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G R A C E
Der Schultag nahm seinen Lauf und ich checkte regelmäßig mein Handy, doch Aiden antwortete mir nicht mehr auf meine Nachrichten. Auch nicht als sie am Vormittag als gelesen markiert wurden.
Ich versuchte diese ganzen Dinge einfach zu ignorieren und mich auf die Schule zu konzentrieren. Doch verletzte es mich etwas, da ich wirklich dachte es bestehe noch Hoffnung das ganze irgendwie zu klären. Aber wenn Aiden nicht aus eigener Hand mitmacht und mit mir spricht, wird das wohl nichts.

Als ich bis zur letzten Stunde immer noch keine Antwort bekam, beschloss ich spontan ihn ,wenn möglich, nach dem Unterricht abzufangen. Das wir beide gleichzeitig aus hatten, passte mir hervorragend.
Folglich beeilte ich mich ziemlich mit dem zusammen räumen und verabschiedete mich schnell von meinen Freundinnen. Diese schauten mich teils überrascht, teils verwirrt an, nahmen es dann aber mit einem Schulterzucken hin.
Ich bewegte mich in schnellem Schritt in Richtung Ausgang zu, und scannte ,als ich draußen war, den Hof schnell mit meinen Augen ab. Nach kurzer Zeit entdeckte ich mein Ziel bei dem Parkplätzen neben der Schule, was ehrlich gesagt keine große Kunst war, Aiden konnte man schließlich schwer übersehen. Er stand neben einem Motorrad. War das seins?
Ich lief die wenigen Stufen auf den Hof hinab und ging auf ihn zu. Er schien mich noch nicht zu bemerken und war viel zu beschäftigt damit eine neue Zigarette aus der Schachtel herauszuholen und diese anzuzünden. Ich hatte insgeheim gehofft er hätte mittlerweile damit aufhören können, doch mir wurde schlagartig klar wie unrealistisch diese Vorstellung war. Beim Näherkommen konnte ich erkennen, das sein Hals und Hände von Tattoos bedeckt waren, woraus ich schlussfolgerte das seine Arme ebenfalls bedeckt sein müssten.
Aiden was machst du nur mit deinem Körper?
Erst als ich direkt vor ihm stand hob der den Kopf und schaute mich an. Ich wartete auf eine Aussage, doch vergeblich, er blieb still.
„Was is?" fuhr er mich schließlich an.
Ich schluckte, vielleicht war es doch keine so gute Idee. Jetzt ist es auch schon zu spät, Augen zu und durch würd ich mal sagen.
„Ich finde wir sollten das mit dem reden nochmal versuchen, hat letztes Mal ja nicht so gut funktioniert."
Durch atmen Grace, du hast es geschafft, du hast nicht gestottert.
„Aha"
Innerlich schrie ich gerade. Konnte er bitte einmal was anderes als ,Aha' oder ,Ok' sagen?„Dann fang an" etwas überfordert schaute ich ihn an.
Shit ich hatte mir gar nicht überlegt was ich sage.
„Willst du noch etwas mit mir zu tun haben?" fragte ich gerade raus. Ich könnte mir eine Klatschen, das wollte ich eigentlich nicht laut sagen.
Aiden überlegte kurz ehe er die kurze und schlichte Antwort sagte.
„Nein"
Dieses Wort traf mich aus irgendeinem Grund wie ein Schlag. Ich hatte es schon erwartet, doch es wirklich aus seinem Mund zu hören ist dann doch etwas anderes.
„Und warum nicht"
Aiden kochte gerade wahrscheinlich über und musste sich sichtlich zusammen reißen, doch ich wollte es wissen.
„Wegen der ganzen Scheiße die du abgezogen hast?" antwortet er schließlich deutlich angepisst.
Ich sagte nichts doch mein Blick ließ ihn wissen das mir diese Antwort noch nicht reichte.
„Dank dir weiß die ganze Schule das ich Heroin genommen hab, was erwartest du? Das ich dir das alles einfach mal schnell vergesse? Ich habe dir wirklich Vertraut und gedacht du bist anders."
Als er diese Tatsache Aussprach wurde mir erst so richtig bewusst das ich ja der Auslöser dafür war, und er hat vollkommen Recht. Das hätte ich nicht machen sollen.
„Es tut mir leid, das ging zu weit ich weiß. Aber wie ich schon geschrieben hab, das Heroin hätte von Anfang an nicht sein müssen."
Ich sah die Wut in seinen Augen kochen.
„Und ich sag's dir nochmal: Was interessiert's dich? Das betrifft dich nicht, ich habs genommen und nicht du." fuhr er mich an.
„Aber-"
„Nichts aber. Grace es geht dich rein gar nicht an was ich mit meinem Körper mache und es sollte dich auch nicht jucken. Gib einfach zu, ab dem Heroin war ich für dich ein Junkie und dann bist du abgehauen"
Mit diesen Worten schmiss er die Zigarette auf den Boden und drückte sie aus. Danach nahm er sich den Helm der auf dem Boden stand, setzte ihn sich auf und stieg auf das Gefährt hinter ihm. Es gehörte also ihm. Ich war unfähig etwas zu sagen, aus Überraschung über seine Aussage. Ich hatte um ehrlich zu sein nicht erwartet das Aiden den Großteil des Gesprächs übernimmt.
Ohne mir noch eines Blickes zu würdigen startete er das Motorrad und fuhr einfach weg. Ich sah ihm noch hinterher, die Geschwindigkeit auf die er beschleunigte konnte unmöglich legal sein.
Mit Gemischten Gefühlen setzte ich mich langsam in Bewegung und ging zur Mauer um auf meinen Vater zu warten.
Hier hatte alles angefangen.
Genau mit dieser Mauer.
Ich dachte an unser erstes Gespräch zurück.
Über was hatten wir noch mal geredet?
Ich wusste es nicht mehr, so lange war es aber doch noch gar nicht her?
Ich ließ mir seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen.
Hatte er recht?
Ich wusste es nicht.

Den restlichen Tag verbrachte ich zuhause. Ich machte meine Hausaufgaben und lernte generell noch etwas. Als ich mich dazu entschloss eine Pause zu machen, wanderten meine Gedanken wieder zu Aiden.
Ich durchlebte in Gedanken noch einmal das Gespräch von Heute.
Er sah furchtbar müde aus.
Ob er immer noch so wenig schlief? Vermutlich, sonst würde er nicht so fertig aussehen.
Ich seufzte.
Aiden hatte wirklich eine Menge Probleme für die er teilweise auch gar nichts konnte.
Die Sucht hatte er sich selbst zuzuschreiben, aber für seine Schlafprobleme oder Panikattacken konnte er eigentlich nichts.
Ich hatte Mitleid mit ihm. Seine ganzen Probleme summierten sich auf einen großen Haufen den er ganz alleine bewältigten muss, und dann gibt es andere Menschen die überhaupt nichts hatten. So gesehen war es nicht wirklich fair verteilt.
Meine Gedanken wurden durch das Knurren meines Magens unterbrochen, und mir wurde bewusst das ich ziemlichen Hunger hatte. Aus diesem Grund begab ich mich nach unten in die Küche und suchte mir etwas zu essen. Als ich schließlich eine Packung Cookies fand, gab ich mich mit ihnen zufrieden und nahm sie mit auf mein Zimmer.
Mit neuer Motivation machte ich mich erneut daran für die nächste Mathe Arbeit zu lernen und hielt meine Gedanken dadurch von Aiden fern.

Broken apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt