4. Kapitel

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Ich brach in Schweiß aus. in kalter Schauer lief mir den Rücken herab. Die Augen des Mannes verengten sich zu Schlitzen. Keine Menschenseele war in der Gegend. Es begann zu leicht zu regnen. Ich spürte die kaltenTröpfchen auf meiner Haut. "Was sollte das?", unterbrach mein gegenüber das Schweigen. "Wieso verfolgst du mich, Leonie?", fragte er und zog meinen Namen spöttisch in die Länge. Ich schweigte ratlos. "Sprich mit mir!", formulierte er deutlich. Ich wusste nicht was ich nun tun sollte. Wegrennen? Oder schreien? Ich war hilflos. Und das merkte er. Langsam begann er verschwörerisch zu lächeln. Meine Augen weiteten sich vor Angst. "Du", betonte er, "kommst jetzt mit", befahl er. Ich war nicht dazu instande meine Füße anzuheben. Ich öffnete leicht den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. "Mädchen!", rief er nun "Du sollst mitkommen! Haben wir uns verstanden?!" Ich starrte ihn wieder ängstlich an. Er redete nicht länger sodern packte mich schmerzhaft am Handgelenk. Ich zog mich unsanft hinter sich her, über die Straße, an den Mülltonnen vorbei. "Hilf....", begann ich zu schreien doch brachte mich gleich zum Schweigen, indem er deine Hand auf meine Lippen presste. "Klappe!", zischte er und drückte dabei die Zähne fest aufeinander, um anscheinend seine Wut zuzügeln und abzubauen. Ich hatte Angst. "Du", begann er erbost, "kommst jetzt schön mit und dort bleibst du auch! Wenn du Glück hast, kommt heute noch ein einigermaßen netter Mensch vorbei und befreit dich. Das glaube ich aber kaum. ir sind hier in einer abgelegenen Gegend. Du kannst froh sein, wenn übermorgen jemand kommt! Tja, wenn nicht, musst du dort wohl etwas länger verweilen." Er lachte dreckig. Wieso... befreien?! Was hatte dieser komische Mensch da vor mit mir?! Meine Augen wurden größer und verschreckter. Er blieb stehen, schubste mich aber weiter. Er kam noch einen Schritt auf mich zu und schob mich schließlich gewaltvoll in eine... Telefonzelle!!! Nein... bitte... nein! Er lächelte mich wieder mit diesem überheblichen ich-bin-stärker-als-du-und-kann-machen-was-ich-will-Lächeln an. "Bis bald", flüsterte er und bewegte deutlich seine spröden, leicht gräulichen Lippen. Dann knallte er mit Wucht die schwere Eisentür zu und hängte ein schweres Schloss davor. Den Schlüssel nahm er mit spitzen Fingern, küsste ihn theatralisch und warf ihn in hohem Bogen davon. Anschließend winkte er mir und stapfte davon. Das letzte, was ich hörte, war das laute Motorradgeräusch. Jetzt war ich allein.

Mir blieb der Mund offen stehen. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Ich war in einer Telefonzelle eingesperrt, die mitten im verlassen, toten Viertel der Stadt stand. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herab. Ich war verloren. Ich dachte an Sophie, die gefangen in dieser Fabrik hockte. Sie war verloren. Wir waren verloren. So hatte ich mir diese Spionage-Aktion nicht vorgestellt...Wieso war ich bloß so kindisch?

Ich zog meine hellblaue Strickjacke aus meinem Rucksack und zog sie mir über mein blau-weiß-gemustertes vom Regen durchnässtes T-shirt. Auch meine Hose war nass. Der Regen spülte gerade den Dreck von den staubigen, abgenutzten Straßen. Es fegte ein kalter Wind durch die vielen, verlassen Gassen, das sah ich durch die vielen herumwirbelnden Papierstückchen, Flaschen und Blättern. Ich ließ mich auf den Boden sinken und zog meine Beine eng an meinen Körper heran. Dann schlang ich meine Arme herum und ließ meinen Kopf sinken. Leise begann ich zu weinen. Ich dachte wieder an meine Freundin, die ich einfach allein gelassen hatte. Und ich saß hier herum und konnte nichts tun. Eine ganze Weile saß ich so da bis ich mich aufraffte und wild und kräftig gegen die Glaswand schlug. Ich hoffte, dass sie zersprang doch es geschah nichts. Irgendwann verlor ich die Hoffnung, stieß einen verstörten Schrei aus und setzte mich wieder auf den Boden. Ich fischte mein Handy aus der Tasche und nahm die hintere Klappe ab. Es war nur noch leicht feucht! Also pustete ich es etwas trocken, nahm dann einen Zipfel meines inzwischen trockenen T-shierts und wichte die letzten Tröpfchen weg. Ich steckte die Klappe wieder drauf und schaltete es ein. Glück gehabt, dachte ich. Als es fertig hochgefahren war, checkte ich meine Nachrichten. 2 von Anne, 1 von Mama. Anne schrieb:

"Wo bist du?" (11:27 Uhr)

"Antworte endlich, Leonie!" (12:53 Uhr)

Jetzt war es 16:58 Uhr. Ich sitze also schon über eine Stunde hier fest.

"Leonie, ich würde wirklich gerne wissen, wo du solange steckst! Ich weiß zwar, dass du mit Sophie für die Schule arbeitest, aber wo bist du solange? Ich warte auf deine Antwort. Wenn du nach hause kommst, bring bitte eine Packung Nudeln mit? Danke. Bitte melde dich, sobald du das liest! Danke. Mama", das war Mamas SMS. Gerade, als ich eine Antwort formuliert hatte und sie absenden wollte, zeigte mein Handy eine Fehlmeldung an. Mein Guthaben war alle. Super. Es regnete in Strömen, dass sperrliche Licht flackerte. Es war zwar nicht der beste Aufenthaltsort, aber wenigstens war es hier (halbwegs) beleuchtet, trocken und auf jeden Fall wärmer als draußen. Komisch. Es war fünf Uhr, aber der Himmel hatte sich seit dem Beginn des Regens so stark verdunkelt, dass man glatt meinen könnte, es wäre Abend.  Ich zog meinen Block aus dem Rucksack und schrieb mir eine Planungsliste auf, die mir dabei helfen sollte, sie zu retten.


Nun hatte ich eine gute Grundlage, um sie zu retten. Also, zuerst musste ich hier herauskommen. Das dürfte schwierig werden. Dieser Kerl hatte Recht. Hier kommt keine Meschenseele vorbei! Doch da hörte ich Musik. Ichh horchte auf und sah mich um. Sie kamm von der Straße dort vorn! "HILFEEEE!", schrie ich so laut ich nur konnte und trommelte gegen die Glaswand. "HIIIILFEEE!!!", kreischte ich abermals. Die Musik verstummte plötzlich. Der Retter musste meinen Schrei anscheinend gehört haben. "HIER IN DER TELEFOONZELLE!! HIIIER!!", schrie ich lauthals. Ich sah erst einen Fahrradreifen, welcher grade um die Ecke bog. Dann sah ich einen Kopf mit kleinen hellbraunen Löckchen, welcher sich langsam zu mir umdrehte. Nun sah ich ein hübsches Jungengesicht. Haselnussbraune Augen, natürliche rote Lippen, nettes Lächeln. Ein perfekter Retter. Er kam geschwind zu meiner Telefonzelle und ging dann schnell zur Tür. Er versuchte sie zu öffnen, doch sie war verriegelt. "Der Schlüssel liegt hier irgendwo. Er hat ihn weggeworfen!", rief ich. Doch er verstand mich nicht. Schnell schrieb ich es in meinen Block und zeigte es ihm. Diesmal verstand er es und fing gleich an zu suchen. Ich ließ mich wieder auf den Boden herab sinken und wartete.Die Minuten vergingen wie Stunden und allmählich verlor ich die Hoffnung. Doch da rannte er zurück und schloss die Tür auf.

"Vielen, vielen Dank! Du bist mein Retter!!", dankte ich ihm und fiel ihm um den Hals. "Kein Problem! Hab gern geholfen. Ich bin Elias. Und du?", fragte er. "Leonie. Aber meine Freunde nennen mich einfach nur Leo.", entgegnete ich. "Zähl ich denn zu deinen Freunden?", fragte er scherzhaft. "Auf jeden Fall!"

"Also erzähl mal. Wieso in aller Welt bist du hier drin eingeschlossen gewesen?", fragte Elias. Ich zögerte kurz bevor ich antwortete: "Äh, könnten wir bitte draußen weiterreden? Ich war lange genug hier drin."-"Klar. Komm mit", sagte er und ich folgte ihm nach draußen. Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Himmel war weiterhin mit grauen Wolken bedeckt. "Also. Erzähl mal.", forderte er und setzte sich. Ich ließ mich neben ihm ebenfalls nieder. "Also, alles begann, als ich und meine Freundin Sophie im Freibad waren und...", ich erzählte ihm meine gesamte Geschichte bis aufs letzte Detail. "Ach, du großer Gott..", stieß er aus. "Kein Mist?", fragte er vorsichtshalber. Ich schüttelte ernst den Kopf. "Okay, puh...", mumelte er. Dann schaute er mich an. "Ich werde dir helfen.", sagte er. "Echt?!", fragte ich zur Kontrolle. Er nickte. Ich strahlte ihn an, er mich auch. Mein Handy klingelte plötzlich. Es zeigte Sophies Nummer an. "Ja, Sophie? Hör mal, ich habe...", begann ich, doch eine tiefe Stimme unterbrach mich. Ich klickte auf den Lautsprecher. "Lass uns in Ruhe. Versuch gar nicht erst deine kleine Freundin zu retten. Du schaffst es eh nicht. Das gesamte Gebäude ist voll mit Überwachungskameras und Sicherheitssystemen. Du schaffst es NIE bis zu ihr durchzudringen.", brummte die Stimme. Ich erschrak. "Wir werden dich retten Sophie!", versicherte Elias. "Lass nicht zu, dass sie gewinnen!", rief ich ins Telefon. "Lass nicht zu, dass sie gewinnen!", machte mich der Typ nach. "Wir haben schon gewonnen, Leonie. Wir haben schon gewonnen.", sprach der Mann am anderen Ende der Leitung und legte auf.

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