Kapitel 14 [überarbeitet]

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Emma hatte meine Locken definiert, Perlen und Federn in kleine Zöpfe geflochten und diese in meine restlichen offenen Haare eingegliedert. Dann war sie mit Schminke gekommen und hatte meine bunten Augen mit einem zarten rot und schwarz als Hingucker umrandet. Sie war unfassbar begabt darin mich fertig zu machen, und so sah ich nach der ganzen Prozedur tatsächlich fast so aus wie eine junge Königin.

„Möchtest du die Meisterin provozieren?", fragte Emma mich, nachdem sie ihr Werk betrachtet hatte. Ich sah in ihren traurigen Augen einen Schimmer von Schelm. Schnell nickte ich. Meine Schwester lächelte zart und ging zu der Anrichte, auf der etwas lag das ich bis dahin noch gar nicht wahrgenommen hatte. Als sie zurückkam lag in ihren Handflächen ein Kranz, geflochten aus Blumen und biegsamen Ästen.

„Wow", sagte ich und spürte wie meine Kette wärmer wurde. „Die sieht wunderschön aus."

Emma lächelte leicht und wartete, bis ich den Anhänger unter dem Stoff des Kleides hervorgezogen hatte.

„Tut sie weh?" Ich schüttelte den Kopf.

„Es ist eher eine angenehme Wärme. Ich würde sagen, die Geister sind begeistert von dir." Ich zwinkerte ihr grinsend zu, hielt sie aber auf als sie mir die Waldkrone aufsetzen wollte.

„Da fehlt noch etwas", murmelte ich leise und schloss meine Hände um den Kranz, die Augen geschlossen. Wie gehofft spürte ich das Kribbeln in meinem Körper und bald darauf wusste ich, dass mein Plan aufging. Als ich die Augen wieder öffnete, hatten sich kleine Efeublätter mit in das Gesteck geflochten und vollendeten das Werk.

„Efeu. Dein Zeichen?", schloss Emma und ich nickte.

„Das hier war Avas Idee. Sie hat mir geholfen und gesagt, das wäre versprochen provokant."

„Dann richte Ava meinen Dank aus, es war eine tolle Idee."

Emma legte mir den Kranz auf den Kopf, drückte ein wenig und schob ihn so, dass er gut hielt. Dann bückte sie sich, damit sie auf gleicher Höhe war wie ich. Sie legte ihre Hand auf meine Wange und ihre Augen wurden ein wenig glasig.

„Ich bin sehr stolz auf dich. Ich weiß, dass du das kannst. Und egal was du brauchst, ich werde dir immer helfen und immer für dich da sein, okay?" Ich nickte, ebenfalls den Tränen nahe.

„Es tut mir so leid, was du alles wegen mir durchmachen musstest. Ich wollte nie..."

„Ich weiß, Kleine. Aber lass uns eines klarstellen: Nicht du hast sie getötet, das waren diese Monster. Und wir werden sie aufhalten, in Ordnung?"

Ich nickte.

„Gut. Du solltest dich jetzt auf den Weg machen."

Ich schluckte schwer und ließ mir von Emma den Mantel umlegen. Schwer lag er auf meinen Schultern, der Stoff war edler als der der Umhänge, die ich zur Schule oder zum Training anzog.

„Diane?"

Noch einmal drehte ich mich um, sah, dass etwas meine Schwester belastete.

„Das mit der Kette, der Anhänger..." Sie deutete auf ihr eigenes Dekollete, als ob sich dort plötzlich ebenfalls ein Anhänger befand. Ich wusste worauf sie hinaus wollte.

„Stimmt es? Sind sie da drin?"

„Ja", hauchte ich, nicht in der Lage mehr dazu zu sagen. Emma nickte zitternd und presste die Lippen aufeinander.

„Okay", antwortete sie vorsichtig.

***

Es war abgekühlt, die Sonne hatte sich hinter ein paar Wolken versteckt und die kommende Nacht akzeptiert. Wie ich da alleine über die Hängebrücken in Richtung Haupthaus lief wurde mir bewusst, wie stark ich dieses Leben mittlerweile akzeptiert und mich darin eingefunden hatte. Vorsichtig ertastete ich das Messer in der Innenseite meines Mantels, welches ich mittlerweile nie irgendwo liegen ließ und immer bei mir trug. Zu groß war die Angst eines Angriffes, die Furcht davor, dass ich wieder zusehen musste, wie ein geliebter Mensch starb.

Die WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt