich rangelassen.
Niemanden, bis auf Karim.

Karim war von Anfang an für mich da.
Er hat mich immer getröstet.
Hat mich aufgefangen.
Und jetzt hat er mich hierher gebracht.
Er hat es mir möglich gemacht.
Ich verdanke ihm so viel.
Er hat so viel für mich getan.

"Karim?" ruckartig drehe ich mich zu ihm und sehe ihn an.
"Ja?" antwortet er.
"Danke" meine Stimme ist leise "danke für alles."
Karim fängt an zu lächeln.

Und dann ertönt plötzlich Musik.
Das ganze Stadion jubelt.
Alle halten seine Real Madrid Schale in die Luft und fangen an zu singen.

Es ist eine unglaubliche Atmosphäre.
So laut und wunderschön.

Karim und ich ziehen lachend unsere Handys aus den Taschen und Filmen alles mit.
Natürlich habe ich meiner besten Freundin und meinen Eltern Videos und Fotos von meiner Reise versprochen.

Mein Blick schweift durchs ganze Stadion.
Staunend betrachte ich die Umgebung, bis mein Blick auf dem Spielfeld haften bleibt.

Und sofort stockt mir der Atem.
Ich lasse mein Handy langsam sinken und blicke wortlos aufs Spielfeld.
Mein Lächeln verschwindet und meine Hände beginnen zu zittern.

Ich sehe ihn.
Er ist da.
Dort unten läuft er.
Er ist so nah.
So nah, wie lange nichtmehr.

Ich schlucke einmal.
Blinzle die aufkommenden Tränen fort.
Und atme tief aus.

"Jude" flüstere ich mit glasigen Augen.

Tomorrow's promise - A Jude Bellingham story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt