Kapitel 48 [überarbeitet]

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Starke Hände rissen mich nach oben. Ich stolperte, wurde aufgefangen, weitergezogen.

„Renn, renn, renn!!", schrie Ethan mir ins Ohr. Panik durchflutete mich. Was geschah hier gerade?!

Hektisch sah ich mich um, sah links und rechts neben mir die restlichen Fünf. Tränen liefen Hailey übers Gesicht, sie wurde gezogen von Serena. Shay sah sich gehetzt um, rannte hinter ihrem Trainer her und sprang über den Fluss, der vom Wasserfall aus durch den Wald lief. Ich drehte den Kopf. Der dunkelhäutige Trainer hinter uns lag mit aufgerissenen Augen blutend auf dem Boden, ein Neris zog gerade sein Speer aus seiner Brust. Als die Frau den Blick hob, waren ihre Augen gänzlich schwarz.

Ich folgte Shay, sprang auf einen Stein und dann weiter auf die andere Flussseite.

Clara!, schoss es mir durch den Kopf. Ich blieb stehen, spürte die Wucht Ethans, der aus dem vollen Rann heraus gegen mich lief und mich weiter ziehen wollte.

„Clara!", schrie ich schrill. Das weiße Fell Thembas leuchtete in der Dunkelheit. Meine Wölfin sprang mit einem riesigen Satz über das Wasser, auf ihrem Rücken die kleine Leserin.

„Renn, verdammt nochmal!", schrie Ethan mich an und zog mich weiter. Wir waren nun ans Ende der Fliehenden gefallen. Außer Haileys Trainer schien bis jetzt noch niemand gestorben zu sein. Aus dem Wald sprangen plötzlich zwei weitere Neris, ihre Augen erfüllt von Finsternis. Clara schrie auf und Themba stoppte abrupt, sprang nach links und duckte sich zwischen den Verrätern hindurch. Einer von ihnen zielte mit dem Speer auf Clara, ich sah die Waffe sich bereits in ihre kleine Brust bohren. Doch ein Fuchs schoss aus dem Gebüsch, biss einem der Neris in die Ferse. Ein gelber Pfeil zischte durch die Dunkelheit, durchbohrte den Magen des Anderen. Eine Person sprang aus den Bäumen, sie hielt etwas, das aussah wie eine hohle Sonne, doch kleine Klingen waren an ihrer Seite aufgereiht. Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte der blonde Junge die Kehle des Neris' vor sich aufgeschlitzt.

„Soli", flüsterte ich überrascht. Und tatsächlich, es handelte sich um Soli und seine große Schwester Katika. Der kleine rote Fuchs nahm innerhalb der nächsten Sekunde die Gestalt von Ketu an. Er trug einen langen Mantel der auf seinem Kopf mit einem Fuchskopf endete.

Keiner hatte Zeit länger darüber nachzudenken, was da gerade geschehen war. Sie hatten Claras und wahrscheinlich auch Thembas Leben gerettet und damit auch mich, doch niemand hatte Zeit das wirklich zu realisieren.

„Weg von der Felswand!", rief nun Katika. Sie trug an ihrer Seite einen ähnlich großen Stock wie es Gabriels Trainerin tat. Diese hatte das Mädchen im gleichen Moment erblickt und lenkte uns nun ebenfalls fort von der Felswand, wieder hinein in den Wald und in Richtung Dorf.

Ich hatte mich nicht getäuscht. Die alte Frau hatte nie eine Gehhilfe gebraucht. Stattdessen riss sie nun mit beiden Händen den dicken Holzstab in die Luft, so wie auch Katika.

„Meridoa geringa deligabre!!", riefen beide gleichzeitig. Mit einer enormen Druckwelle stießen sie die Holzstäbe in den Boden. Dieser begann zu beben, die Bäume bewegten sich unnatürlich.

„Renn weiter!", schrie mich Ketu an und schubste mich so stark, dass ich beinahe hinfiel. In der Zwischenzeit wiederholten Katika und die alte Trainerin ihre Worte. Ich hörte die Wurfmesser durch die Luft fliegen, sah, wie sich eines von ihnen in den Bauch der alten Frau bohrte.

„Nein!", schrie nun Gabriel. Er wollte zurückrennen, doch Serena hielt ihn fest und schleuderte ihn in die entgegengesetzte Richtung. Vollkommen fassungslos sah ich, wie die Frau trotz der Klinge in ihrem Bauch stehenblieb. Wieder hob sie ihren Stock, so wie Katika. Wieder wiederholten beide die Worte, wieder schleuderte uns eine Druckwelle einige Meter weiter in den Wald.

Die WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt