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G R A C E
Nachdenklich war ich auf dem Weg nachhause. Meine Schicht endete zuvor und ich hörte Musik, als ich mit dem Bus fuhr.
Warum nahm Aiden Heroin?
Hatte ihn Lukas kein bisschen abgeschreckt?
War es falsch, ihn jetzt einfach zu ignorieren?
Doch ich sah ihn jetzt mit einer anderen Sicht, Heroin ist mir eine Stufe zu heftig.
Das und noch vieles mehr beschäftigte mich seitdem Aiden mir erzählt hatte, was vorgefallen war. Ich konnte nachdenken so viel ich wollte, eine Antwort fiel mir nicht ein.
Vielleicht war es wirklich falsch ihn genau jetzt allein zu lassen. Doch ich war einfach geschockt. Heroin hatte ja nicht umsonst den Ruf der gefährlichsten Droge.
So hatte es mir zumindest mein Vater erklärt. Ob das wirklich stimmte, konnte ich nicht einschätzen.
Ich lehnte den Kopf an die Fensterscheide des Busses.
Ich wusste nicht was ich tun sollte.

Zuhause war Aiden offenbar schon arbeiten, da ich die Wohnung leer vorfand.
Ich ging duschen und zog mir bequemere Sachen an. Danach schmiss ich mich auf die Couch und war am Handy.
Größtenteils auf Snapchat, in der Gruppe die Jonas, Ava und ich hatten.
Aiden war auch mal drin, doch der stieg ziemlich schnell aus.
Die beiden anderen waren eigentlich voll okay.
Ich hatte mit Jonas gesprochen und er erklärte mir sein Verhalten.
Er sagte, er wollte Aiden eigentlich nur helfen und ihm die Unterstützung unserer Lehrerin anbieten, und entschuldigte sich für sein voreiliges Handeln.
Ich habe ihm verziehen, ich konnte ihm schließlich nicht ewig böse sein. Er war rein theoretisch Teil meiner Familie.
Ava schickte gerade einen Chat, und fragte ob wir morgen was unternehmen wollen.
Ich stimmte freudig zu und wir einigten uns darauf wieder bei uns zu chillen.
Es wurde immer später und ich beschloss um kurz nach 1 ins Bett zu gehen.
Also machte ich mich bettfertig und schlief auch kurz danach ein.

A I D E N
Mit keiner Energie schloss ich um 2 die Tür auf. Noch nie war ich so erschöpft nach einer Schicht wie heute. Warum gerade heute so anstrengend war wusste ich selbst nicht wirklich, doch mein Körper schrie förmlich nach Entspannung und Schlaf. Außerdem hatte ich den ganzen Abend lang gespürt, wie es meine Gedanken immer wieder zu dem weißen Pulver zog. Nun war es wenige Schritte von mir entfernt.
Ich versuchte mich dagegen zu wehren doch mein Körper bewegte sich wie von selbst. Wenige Augenblick später stach auch schon die Spitze einer Nadel durch die Haut und das zuvor erhitzte Heroin schoss durch meinen Körper. Ich atmete erleichtert auf und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Ich schmiss die benutzte Spritze weg und ging ins Bad um mir die Zähne zu putzen. Als ich in den Spiegel vor mir blickte, lenkte ich meine Augen schnell wo anders hin.
Ich konnte mein eigenes Spiegelbild fast nicht ertragen, blasse Haut, hervorstehende Wangenknochen, müde Augen, und wunderschöne, dunkel violette Augenringe verzierten mein Gesicht.
Hässlich war das einzige Wort das ich passend fand. Doch diese Gedanken verschwanden schnell, als die Wirkung des Heroins einsetzte.
Mir leerem Kopf legte ich mich in mein Bett und verband meine Kopfhörer.
Ich begann allmählich dieses Gefühl zu lieben, was jedoch den Anfang vom Ende darstellte.

Schule war wieder mal die reinste Qual und ich ging der Bitte meiner Lehrerin natürlich nicht nach. Was erwartet sie sich auch?
Als Grace und ich nachhause fuhren, beschloss ich den Versuch einer Versöhnung zu starten.
„Yo Grace, ich glaube wir müssen mal reden" fing ich zögerlich an und wartete auf ihre Reaktion. Sie schaute mich kurz an und meinte „von mir aus"
Innerlich verfluchte ich mich schon für meine dumme Idee. Das konnte gar nicht gut gehen.
„Erstens, es tut mir wirklich leid"
Kurze Stille herrschte.
„Was genau?" fragte sie dann.
Ich seufzte. „Na alles. Das mit dem Heroin, dass ich dich in Sachen rein ziehe und so halt"
Wieder ließ eine Antwort auf sich warten. Sie schien sich ihre Worte genau zu überlegen.
„Ist schon okay. Ist mir ziemlich egal, mach was du willst" sie schaute mich nicht einmal an. Ich wagte es nicht noch einmal etwas zu sagen und wir führten unseren Weg schweigend fort.
-ist mir ziemlich egal, mach was du willst-
Diese Worte hallten immer wieder in meinem Kopf. Sie scheinen so harmlos, doch sie taten gerade unglaublich weh.
Du bist ihr egal' sagte eine Stimme in meinem Schädel.
Da war es wieder. Dieses zweite Ich.
Eine zweite Persönlichkeit die in meinen Gedanken lebt und mich nicht mag. Schon immer war sie da und redet alles was ich tat schlecht, hinterfragt alles. Sie ist immer da, und das nervt mich gewaltig.

Am Nachmittag besuchte ich wieder Alex, für eine weitere Übungs-Session.
Als wir bei ihm im Wohnzimmer saßen quatschten wir etwas und er zeigte mir seinen neuen Entwurf.
Ich willigte ein und er druckte die Vorlage aus. Wieder musste mein Arm her heben und er machte seine Arbeit. Es dauerte zwar etwas und tat diesmal wirklich weh, doch ich biss die Zähne zusammen und ließ Alex sein Werk vollenden ohne das ich mich beschwerte.
‚Du hast es Verdient, das ist deine Strafe'
Ich verdrehte die Augen. Wenn ich könnte würd ich meinem zweiten ich den Hals umdrehen.
Doch irgendwo hatte es ja recht.

Ich blieb noch bis Abend und gerade als ich Alex Flur entlang ging, stoppte er mich.
„Aiden, sag mir die Wahrheit"
Ich blieb stehen, drehte mich aber nicht um.
„Bist du auf Heroin?"
Na super, er muss die Einstichstellen gesehen haben. Ich verfluchte mein Pech innerlich.
„Mhm" gab ich als Antwort und nickte zusätzlich noch, immer noch ohne mich umzudrehen.
„Pass auf dich auf Alter, ich will dich nicht an die Scheiße verlieren"
Ich lächelte leicht, wenigstens einer scheint sich um mich zu kümmern.
„Keine Sorge, ich hab das unter Kontrolle."
Ich setzte meine Kapuze über meine Beanie auf und verließ den Wohnblock.
Hoffentlich hatte ich das diesmal wirklich, denn das habe ich vor nicht all zu langer Zeit schon mal gesagt.

Zuhause wartete die nächste Überrasch auf mich. Jonas und Ava saßen mit Grace in der Küche.
Ich hinterfragte es gar nicht erst und grüßte sie auch nicht, als Ava als einzige ein Hallo raus brachte. Ich schaute auf die Uhr und merkte das ich mich beeilen musste. Ich ging in mein Zimmer, setzte mir einen Schuss und ging wieder in die Küche um ein Glas Wasser zu trinken. Ein kleines Rinnsal Blut rann aus der Einstichstelle, was mir komische Blickte bescherte. Ich wischte es einfach mit der Hand weg und verkündete kurz das ich arbeiten sei. Natürlich bekam ich keine Antwort zurück.
Doch das machte mir nichts aus, die Wirkung des Stoffes beeinflusste meine Gedanken. Innerlich wappnete ich mich schonmal gegen die heutige Nacht, Motivation war wie immer keine vorhanden.
Doch das war mir immer noch lieber, als mit denen zu Hause zu sitzen.

Broken apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt