21

34 1 0
                                    

A I D E N
Etwa zwei Wochen waren nun vergangen seit dem ich in die neue Klasse gewechselt hatte. Ich hatte bereits jegliches Interesse an allem Verloren und lag einfach Tag um Tag auf meinem Tisch und starrte aus dem Fenster hinaus. Die Welt dahinter kannte ich nun auswendig.
In diesen Zwei Wochen hatte ich mir noch ein Piercing gestochen, um genauer zu sein ein seitliches Labret oder wie das heißt. Auch Grace wollte eines und nun schmückte ihre Nase ebenfalls ein Ring, wenn auch ein seitlicher.
Heute war Donnerstag und ich war gerade dabei meine Schicht im Club zu beginnen. Vorher hatte ich mir natürlich erst mal ne Line gezogen.
Unzählige Gesichter zogen vor meinen Augen vorbei und ich machte einen Drink nach dem anderen. Heute war ein gut besuchter Abend.
Gut für den Club, weniger gut für mich.
Es wurde etwas später und immer mehr Leute waren bereits betrunken. Junge Frauen ließen sich von dummen Männern einladen, die nicht mal mehr gerade stehen konnten und es wurde immer lauter.
„Drei Mojito bitte" schrie mir dann förmlich eine bekannte Stimme zu. Ich erstarrte einen Moment und blickte dann fassungslos auf die drei Mädchen vor mir.
Eine kannte ich nicht und sie stand auch ganz hinten, doch die anderen zwei nur zu gut.
Zum einen stand Leonie vor mir, übertrieben geschminkt, in einem dunkelblauen Kleid und gelockten Haaren. Vermutlich trug sie auch höhere Schuhe, da sie mir größer vorkam als sonst.
Und dann stand da noch sie.
Alessia.
Meine Ex.
Ich musste mich wirklich zusammenreißen um mich halbwegs normal zu benehmen.
Alessia war ebenfalls die, die mich eben angesprochen hatte. Als ich in ihre grünlichen Augen schaute weiteten sich ihre augenblicklich.
Sie musste mich auch erkannt haben.
„Aiden?! Bist du's wirklich?" schrie sie verblüfft über die laute Musik. Ich nickte immer noch zu fassungslos um zu antworten. Dort stand sie wirklich.
Das Mädchen an dem mein Leben zerbrochen war. Sie stand keinen Meter vor mir.
Ich hatte mich eigentlich darauf eingestellt, dass wir uns nie wieder sehen würden, doch das Universum musste irgendeinen Groll gegen mich hegen.
„Alter was ist mit dir passiert?!"
Wow danke. Sehr freundliche Begrüßung auf jeden Fall. Ich ignorierte ihre Frage und machte meine Arbeit. Doch auch als sie ihre Drinks erhielten blieben die drei stets in der Nähe der Bar. Es machte mich buchstäblich verrückt.
Ich wollte diese Frau eigentlich nie wieder sehen müssen. Was zur Hölle machte sie hier. Und dann auch noch mit Leonie? Ich merkte wie in mir langsam Panik aufstieg und ich kramte sofort in meiner Jackentasche nach meinen Oxy Pillen. Ich drehte mich kurz um schluckte die 20er Pille ohne irgendwas herunter und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Ich hoffte wirklich das die Wirkung so schnell wie möglich eintraf. Doch es wollte nicht so recht funktionieren. Als gerade nicht zu viele Leute was haben wollten gab ich deshalb meinem Chef kurz bescheid, dass ich eine Rauchen gehen würde. Er ließ mich mit einem Kopfnicken glücklicherweise gehen und ich eilte an die kalte Nachtluft hinaus. Ich lehnte mich an die Wand, zog mir die Kapuze meines Hoodies über den Kopf und zündete mir eine Kippe an. Mit müden Augen studierte ich die von den Neonlichtern und den Straßenlaternen erleuchtete Straße vor den Club. Plötzlich ging die Tür auf und jemand stand auf einmal neben mir. Wer, wurde mir direkt bewusst. Alessia war mir nach draußen gefolgt. Hat man nicht mal hier seine Ruhe?
„Aiden...du rauchst also immer noch?" fragte sie zögerlich. Sie schien sich nicht sicher zu sein was sie sagen sollte.
„Mhm" gab ich nur vor mir und zog erneut. Wir waren bereits zusammen als ich damit angefangen hatte. Etwa 4 Jahre ist das mittlerweile her. Wow, die Zeit vergeht schnell.
Eine weile schwiegen wir uns nur an. Dann setzte Alessia erneut ein Gespräch an.
„Was ist seit damals passiert? Du wirkst ziemlich anders" fragte sie leise.
Ich hielt in meiner Bewegung eine neue Kippe aus der Schachtel zu holen, kurz inne. „Vieles, nur nichts gutes" antwortete ich schließlich und fuhr mit meinem Vorhaben fort.
„Du siehst aus wie ein Junkie" stellte sie fest, vermutlich aber unbeabsichtigt laut und nicht in ihren Gedanken, denn ihre Augen wurden etwas panisch nachdem sie die Worte aussprach. Ich konnte ihr ihre Gedanken nicht verübeln, sie hatte ja komplett recht.
„Gut geraten"
Ihn meinem Augenwinkel konnte ich erkennen wie sie vermutlich über ihre nächste Frage nachdachte, welche keine 5 Sekunden später auch kam.
„Wie geht es Lukas?"
Ich gefror erneut in meinen Bewegungen.
„Hat sich ne Überdosis rein gejagt, ist schon seitn paar Monaten tot" versuchte ich so emotionslos wie möglich zu sagen. Doch ich vermisste ihn immer noch abnormal. Ohne ihn war es eben nicht das gleiche.
„Tut mir leid...was hat er denn genommen?" Alessias Miene wurde noch unsicherer als zuvor.
„Eigentlich fast alles, aber Heroin hat in umgebracht"
‚Mich wird es das auch' dachte ich.
„Und du? Was nimmst du"
,,Geht dich nichts an" Sie akzeptierte diese Antwort.
„Was willst du von mir?" fragte ich sie schließlich kalt. Meine Frage war berechtigt. Sie tauchte nach 4 Jahren aus dem nichts auf und fragt mich über mein Leben aus.
„Nun ich habe dich gesucht und heute per Zufall endlich getroffen."
Ich hob eine Augenbraue.
„Warum hast du mich gesucht?"
Das gab alles keinen Sinn.
„Nun ja eigentlich steh ich nur ihm Auftrag von jemandem. Aiden deine Eltern suchen dich."

