Nachdenklich starrte ich vor mich hin auf den Boden. Im Rhythmus der Schritte des Tieres unter mir veränderte sich jedes Mal mein Blickwinkel. Doch ich sah nicht wirklich, was unter mir lag. Viel mehr spürte ich diese innere Verzweiflung, die momentan drohte mir den Verstand zu rauben.
Leise flüsternd hatten Shay, Hailey und ich diskutiert, was als Nächstes geschehen sollte. Ich war nicht von der Meinung abgewichen, dass es das Beste wäre, meine Identität preis zu geben, doch Beide hatten vehement versucht mich vom Gegenteil zu überzeugen. Immer wütender werdend, weil schließlich sie es waren, deren Zeit davonlief, war mir ein etwas zu lauter Fluch über die Lippen gerutscht. Clara, die erst ziemlich ängstlich von ihrem Platz weiter vorne in der Karawane zu mir nach hinten gesehen hatte, hatte sich im Endeffekt ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen können. Doch dann hatte ihre Bewacherin sie an den Haaren gezogen und gezwungen, wieder nach vorne zu blicken, während zwei andere Krieger Shay, Hailey und mich genervt voneinander trennten. Nun ritt ich mit einer jungen Frau und einem älteren Krieger am Schluss.
Wir ritten ohne Pause, bis in die Nacht hinein. Dann, als kaum noch Licht da war und die Schritte der Hirsche immer langsamer wurden, hielten wir an.
„Legt sie getrennt voneinander in die Gruppen", wies der schwarzhaarige Junge seine Krieger an. „Das kleine Mädchen darf zu ihrer Schwester."
Ich drückte mich von dem Rücken meines Tieres und hörte es schwer schnauben. Mir blieben nur wenige Sekunden, bis man mich an meinen Handfesseln fort zehrte, doch die nutzte ich, um meine Stirn gegen die Erhitzte Flanke des Tieres zu legen. Clara durfte zu Hailey. Das war gut. Sie würde das Mädchen bis auf den Tod verteidigen, das wusste ich.
„Es tut mir so leid", seufzte ich leise zu niemand bestimmten. Der Hirsch jedoch senkte den Kopf, schnaube leise. Sein Körper zuckte, als ich fortgezogen wurde.
Clara war tatsächlich zu Hailey gebracht worden und mit einem erleichterten Schluchzer in ihre Arme gesunken. Ich hatte die Blicke des Mädchens, welches neben mir ritt, die ganze Zeit gespürt, sie waren zwischen meinen Freunden und mir hin und her gewandert.
Ich setzte mich auf eine dünne Decke, die man mir hingelegt hatte. Die junge Frau war mir dabei behilflich. Sie war überraschend vorsichtig im Umgang mit mir. Doch als ihre Hand nach meiner Kapuze griff, zuckte ich zurück.
„Okay", murmelte sie überrascht. „Aber ich möchte mir deine Wunden anschauen. In Ordnung?"
Jemand räusperte sich hinter uns. Ich spürte ihr Zögern und hörte, wie sie sich umdrehte.
„Was?", giftete sie. „Sie ist verletzt. Sie wird auch immer noch hier sein, wenn ich ihr das Blut aus dem Gesicht gewischt habe." Es kam keine Antwort. Stattdessen hörte ich, wie jemand in einem Rucksack wühlte. Dann plätscherte leise Wasser in ein Behältnis.
Eine Hand schob sich unter mein Kinn. Angst stieg in mir hoch. Was würde geschehen, wenn sie herausfand, dass ich schauspielerte? Doch das Mädchen machte sich nicht die Mühe, nach der Wahrheit zu suchen oder mich zu zwingen, die Augen zu öffnen. Stattdessen rann mir kurz darauf kaltes Wasser über die Wange und ließ mich zusammenzucken.
„Wie viele sind in jedem Camp?", fragte ich leise.
„Sechs. Euch nicht mit eingerechnet", antwortete mir das Mädchen. Ihre Stimme klang weich. Ich hätte gerne gewusst wie sie aussah. Ob sie auch so viele Bemalungen hatte wie die Anderen?
Ich bekam genug zu Essen und Wasser, doch durch die letzten Tage wurde mir davon nur schlecht. Mein Magen und Kreislauf hatte sich so sehr an den Entzug gewöhnt, dass ich kaum in der Lage war etwas Neues zu mir zu nehmen. Die fremde Waldläuferin hatte mir alles Blut aus dem Gesicht gewischt und meine Wunden versorgt. Ein steter Geruch von Kräutern benebelte meine Sinne ein wenig. Erst, als sie mich immer wieder aufforderte zu essen, nahm ich einige wenige Bissen. Mein Magen begann sofort zu rumoren, ich würgte
DU LIEST GERADE
Die Waldläufer
FantasyMein Name ist Diane. Ich erzähle eine Geschichte, die mir niemand glauben wird. Kein Mensch zumindest. Ob du es tun wirst, weiß ich nicht. Das werde ich auch nicht herausfinden, denn ich schätze, wir werden uns niemals persönlich treffen. Aber n...