Chapter 44

144 4 0
                                    

Die Tage im Krankenhaus vergingen wie in einem zähen Nebel.
Eine Woche voller Routine und Wiederholungen, die zwischen Licht und Dunkelheit verschwammen.
Die Erinnerung daran ist bruchstückhaft, wie ein altes, zerrissenes Band, das sich schwer zusammensetzen lässt.

Ich erinnere mich daran, wie ich immer wieder aufwachte, benommen und verwirrt, nur um die monotonen Geräusche der Maschinen um mich herum zu hören.
Das Piepen des Monitors, das leise Summen der Lüftung.
Die Zimmerdecke war das Erste, was ich sah, jedes Mal, wenn ich die Augen öffnete.
Ein weißer, greller Fleck, der sich kaum von der Leere in meinem Kopf unterschied.

Aber ich war nicht allein.
Jude war fast die ganze Zeit bei mir, saß an meiner Seite und hielt meine Hand, auch wenn ich die Augen schloss und wieder in den Schlaf glitt.
Er sprach leise zu mir, erzählte mir von seinem Tag, von den kleinen Dingen, die mir halfen, die Realität zu begreifen – die Welt da draußen, die weiterlief, während ich in diesem kleinen Raum feststeckte.

Und dann war da Karim.
Er kam jeden Tag, manchmal mit einem Lächeln, manchmal mit einem besorgten Blick, aber immer mit einer Energie, die den Raum füllte.
Er brachte mir Bücher, die ich kaum zu lesen versuchte, und erzählte mir Geschichten aus Dortmund, als wäre das Leben dort nie zum Stillstand gekommen.

Karim und Jude, sie waren wie zwei unermüdliche Wächter, die die Dunkelheit von mir fernhielten.
Sie sprachen miteinander, oft leise, manchmal mit sorgenvoller Miene, als würden sie darüber nachdenken, was als Nächstes kommen sollte.

Ich erinnere mich, wie Jude eines Nachts, als ich müde und schwach war, seine Hand sanft auf meine Schulter legte.
"Everything will be fine, Hannah", sagte er, sein Blick ernst und gleichzeitig voller Wärme.
"We are here. We won't leave you alone."

Und ich fühlte es – dass sie es wirklich meinten. Dass ich nicht allein war in dieser Leere, auch wenn sich die Tage zu einer langen, endlosen Kette zu verknüpfen schienen.

Nach einer Woche entschied der Arzt, dass ich nach Hause gehen konnte.
Ich war noch schwach, musste mich langsam bewegen und durfte die Wunde nicht zu sehr belasten.

Aber ich wollte weg.
Raus aus diesen sterilen Räumen, raus aus dem Krankenhausgeruch, der mir in die Nase stieg und mich an alles erinnerte, was ich hinter mir lassen wollte.

Karim und Jude brachten mich zu Karim nach Hause, weil unser Flug erst am nächsten Morgen ging.
Ich hatte Angst vor dieser Nacht – Angst davor, dass Lukas in meinen Träumen auftauchen würde, Angst vor der Dunkelheit und den Schatten, die auf mich warteten.
Aber sie waren da.
Wir alle schliefen kaum, saßen zusammen im Wohnzimmer und redeten.
Über alles und nichts, über die Zukunft und das Leben in Dortmund und in Madrid.

"Du weißt, dass du jederzeit zurückkommen kannst, oder?", sagte Karim zu mir, seine Stimme sanft, aber ernst. "Meine Tür steht immer offen."

Ich nickte, dankbar, und Jude lächelte, legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich näher zu sich.
"You're not alone, Hannah. Never."

Am nächsten Morgen, nach einer viel zu kurzen Nacht, flogen wir zurück nach Dortmund.
Jude hatte alles organisiert, und ich ließ mich einfach von der Strömung treiben.
Die Flugzeuge, die Menschenmengen, der Lärm – es fühlte sich alles wie in Watte gepackt an, als würde ich durch einen Schleier sehen.
Doch als wir in Madrid landeten, überkam mich eine seltsame Ruhe.
Eine Art Frieden, den ich noch nicht ganz begreifen konnte.

Jetzt sitze ich auf Judes Sofa, spüre die vertrauten Wände um mich herum und höre das leise Summen des Verkehrs draußen.
Die Stadt klingt lebendig, so anders als die kalte Stille des Krankenhauses.
Ich bin zurück, und doch fühlt sich alles immer noch so ungewiss an.

"Are you okay?", fragt Jude leise, seine Stimme voller Sorge, während er sich neben mich setzt. Ich blinzle und schaue in seine braunen Augen, die mich mit einer Sanftheit mustern, die mir ein kleines bisschen Mut gibt.

"Yes", antworte ich, obwohl ich nicht ganz sicher bin, ob das die Wahrheit ist "I think so."

Jude nickt langsam, während er mich enger an ihn zieht.

Die nächsten Tage bei Jude verlaufen in einer merkwürdigen Mischung aus Routine und Ungewissheit.
Jeden Morgen weckt mich das leise Rauschen der Kaffeemaschine, und der Duft von frischem Kaffee und Toast erfüllt die Wohnung.
Jude macht sich immer die Mühe, ein Frühstück zuzubereiten, auch wenn ich kaum Appetit habe. Wir sitzen dann zusammen am Küchentisch, reden über das Wetter oder die Nachrichten.
Es sind diese kleinen Rituale, die mir das Gefühl geben, dass das Leben weitergeht, auch wenn sich in meinem Kopf noch immer alles so unwirklich anfühlt.

Aber eine Frage bleibt ständig im Raum:
Was ist mit Lukas passiert?

Gestern kam dann endlich die Nachricht, auf die wir die ganze Zeit gewartet haben.

Seit unserer Rückkehr nach Madrid hat Jude sich fast täglich bei der Polizei erkundigt, ob es Neuigkeiten gibt.
Die Ungewissheit ist schwer zu ertragen, und wir beide spüren, wie sie uns langsam zermürbt. Gestern Nachmittag, als ich auf der Couch liege und Jude in der Küche telefoniert, höre ich, wie sich sein Ton verändert.
Die Anspannung in seiner Stimme verschwindet, und er klingt erleichtert.

"They've got him", sagt Jude, als er den Hörer auflegt, seine Stimme ruhig und klar. "The police have found Lukas."

Ich setze mich auf, spüre, wie mein Herz schneller schlägt.
"Where?", frage ich und suche in seinem Gesicht nach Antworten.

"In an abandoned warehouse outside the city", erklärt Jude, seine Augen auf mich gerichtet
"He was hiding there. Apparently he wanted to leave the city, but they found him before he could escape."

Eine Welle aus Erleichterung überflutet mich, gemischt mit der vertrauten Angst.
"And what happens now?", frage ich leise.

Jude setzt sich neben mich, legt seine Hand auf meine und drückt sie sanft.
"He has been arrested. They've charged him with assaulting you and other crimes. There is enough evidence to keep him in custody. He will remain there until the process begins."

"The process...", flüstere ich und spüre, wie meine Gedanken sich in alle Richtungen zerstreuen.
Die Vorstellung, Lukas wiedersehen zu müssen, ihm im Gerichtssaal zu begegnen, schnürt mir die Kehle zu.
"How long does it take?"

Jude zuckt mit den Schultern.
"No one can say for sure. It could take weeks or months. But you don't have to burden yourself with it now, Hannah. The police have put you under special protection. Lukas can't do anything to you."

Ich versuche, mich an seinen Worten festzuhalten, doch es fühlt sich an, als würde ich immer noch auf dünnem Eis stehen.
"What if he..?", beginne ich, aber Jude unterbricht mich sofort.

"He will not be released", sagt er entschlossen.
"You're safe now."

Sicher.
Ein Wort, das ich fast vergessen habe, wie es sich anfühlt.
"And what if...?" Meine Stimme zittert.

"He can't hurt you, Hannah", wiederholt Jude sanft, aber mit Nachdruck. "You are here, with me, and we are safe. No one will hurt you."

Ich schaue ihn an, seine ernsten Augen, die mir Mut machen sollen, und versuche, das zu glauben.
Tief in mir spüre ich noch immer die Angst, wie einen Schatten, der sich nicht vertreiben lässt. Aber ich weiß auch, dass Jude Recht hat.
Lukas ist gefangen.
Und zumindest für einen Moment, bin ich in Sicherheit.

Ich atme tief durch und lasse die Anspannung in meinen Schultern ein wenig nach.
Vielleicht, nur vielleicht, kann ich wieder lernen, mich sicher zu fühlen.

Tomorrow's promise - A Jude Bellingham story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt