Mit langsamen Schritten und hinterlistigem Lächeln kam er auf mich zu. Gleichzeitig ging ich etwas zurück. Anne hockte auf einmal schweigend in einer Ecke des Lasters.
"Leo, lass uns doch ein paar Schritte gehen.Hier drin ist es ziemlich stickig.", bot er an.
"Nein.", antwortete ich kurz und knapp.
"DU KOMMST SCHÖN MIT! DU STURES KIND!!!", brüllte er.
Dieser Mann war eindeutig psychisch gestört! Mal war er freundlich und im nächsten Moment störrisch wie eine Kratzbürste.
"Nein.", sagte ich wieder.
Er lief knallrot an. "DOCH!", rief er wieder.
"Nein!", antwortete ich.
Doch da fackelte er nicht mehr lange, stürmte auf mich zu und zerrte mich am Arm hinaus. Ich versuchte, nach Annes Hand zu greifen, doch sie schaute mich nur mit entschuldigender Miene an, als sie ihre Hand aus meinem festen Griff löste.
"So, Leonie Bleier. Jetzt werden wir dich schön wegsperren gehen, damit du dann in den Genuss unserer Arbeit kommen kannst! ", lachte er dreckig und starrte mich weit aufgerissenen Augen an.
Ich kreischte los, hoffte auf Hilfe, doch niemand kam. Dann hielt er mir den Mund zu, woraufhin ich ihn wütend in den Finger biss. Er schrie auf. Daraufhin zerrte er an meinen Armen, schubste mich und drängelte.
"Hey, sein Sie doch mal etwas vorsichtiger! Ich bin doch kein Einkaufswagen!", schimpfte ich.
"Klappe, Mädchen!", antwortete er nur.
Doch dann wurden wir langsamer und er tätschelte plötzlich meinen Arm, griff nach meiner Hand und schaute mich mit unschuldigen Augen an.
"Was soll denn das jetzt?!", fragte ich und beugte meinen Oberkörper von ihm weg.
Er schüttelte unwissend den Kopf. "Was soll was?", wollte er unbeteiligt wissen, "Wie auch immer, wir zwei Hübschen gehen jetzt mal ins Hauptquartier."
Dann wurde seine Stimme plötzlich wieder wütend. "Und dort sperre ich dich in ein Zimmer ein, und das solange, bis wir dich ... brauchen." Das letzte Wort betonte er besonders laut.
Er führte mich nun durch eine große Eingangshalle hindurch. Wir befanden uns kurioserweise in einer alten Schule. Es ging nun durch die mit übereiander gestapelten Tischen und Stühlen vollgestopfte Cafeteria. Dann durchquerten wir einige Flure und weitere Hallen, bis wir schließlich einen alten Klassenraum mit der Nummer 324 betraten. Nachdem wir uns den ganzen Weg lang trotzig angeschwiegen hatten, brach er nun die Stille:
"So, Ms Bleier. Hier wird Ihr Nachtlager sein. Oder auch Aufenthaltsraum. Für ein paar Tage. Deine Schwester werde ich jetzt ausfragen. Solange, bis ich jede noch so kleine Info aus ihr heraus gequetscht habe..."
Er lachte noch einmal laut und schrill bevor er damenhaft winkte und langsam die Tür schloss. Ich hörte, wie er lachend den Flur eintlang lief. Als seine Schritte kaum noch zu hören waren, brach ich zusammen.
Ich sackte auf den Boden, zog die Knie an die Brust und legte meinen Kopf darauf. Leise begann ich zu weinen. Ich hatte alles falsch gemacht. Alles war verloren. Alles. Alia wurde wahrscheinlich von diesen Typen in Deutschland wegen Verrat geschnappt. Elias war ohnehin für ich gestorben und Anne... tja, was war mit Anne?
Ich verwette meine mein Leben darauf, dass das der Anführer dieser ganzen Aktion hier ist und dass er die Person war, die Anne das Gebräu gestohlen hat, nachdem sie ihm alles erzählt hatte. Ich hatte es einfach im Gefühl. Und auf mein Gefühl konnte man sich meistens verlassen.
Doch plötzlich holte mich ein Rascheln aus meinen Gedanken. Ich lauschte auf und schaute mich um. Das Geräusch kam aus diesem Raum, kein Zweifel. Da war es schon wieder! Es kam von einer riesigen Truhe, die neben der Tür stand. Bloß eine Maus, dachte ich mir und senkte den Kopf wieder.
Doch da! Eine Art klopfen gegen den Deckel der Truhe! Das konnte keine Maus sein! Ich ging zu der Kiste. Es raschelte wieder. Von Neugier geplagt, versuchte ich, das Schloss der Kiste zu öffnen. Dann schloss ich die Finger fest um die Griffe am Deckel und hob das schwere Ding an. Als ich den Deckel mühsam hochgeklappt hatte, stockte mir der Atem.
DU LIEST GERADE
Katzenaugen
FantasyKlackernde Absätze auf dem Asphalt. Eine sprechende Frau. Leonies Füße bewegen sich wie von allein zum Fenster. Draußen, unter der strahlenden Straßenlaterne, telefoniert eine Frau. Sie dreht sich um. Doch gerade als Leonie sich verstecken wollte, k...