Ich versuchte vorsichtig die Augen aufzuschlagen, doch getrocknete Tränenflüssigkeit hatte meine Augenlider verklebt. Statt Licht behielt die Dunkelheit die Oberhand.
Langsam drangen Stimmen an meine Ohren, doch sie waren noch so leise, dass ich sie kaum wahrnahm geschweige denn hörte was die Personen zu sagen hatte. Um langsam wieder Herr der Situation zu werden, konzentrierte ich mich auf meine anderen Sinne. Der Geruch von Kräutern stieg mir in die Nase und der Geruch der Geschwister Alexis und Gabriel, der mir in den letzten Wochen so bekannt geworden war. Auch Emma konnte ich riechen. Den Geruch einer Schwester vergisst man nie.
Abgesehen von diesen Wiedererkennungen war es mir ein Rätsel, wer sich noch neben mir befand. Ich wusste, dass da noch mehr waren, das erkannte ich durch die Stimmen. Diese konnte ich zwar nicht hören, aber die Stimmlagen waren mir unvertraut, was verriet, dass mindestens einer dabei war den ich nicht kannte.
Mein Tastsinn kam langsam zurück, meine tauben Finger wurden wärmer und kribbelten. Mein Herz begann schneller zu pochen, aus Angst die Magie sei noch immer da, darauf wartend auszubrechen. Doch schnell wurde mir bewusst, dass ich mich täuschte. Jegliche Magie war fort und keine Elektrizität mehr in mir vorhanden. Ich fühlte mich so ausgelaugt von dem Geschehenen, als ob jemand mir alle Kraft geraubt hatte.
Bevor meine Gedanken zu John wichen und mich dazu zwangen über ihn nachzudenken und das was ich wohl angerichtet hatte, versuchte ich auszumachen wer mich in gleichmäßigen Abständen mit dem Daumen berührte und kurz über die Haut meiner Handfläche strich. Es war raue Haut, viel zu furchig als dass sie Emma oder jemand anderem den ich kannte gehören konnte. Jedes Mal, wenn der Finger des Fremden über meine Haut strich, reagierten meine Nerven und meine Finger zuckten.
Auch auf meiner linken Seite spürte ich eine Hand, diese jedoch lag ruhig auf meinem zugedeckten Arm und rührte sich nicht. Jemand hatte sie dort abgelegt und nicht mehr bewegt, als ob er sicher sein wollte, dass ich nicht einfach so verschwand.
Die Blase um meinen Kopf platzte und die Stimmen wurden lauter. Noch war ich nicht bereit an Gesprächen teilzunehmen und zu offenbaren, dass ich wach war, also hörte ich einfach zu, während der Daumen erneut die Finger meiner rechten Seite zum Zucken brachte.
„Sie muss endlich lernen mit ihrer Kraft umzugehen. Wer kann es sie lehren, Heiler?"
Es war ganze eindeutig Elijahs Stimme. Der Nachdruck ließ vermuten wie wichtig ihm die Angelegenheit war und ich hegte ebenso den Verdacht, dass die Meisterin ihn geschickt hatte. Dass die zukünftige Meisterin sich nicht unter Kontrolle hatte durfte nicht zur Regel werden.
„Natürlich muss sie das, Blätterkrieger", ertönte eine ältere Stimme die ich nicht erkannte. Ihr ordnete ich aber den rauen Daumen an meiner Hand zu. „Aber wer soll es ihr beibringen? Die junge Leserin hat Kräfte, die niemand von uns erahnen kann und die nur die Urwäldler selbst erklären können. Wie also wollt Ihr ihr zeigen wie sie das unbändige Gefühl in ihrem Inneren zähmen kann?"
„Ich weiß es nicht, ehrlich. Aber etwas muss es geben."
„Wisst Ihr, was das viel größere Problem ist als ihre Magie? Dass sie nicht einschätzen kann wofür sie sie gebrauchen soll. Sie weiß, dass sie sie besitzt, sie fühlt sie Tag für Tag. Keiner von den hier Anwesenden kann sich vorstellen was es bedeutet so viel Macht zu besitzen, nicht einmal Ihr, Träumerin." Er hatte sich wohl an Alexis gerichtet, die irgendwo im Raum sein musste, so wie ich es bereits vermutet hatte. „Sie träumt lebhafter als wir, lebt lebhafter, sieht mehr, fühlt mehr. Das bringt Magie mit sich. Aber die junge Leserin kann es nicht fokussieren. Wofür schon soll sie ihre Kräfte nutzen? Für den Schutz ihrer Geschwister? Nein, denn Ihr, Tochter der Menschen, Ihr kommt ohne sie zurecht." Dieses Mal war es Emma die, die angesprochen wurde. Tochter der Menschen. Wie seltsam das klang, und trotzdem hörte ich keinen bösen Unterton heraus.
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Die Waldläufer
FantasyMein Name ist Diane. Ich erzähle eine Geschichte, die mir niemand glauben wird. Kein Mensch zumindest. Ob du es tun wirst, weiß ich nicht. Das werde ich auch nicht herausfinden, denn ich schätze, wir werden uns niemals persönlich treffen. Aber n...