Bitte was.
Nun gefror mir endgültig das Blut in den Adern und ich drehte meinen Kopf zu meiner Gesprächspartnerin. Mein Blick reichte wohl, denn sie erklärte sich gleich darauf.
„Deine Eltern suchen dich schon seit einiger Zeit, genauer Gesagt 1 1/2 Jahren. Sie haben zuerst Kontakt mit deinem Heim aufgenommen und sind dann über jemanden auf mich gestoßen. Da ich sowieso zu Leonie nach Berlin wollte bot ich ihnen meine Hilfe an." Allmählich löste ich mich aus meiner Trance und setzte erneut meine kalte Maske auf.
Ich wollte nichts mit diesen Leuten zu tuen haben.
„Das sind ihre Telefonnummern" sie gab mir einen kleinen Zettel, welchen ich jedoch nicht entgegennahm.
„Ich will nichts mit ihnen zu tuen haben"
Alessia schaute mich beinahe geschockt an. Aber war hatte sie erwartet? Das ich ihnen freudig in die Arme laufe? Nein. Ganz sicher nicht.
„Aber Aiden es sind deine Eltern! Sie suchen seit über einem Jahr nach dir und jetzt sagst du einfach Nein?" Widerwillig nahm ich den Zettel und versenkte ihn in meiner Hosentasche. Vielleicht sollte ich wirklich mit ihnen Kontakt aufnehmen. Dann bekäme ich endlich meine Chance ihnen meine Meinung zu sagen. Heißt ja nicht das ich ihn halten muss.
Da meine Kippe gerade fertig geraucht war und ich dieser Konversation entkommen wollte ging ich einfach ohne weiteres wieder hinein und machte meine Arbeit.
Alessia und die anderen ignorierte ich dann einfach, da meine Schicht sowieso gleich zu Ende war.
Als ich dann endlich gehen durfte verließ ich den Club so schnell wie noch nie. In meinem Inneren konnte ich die ständige Panik spüren und hoffte inständig das dieses Gefühl vergehen würde.
Dem war jedoch nicht so, auch nicht als sich die Wirkung der Pille von vorhin bemerkbar machte.
Kurz nachdem ich zuhause war explodierte die aufgestaute Menge. Grace war zum Glück nirgends zu sehen und schlief wahrscheinlich schon.
Ich hatte erneut eine Panikattacke.
Doch dieses mal war es nicht zu vergleichen.
Mein Herzschlag verdoppelte sich mindestens und ich hatte das Gefühl ich bekam keine Luft mehr.
Noch nie, war es so schlimm, wie dieses Mal.
Mir war sofort klar das nicht mal Pillen helfen würden um mich zu beruhigen. In meiner Panik sah ich keinen anderen Ausweg als an Lukas Zeug zu gehen. Ich hatte seine Sachen in einen Schrank im Wohnzimmer verstaut, welchen ich nun aufriss und mit zittrigen Händen sein Besteck sowie den Teufel in Form von Weißem Pulver heraus kramte. Ich fing an das Heroin mit Zitronensäure und etwas Wasser und mit Hilfe eines Löffels und meinem Feuerzeug zu erhitzen. Dann zog ich es in eine der Spritzen und drückte es in meiner Vene wieder hinaus. Trotz meinem pausenlosem Zittern brachte ich es irgendwie fertig und fast Augenblicklich verflog mein Gefühl des Erstickens und meiner Panik. Ich lehnte mich gegen die Wand unseres Wohnzimmers und legte mein Kopf auf mein angezogenes Knie.
Die Angst in mir wurde immer schwächer und mein Kopf freier.
Das Gefühl war unbeschreiblich gut, und ich konnte verstand warum Lukas nie entzogen hat.

Broken apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt