Kapitel 17 [überarbeitet]

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Stille legte sich als dicker Mantel um unsere Körper. Die kleinen Tiere, die ich eigentlich bezweckt hatte zu rufen, schienen sich langsam zu verabschieden, bis nur der Seher und ich übrig blieben, schweigend, jeder für sich alleine.

Ein Geräusch schreckte uns Beide auf. Ohne Erklärung war mir klar, dass kein anderer hiervon erfahren durfte, zumindest die nächste Zeit nicht. Sollte jemand diese Begegnung mitbekommen haben, würde das nichts Gutes bedeuten.

Ich war vor Schwäche in die Knie gesunken, doch jetzt war ich wieder voll da. Meine Aufmerksamkeit war auf die vorsichtigen Geräusche vor uns gerichtet, meine Hände lagen auf dem Knauf meiner Schwerter.

„Nicht." Ich zuckte zusammen. Der Seher war neben mir aufgetaucht, legte seine Hand zum zweiten Mal an diesem Tag auf meine.

„Vergesst nicht, Euer Geschenk."

„Und wenn es nicht...", begann ich, doch der Waldläufer unterbrach mich schnell.

„Es ist es, vertraut mir."

Das tat ich, wirklich, doch es geschah zu viel in letzter Zeit als dass ich blind vertrauen würde. Ich zog mein Messer aus seiner Halterung und schritt vorsichtig auf das Rascheln zu. Langsam, ohne laute Geräusche und hektische Geräusche, schritt ich voran, einen Fuß vor den anderen setzend. Dann, hinter einem kleinen Busch, sah ich weißes Fell glitzern. Vielleicht hatte der Seher Recht, vielleicht war das da tatsächlich das, was die zehn Tiere mir hinterlassen hatten. Meine Hand sank ein wenig, doch das bald darauf bewegte sich das Weiße wieder und reflexartig spannte ich mich wieder an.

Es erhob sich. Es war ein Tier, dessen war ich mir mittlerweile sicher. Doch wie sollte ich ihm begegnen? Und was sollte ich tun? Mein Herz schlug mir bis zum Hals, schien ab und zu den Takt zu verlieren und neu anzufangen.

„Leserin." Die Stimme des Sehers klang bestimmt. Seine Augen waren hart, als ich mich umdrehte blitzten sie mir entgegen.

„Gebt mir das Messer. Jetzt. Das ist nicht der richtige Weg."

Ich öffnete den Mund, wollte wiedersprechen, da begann das Tier vor uns zu knurren. Zähne wurden gefletscht und das bösartige Geräusch eines angreifenden Hundes wurde immer lauter.

„Los jetzt", fauchte der Seher. „Ich weiß Ihr habt Angst, aber es wird Euch nichts tun."

Zitternd steckte ich die Waffe weg. Zwar bekam sie nicht der Waldläufer in die Hand, doch benutzen würde ich sie auch nicht.

Ich machte ein paar Schritte von dem Tier weg und wartete, dass es auf mich zu kam. Das Knurren hörte nicht auf, stattdessen wurde es immer lauter und hörte sich immer bedrohlicher an. Auch wenn der Seher versuchte seine Angst zu verbergen, ich konnte genau sehen, dass auch er auf alles gefasst war.

Dann trat zuerst eine Tatze das Gras beiseite, es folgte eine weitere. Ein großer Kopf wurde sichtbar, gelbe Augen, gefletschte Zähne.

Ich stand zum zweiten Mal an diesem Tage vor einem ausgewachsenen Wolf. Er war lange nicht so groß wie der König, doch trotzdem war seine Größe beachtlich. Sein weißes Fell glänzte in dem Nebel feucht, der mit dem Verschwinden der vier Tierarten wiedergekommen war.

„Alles gut", flüsterte ich, die Hand instinktiv vor mich gestreckt, wie bei einem Hund. Wie sollte ich mit einem Wolf zurechtkommen?

Der Blick des Tieres glitt zu dem Waldläufer. Dieser schien eine leichtere Beute darzustellen, er war alt, verunsichert und kleiner als ich. Ich sah, wie der Wolf zum Sprung ansetzte, sich bereitmachte. Blitzschnell lief ich auf die Beiden zu.

„Halt!", rief ich. Die leuchtenden Augen glitten zu mir, seine Aufmerksamkeit war für einen Moment von dem alten Waldläufer abgelenkt.

„Bitte, ich weiß, du hast Angst, aber wir sind deine Freunde."

Die WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt