Kapitel 4 [überarbeitet]

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Als ich das nächste Mal aufwachte, war der Raum stickig und warm. Dunkelheit hatte ihn durchflutet. Nur langsam gewöhnten sich meine Augen daran und nahmen die Umrisse der Gegenstände wahr, nur schwer konnte ich mich wieder in meinem eigenen Zimmer orientieren.

Mein Kopf brummte und schmerzte. Als ich meine Hand auf meine Stirn legte, spürte ich den Schweiß und die Hitze, die von der Haut ausgingen. Stolpernd stand ich auf, versuchte meinen Weg an den am Boden liegenden Brüdern vorbei zu finden. Ohne sie zu wecken schaffte ich es bis an die Tür und in den Flur. Zu meiner Überraschung brannte das Licht. Vorsichtig tapste ich auf dem Holzboden entlang zur Tür, die Sicht verschwommen. Erst als ich Stimmen hörte, blieb ich vollends stehen.

Ein Stockwerk höher hörte ich meine Eltern und Emma reden. Ein paar Wortfetzen drangen sogar bis zu mir durch und ich strengte mich an um sie zu verstehen und zusammenfügen zu können.

„Herkunft... fragwürdig... brauchen Hilfe", hörte ich meine Mutter sagen. Danach drang Emmas Stimme durch das Haus.

„Ja... Aber nicht sicher... was ist, wenn..."

Ich fluchte innerlich, als meine Schwester immer leiser wurde und ich sie immer schlechter verstand. Um mehr mitzubekommen lehnte ich mich leicht nach vorne, was ein Fehler war. Durch meine Gleichgewichtsstörungen kippte ich und musste einen Ausfallschritt machen, um mich abzufangen. Das Holz unter mir knarrte, und die Gespräche verstummten.

Ohnehin hatte ich keine Zeit mehr, länger zu zuhören. Einmal zusammengebrochen kollabierte mein Kreislauf förmlich, ich hielt mich verzweifelt an der Wand fest und zwang mich, meinen Mageninhalt drin zu behalten.

Starke Hände stützten mich auf einmal. Ich sah nicht hoch, konzentrierte mich auf meinen Körper. Sicher trugen sie mich ins Badezimmer. Meine kalten Füße spürten die noch kälteren Fliesen, eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus. Als ich in die Hocke gezwungen wurde und den Klodeckel an meinen Händen spürte, übergab ich mich endlich, und der Druck in meinem Inneren wich.

Endlich schaffte ich es, meinen Blick zu heben. Über mir sah ich das sorgen- aber liebevolle ovale Gesicht meines Vaters. Seine hellen Augen schauten mir entgegen, während seine kräftigen Hände mich hielten und mir meine Haare aus dem Gesicht hielten. Ich lächelte schwach und nickte, als Zeichen, dass ich fertig war.

Vorsichtig half er mir zum Waschbecken, machte schweigend einen Lappen nass und wischte mir den Mund sauber. Zitternd holte ich Luft, war mir nicht sicher ob ich alleine hätte stehen können.

Man sah meinem Vater an, dass er Notfallchirurg war. Seine sicheren Handgriffe, sein immer überlegter Blick, seine Gabe alles und jeden gleichzeitig beobachten und einschätzen zu können. Er war ruhig, denn in den stressigsten Augenblicken war er derjenige, an dessen Leben das eines anderen Menschen hing. Er war objektiv, betrachtete die Dinge immer aus einem anderen Blickwinkel und war zu meiner Mutter ein ruhiger Gegenpol, die im Gegensatz zu ihm eher die Aufgedrehtere war.

Doch die Arbeit als Mediziner hatte ihn auch abgestumpft. Nur selten sahen wir Gefühle von ihm. Er traute sich nicht, sie sich einzugestehen. Zu oft hatte er erleben müssen, wie Familien einfach zerbrachen, und aus Angst mit in die Trauer gezogen zu werden, schottete er sich einfach ab.

Wir sahen ihn selten, doch das war nicht schlimm. Manchmal unternahmen wir auch etwas mit ihm, dem ruhigen Part in dieser Familie, und diese Tage waren meistens die schönsten und entspanntesten die man überhaupt verbringen konnte.

Doch jetzt sah ich seine Sorge leicht. Ich entdeckte sie in seinen Augen und in der zu Falten gezogenen Stirn. Wieder versuchte ich mich mit einem Lächeln und flüsterte schwach: „Ich dachte, du hast heute Nachtschicht."

Die WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt