Wincent
„Sicher? Das sieht gerade nicht so aus", grinste Amelie, ließ uns dann aber auch alleine.
„Nimm es nicht persönlich, Fritz. Sie meint das nicht so", wandte sich Mats an den Hund. „Insgeheim ist sie ganz froh, dass wir beschäftigt sind und keinen Blödsinn machen."
Dabei zwinkerte mir Mats zu und wir fingen beide an zu lachen. Als ob uns die Anwesenheit eines Hundes davon abhalten würde, wenn wir Bock hatten, Chaos zu stiften. Mit Fritz ging das sogar viel einfacher, aber wir wollten Amelie nicht vor der Aftershowparty in den Wahnsinn treiben. Also blieben wir brav sitzen und verwöhnten Fritz. Der fand das natürlich ausgesprochen gut. Zumindest solange, bis wir wirklich aufstehen mussten. Ich tauschte nochmal fix mein Shirt und die Hose, bevor ich mein In-Ear-Monitoring anlegte. Fritz fand die Kabel auch sehr spannend und es war gar nicht so einfach, ihn davon abzuhalten, mit ihnen spielen zu wollen.
„Amelie, pass gut auf ihn auf, okay?" Ich sah meine beste Freundin eindringlich an.
„Was denkst du denn von mir. Natürlich. Konzentrier du dich mal auf deine Show."
„Mach ich immer", behauptete ich.
„Fritz ist absolut vernarrt in Wince. Da musst du wirklich aufpassen", mischte sich Mats ein.
„Ich hab davon gehört. Macht euch mal keine Gedanken, Jungs. Ich komme klar."
Amelies Vermutung, dass meine Konzentration nicht wirklich vorhanden war, bewahrheitete sich leider. Zumindest während der ersten Songs war ich nicht ganz bei der Sache. Hätte ich mich entscheiden müssen, würde ich mit Fritz im Backstage toben. Doch ich hatte keine Wahl und einen Job, der sich nun einmal auf der Bühne abspielte. Sobald ich meine Freundin im Publikum fand, war ich ehrlich glücklich und das spornte mich an, doch endlich mich auf die Musik zu konzentrieren. Das funktionierte ganz gut, bis ich für ‚Kaum erwarten' zu Nico ging, um meine Gitarre zu holen. Dabei sah ich nämlich im Augenwinkel, wie zwei Pfoten kurz auf der Treppe auftauchten. Schnell verschwanden sie zwar wieder, aber einmal sah ich noch kurz die Ohren. Ich hängte mir die Gitarre um und trat grinsend wieder ans Mikrofon.Annalena
Als ich vor dem Konzert ohne Fritz wieder zu ihnen stieß, sprach Lara mich natürlich sofort auf Fritz Abwesenheit an. Ich hatte natürlich nicht verraten, dass Amelie auf ihn aufpasste, denn dafür kannten wir Marie und Hannah noch nicht gut genug. So hatte Lara sie nach dem Konzert abgelenkt, während ich unauffällig im Backstage verschwunden war.
„Jetzt, wo die Tour vorbei ist, was hältst du davon, wenn wir Urlaub in Österreich machen?", fragte mich Wincent, als wir nach dem Konzert im Bett lagen.
„Musst du denn nicht arbeiten?", hakte ich nach.
„Nein. Hab ein bisschen frei, bis ich mit Crewmas intensiv einsteigen muss. Und diese Zeit würde ich sehr gerne mit dir verbringen."
Ich dachte kurz nach. „Urlaub klingt echt gut."
„Aber?"
Natürlich hatte er gemerkt, dass mir noch ein Gedanke durch den Kopf ging.
„Was ist mit der Therapie?"
„Da findet sich eine Lösung. Vielleicht kann Katrin ja eine Videokonferenz machen, wenn du sie brauchst. Frag sie doch einfach."
„Und wir fahren dann in das Haus vom letzten Mal, also wo wir mit Mats waren?", wollte ich aufgeregt wissen.
„Ja. Wenn du willst, machen wir das."
„Oh ja, bitte."
„Wie spontan machen wir es? In drei Tagen nach der Therapie oder willst du noch warten?"
Ich freute mich, dass Wincent sich daran erinnerte, dass wir nicht immer alles spontan machen konnten. Beziehungsweise dass ich das nicht so gut konnte.
„In drei Tagen klingt gut", antwortete ich.
„Dann kümmere ich mich Montag mal um die Buchungen."
„Und was machen wir morgen?", wollte ich wissen.
„Das überlegen wir dann", gähnte er.
„Okay." Ich kuschelte mich an seine Brust und schloss die Augen.
Am nächsten Morgen schliefen wir sehr lange, aber das war okay. Immerhin hatte Wincent in den letzten Wochen und Monaten ganz sicher zu wenig geschlafen. Und ich hatte mir eh frei genommen, darauf hatte Lara bestanden. Meine ungenutzten Urlaubstage freuten sich, dass ich ihnen endlich Beachtung schenkte. Zwei Wochen wegfahren schaffte ich auf jeden Fall locker noch, da musste ich mir keine Gedanken machen. Den freien Tag verbrachten Wincent, Fritz und ich hauptsächlich auf der Couch. Das war für uns alle die beste Lösung. Essen bestellten wir einfach, denn weder mein Freund noch ich hatten Motivation fürs Kochen. Der nächste Tag zog sich dafür umso länger, obwohl ich normalerweise echt Freude an meinem Job hatte.
„Hey Anna, alles gut? Du wirkst irgendwie so, als könntest du Urlaub gebrauchen", meinte Lara in der Mittagspause zu mir.
„Hab ich ab morgen. Ganze zweieinhalb Wochen."
„Stimmt. Ich wünsche euch ganz viel Spaß und Erholung. Das habt ihr beide mehr als verdient. Immerhin hatte dein Freund ja ein Albumrelease plus zwei Touren."
Ich wollte Lara schon korrigieren, dass es zwei Alben waren, aber schluckte es schnell wieder hinunter. Wincent wäre sauer, wenn ich das einfach so leaken würde.
„Ja", stimmte ich ihr also einfach nur zu.Wincent
Anna war heute zum ersten Mal nach der Therapiestunde nicht ganz so fertig. Ich hatte mir schon Gedanken gemacht, denn ich war ein wenig zu spät wieder zurück. Während sie mit Katrin redete, kümmerte ich mich nämlich um Annas Geschenk. Leider konnte ich mich nur schwer trennen, beziehungsweise vergaß ich die Zeit und fuhr zu spät los. Doch Anna schien gar nicht sauer zu sein, ihr ging es sogar ganz gut.
„Sorry. Hab die Zeit vergessen", sagte ich, als ich ins Wartezimmer kam, wo Anna immer auf mich wartete,
„Mach dir keine Gedanken", beruhigte sie mich. „Mir geht's gut."
„Also war alles okay bei Katrin?"
„Ja. Wir setzen erst einmal aus, aber wenn ich sie brauche, dann kann ich sie anrufen."
„Das klingt gut."
Auf dem Weg zur Wohnung erzählte mir Anna von dem, was sie mit Katrin besprochen hatte. Es klang tatsächlich zum ersten Mal so, als hätte sie wieder Hoffnung, dass alles besser werden könnte. Mit diesem Gefühl startete ich noch positiv gestimmter in den Urlaub. Zweieinhalb Wochen einfach mal raus, weit weg von der Arbeit und richtig abschalten. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das das letzte Mal gemacht hatte. Für mich stand der Job immer an oberster Stelle und das war bisher vollkommen okay. Gut, meine erste Beziehung war daran zerbrochen und meine kleine Schwester und meine Mutter litten auch mehr, als sie mir zeigten. Doch ich liebte meinen Job über alles, die Fans gaben mir so viel zurück und glauben konnte ich das immer noch nicht. Ich hatte das nach acht Jahren immer noch nicht realisiert, dass sie die ganzen Sachen für mich waren. Für mich, den Jungen vom Dorf, der nichts Anständiges gelernt hatte.
„Hey, alles gut?", riss mich Anna aus meinen Gedanken.
„Äh, ja. Ich war nur in Gedanken."
„Was ging dir durch den Kopf?"
„Eine Menge, aber nichts, was wichtig ist."
„Okay."
Ich war dankbar, dass sie nicht weiter nachfragte. Es war zwar das Gegenteil von dem, was ich Anna gepredigt hatte, nämlich dass man reden musste, aber im Moment ignorierte ich diese Tatsache. Ich wollte wirklich den Urlaub genießen und das würde mein Gehirn auch noch irgendwie checken.
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Bin ich für sie blind?
Fanfiction„Sag mir, bin ich für sie blind?" Wincent ist verwirrt. Seit seinem Konzert in Berlin, wo Mats Anna kennengelernt hat, scheint sie ihn regelrecht bei seinen Auftritten zu verfolgen. Das zumindest erfährt er von Mats, denn er selbst bemerkt es gar ni...