Kapitel 25 [überarbeitet]

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Ich wusste nicht, weswegen ich letztendlich aufwachte. Vielleicht war es mein verspannter Rücken, die Tatsache, dass um mich herum überall Stöhnen zu hören war oder einfach nur mein Gewissen, dass mich daran erinnerte, dass mein Leben weitergehen musste.

Ächzend zog ich mich nach oben. Mein Blick blieb an John hängen, der ruhig atmend vor mir auf dem Bett lag. Es war noch nicht allzu lange her, da war ich der Grund dafür gewesen, dass er hier gelegen hatte. Doch jetzt waren seine Verletzungen sogar noch schlimmer.

Man hatte ihn noch mit dem Messer im Bauch zu den Heilern gebracht, die während des Kampfes im Krankenhaus auf die Verwundeten gewartet hatten. Diese waren zwar in der Lage gewesen, ihm die Waffe aus dem Leib zu holen und am Leben zu erhalten, doch aufgewacht war er nicht. Viel mehr tauschte sein Zustand zwischen Fieberträumen und ohnmächtiger Stille.

Ich war direkt heute Morgen hergekommen, zu dem unter der Erde liegenden Haus, und hatte Avas dringliche Bitte ignoriert Emma und sie zu besuchen. Calum jedoch hatte ich noch bis zu seiner Höhle zurückgebracht. Auch er hatte tapfer gekämpft, doch an der Reaktion des Bären konnte ich deutlich erkennen, dass er sich forstgeschlichen hatte. Sorgenvoll hatte ich das Tier beobachtet, wie es laut brüllend auf meinen Bruder zugelaufen war, doch der hatte einfach nur stillgestanden und hatte die Tirade, die unverständlich über ihn hereingebrochen war, einfach hingenommen. Im Endeffekt gesehen musste ich über ihr Verhältnis lächeln. Doch als ich im Krankenhaus angekommen war, war dieses kleine Fünkchen von Glück wie fortgewischt worden.

Die Betten lagen voll mit Waldläufern. Einige schliefen, andere wiederrum schrien in wilden Träumen oder unter Schmerzen. Kurz vor Johns Bett hatte ich gesehen, wie ein Heiler die Decke über den Kopf einer Frau gezogen hatte.

Das war das Schlimmste am Krieg. Er kostete sogar noch Opfer, wenn der Angriff längst vorbei war. Die Nachwirkungen der langen, todbringenden Waffen der Gelben würden noch den ganzen Tag über Leben kosten.

Ein junges Mädchen hatte sich mir als Johns Schwester vorgestellt und zu seinem Bett gebracht. Ihre Mutter lag selbst hier, doch ging es deutlich besser. Johns Oberkörper war freigelegt und mit einem weißen Verband gänzlich umwickelt worden. Er roch nach bitteren Kräutern und dem Gestank des Todes.

Jetzt, um die Mittagszeit, war das Mädchen selbst eingeschlafen. Ich schätzte sie auf etwa zehn. Vorsichtig stand ich auf, fröstelnd, obwohl es warm war. Über uns, durch die Glasdecke, schien die Sonne und erleuchtete die Betten mit den weißen Decken. In der Ferne konnte ich eines mit einer dunklen Verfärbung sehen. Schnell sah ich fort.

Vorsichtig zog ich eine Decke aus einem Wandregal und legte es über das kleine Mädchen. Ich dachte an Johns Bruder und fragte mich, wo dieser wohl war. Vielleicht bei der Mutter? Freunden, die sich um ihn kümmerten?

Das Kind atmete tief ein, bewegte sich im Schlaf und jammerte leise. Dann wurde sie wieder still und nur die Bewegungen ihre Augen unter den Lidern verriet die wilden Träume. Fast dachte ich daran, sie zu wecken, doch ich wusste, dass ich noch vor ihr eingeschlafen war. Solange sie keine Anzeichen eines Alptraumes zeigte, würde ich sie schlafen lassen. Behutsam legte ich ihr meine Hand auf die Stirn und wartete, bis sich ihr Geist wieder beruhigte. Dann tapste ich wieder zurück zu meinem eigenen Stuhl.

Ich konnte nicht mehr schlafen. Mein Rücken schmerzte von der unangenehmen Position, in die ich heute Morgen gesunken war, und meine Gedanken hatten mich wachgemacht. Vorsichtig beugte ich mich nach vorne und strich John eine seiner dunkelblonden Haarsträhnen aus dem Gesicht. Es kribbelte mir in den Fingern, ihn zu heilen, doch man hatte mir erklärt, dass das nicht möglich war.

„Es kann sein, dass sein Körper die Magie in einer so kritischen Lage abstößt", hatte mir ein alter Heiler erklärt. „Ähnlich wie ein Körper, der ein Organ transplantiert bekommt. Wenn das geschieht, ist die Wahrscheinlichkeit zu hoch, dass sein Herz gänzlich aufhört zu schlagen."

Die WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt