Kapitel 37 [überarbeitet]

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„Bring mich zurück!"

Flynns laute Stimme hallte durch den Wald. Er keuchte, hustete laut und stöhnte auf, nachdem sich seine Worte ihren Weg an die Oberfläche gebahnt hatten. Blut lief ihm aus der Nase, so wie mir, und wenn es ihm auch nur ähnlich erging wie mir, musste sich sein Kopf anfühlen als wollte er zerspringen.

Mit zusammengebissenen Zähnen ließ ich mich langsam auf den Rücken fallen. Die Vernunft in meinem Inneren versuchte mich daran zu erinnern, dass ich die Kontrolle behalten musste, dass wir schutzlos waren, doch ich konnte nichts tun. Der Schmerz war zu stark.

Ich hörte, wie Flynn sich unter Schmerzen über den Waldboden robbte und dann neben mir zusammensackte. Seine Augen funkelten wild.

„Du musst mich zurückbringen, Diane, bitte!"

„Ich kann nicht", flüsterte ich. Mit meinem Ärmel wischte ich mir das Blut aus dem Gesicht. Beißender Schmerz schoss meinen Arm hinauf. Als ich ihn betrachtete und mein blau angelaufenes Handgelenk sah, fluchte ich. In Erinnerung an die Messerstiche schob ich mein T-Shirt nach oben. Und tatsächlich, dunkelrote Schrammen warenverteilt auf meiner Haut zu erkennen.

„Ach du... Verdammt, war ich das etwa?", fluchte Flynn. Langsam hob er die Hand, als wollte er die Schrammen berühren, doch mitten in der Bewegung hielt er inne. Ich wollte aufstehen, doch mein Körper verkrampfte sich und ich ließ mich zurück ins Unterholz fallen.

„Wie kann es sein, dass es dir so gut geht?", fragte ich verwundert und schloss die Augen, zwang mich dazu die Beherrschung nicht zu verlieren. Tränen des Schmerzes lagen hinter meinen Lidern, doch ich war nicht dazu bereit sie zu verlieren.

„Ich weiß es nicht", murmelte Flynn. Ich hörte, wie er stockte. Sein Umhang raschelte als er sich im Schneidersitz aufsetzte.

Langsam öffnete ich wieder die Augen und sah hoch zu dem dunkelhaarigen Waldläufer. Gedankenverloren betrachtete er das Armband, aus dem noch vor wenigen Sekunden seine verstorbene Familie gekommen war.

„Was war das gerade?", fragte er. „Wann kann ich zurückgehen?"

Ich lachte trocken auf und schüttelte den Kopf.

„Das ist nicht gerade ein Sommerurlaub, wie du es vielleicht bemerkt hast", spottete ich und spürte, wie langsam Wut in mir aufstieg. Ich lag hier, konnte mich kaum bewegen, und das einzige woran er dachte war, wieder zurück in diese furchteinflößende Dunkelheit zu können.

„Diane, bitte..."

„Es reicht!", rief ich nun und stöhnte. „Flynn, bevor wir zurück können sind andere Dinge sehr viel wichtiger. Zum Beispiel die Frage, wie deine Mutter an die Seelenbänder geraten ist und wieso, bei allen vier Waldgeistern, sie ihren wertvollsten Schatz meiner Schwester weitergegeben hat. Und wie, um Himmels Willen, warst du in der Lage die Bilder zu beeinflussen?!"

„Ich weiß es nicht." Flynns Worte kamen zögerlich, langsam, als habe er Angst etwas Falsches zu sagen. Mir wurde bewusst, dass er sich all diese Fragen selbst stellen musste, aber ich, die ich ihm nun auch noch Vorwürfe zu machen schien, war nicht unbedingt eine Hilfestellung. Das alles musste für ihn verwirrender sein als für mich.

„Du hörst gar nicht mehr auf zu bluten", sagte Flynn nach einigen langen Minuten. Vorsichtig zog er ein dunkles Tuch aus seiner Tasche und begann damit, mir das frische Blut aus dem Gesicht zu wischen. Seine freie Hand legte sich auf meine glühende Stirn.

In dem Moment, als seine Haut meine berührte, breitete sich eine ungeahnte Kühle in meinem ganzen Körper aus. Fast keuchte ich, zwang mich aber dazu, mir nichts anmerken zu lassen. Mein Blick wanderte zu Flynn, wie er gedankenverloren mein Gesicht bearbeitete aber sich an einem gänzlich anderen Ort zu befinden schien. Er hatte nichts bemerkt von der Magie, die er ausstrahlte.

Die WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt