Kapitel 11 [überarbeitet]

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„Das Mädchen aus Feuer. Also wirklich, ich habe schon viel über dich und deine Berufung gelesen, aber sowas noch nie. Nicht einmal gehört. Und Adams hat dir wirklich gesagt, das wäre die Prophezeiung?"

„Adams?", fragte ich, weil es das erste war was mir in den Kopf schoss.

„Ja, die Lehrerin", lachte Alexis.

„Im Unterricht müssen wir die Lehrer mit ‚Miss' oder ‚Sir' anreden. Wenn du sie draußen triffst ist sie aber die Lehrerin Adams."

„Obwohl ihr im Wald wohnt habt ihr die gleichen Namen wie wir Menschen. Erstaunlich", stellte ich fest.

„Diane." Ich sah überrascht zu Alexis, die mich schon fast tadelnd anblickte. Sie führte mich durch eine Tür in ein kleineres Baumhaus als vorher, in dem bis jetzt noch niemand saß.

„Hast du das etwa immer noch nicht gemerkt? Unser Volk ist genauso wie deines auch, und auf die Definition achtend sind auch wir Menschen. Wir sind nur etwas... anders entwickelt. Aber wenn man es sich genau anschaut, sind die Menschen, von denen du kommst, von den Vorfahren der Waldläufer abstammend. Wir sind also sozusagen Cousin und Cousine."

„Und wer übernimmt den männlichen Part?", fragte ich herausfordernd, während sich in mir die Frage auftat, wer die Vorfahren der Waldläufer waren. Doch zum jetzigen Zeitpunkt waren andere Sachen eindeutig wichtiger.

Alexis lachte.

„Das war ein Beispiel!", rief sie, während zwei weitere Mädchen den Raum betraten. Sie betrachteten mich kurz, vertieften sich dann jedoch in andere Gespräche, was mir ganz Recht war.

„Aber was ich damit sagen will – und das sagt man hier am Besten nicht zu laut – selbst wenn wir immer versuchen uns von den Menschen außerhalb des Waldes abzuheben, sind wir eigentlich ganz genauso."

Mit der Zeit strömten immer mehr Schüler in die Klasse und Alexis wurde von einem sympathisch aussehenden Jungen mit schwarzen Haaren abgelenkt, der sie fragte wie ihr außerunterichtlicher Unterricht bei den Sterndeutern denn so liefe und es ihrer Familie gehe. Ich klinge mich schnell aus dem Gespräch aus und dachte über das Geschehene nach.

Alexis hatte Recht, die Waldläufer hatten sich ähnlich aufgestellt wie die Menschen und teilten sogar ihre Namen. Es war ihnen aber trotzdem unheimlich wichtig, nicht selbst als Mensch – oder Zivi, wie Alexis sie nannte – darzustehen. Sahen sie es als Beleidigung? War der Mensch, der außerhalb dieses Waldes lebte, weniger wert, weil er keine Magie besaß? Oder nicht durch die Bäume fliegen und mit Tieren reden konnte?

„Guten Morgen", unterbrach uns eine feste Stimme und der schwarzhaarige Junge setzte sich schnell auf einen Stuhl vor uns, den Kopf geradeaus gerichtet zu dem Holzpult, an dem der Lehrer gerade seinen Rucksack fallen ließ und in die Klasse schaute, um sich zu vergewissern.

„Der Rucksack", flüsterte ich Alexis zu, die mir sofort einen warnenden Blick zuwarf.

„Der kommt von den Menschen."

„Leserin", unterbrach der Mann mich und richtete meine Aufmerksamkeit zu ihm.

„Ich hörte bereits von der Lehrerin Adams, dass Ihr unterrichtet bei nahmt. Ich denke, sie hat Euch über die Verhaltensregeln innerhalb der Klassenräume aufgeklärt?"

„Ja, Sir, tut mir leid", murmelte ich und senkte den Kopf.

„Aber, aber, Leserin, kein Grund sich zu schämen! Ihr seid in meinem Unterricht herzlich willkommen und ich bin sehr froh darüber, Euch kennen zu lernen."

Mein Kopf schnellte nach oben. Der Blick des Lehrers traf meinen und in seinen grünen Augen lag eine immense Tiefe.

„Mindestens genauso froh, wie es die Lehrerin Adams auch war. Es brechen große Zeiten für den Wald an, denkt Ihr nicht?"

Die WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt