Wincent
In Österreich angekommen war meine Laune wieder deutlich besser. Hier konnte ich einfach wirklich abschalten. Vor allem, wenn Mats nicht dabei war, mit dem ich etwas für die Arbeit tun musste. Das hier würde richtig Urlaub werden. Einfach Internet aus und richtig entspannen. Nur Anna, Fritz, die Natur und ich.
Maria erwartete uns schon vor dem kleinen Häuschen, in das ich mich immer wieder verlieben könnte.
„Hallo Wincent, hallo Anna und hallo Fritz. Schön, euch wiederzusehen", begrüßte sie uns, sobald wir ausgestiegen waren.
„Danke, dass wir hier Urlaub machen dürfen", sagte ich und erwiderte ihre Umarmung.
„Ihr seid hier immer herzlich willkommen. Ich hab ein wenig den Ofen angemacht und ansonsten kennt ihr euch ja aus."
„Danke, Maria", sagte Anna und lächelte Maria an.
„Nicht dafür. Genießt den Urlaub und wenn etwas ist, ihr wisst ja, wo ihr mich findet."
Mit diesen Worten übergab sie mir den Schlüssel und dann ließ sie uns alleine.
„Dann mal hinein in die gute Stube", sagte ich und schloss auf.
Fritz lief direkt los und erkundete das Haus, während ich unsere Sachen aus dem Auto holte. Anna fand ich am Ende in der Küche, wo sie die Schränke durchsuchte. Ich störte sie nicht in ihrer Konzentration, vermutlich versuchte sie, sich die Orte von bestimmten Gegenständen einzuprägen, und packte stattdessen unsere Sachen aus. Normalerweise hasste ich das und lebte aus meinem Rucksack, aber das ging mit Anna nicht mehr. Soweit hatte ich es kapiert und irgendwie war es auch gut, dass sie mir beibrachte, ordentlicher zu werden.
„Wince?", rief Anna irgendwann und ich ging direkt zu ihr in die Küche.
„Ja?"
„Was essen wir heute?"
„Ich habe Nudeln und Pesto eingepackt. Soll ich das eben schnell kochen?"
„Wenn du das machen willst, gerne. Sonst könnte ich das auch machen."
„Dann machen wir das einfach zusammen", beschloss ich.
Nicht, dass ich kochen konnte, aber ich wusste, dass Anna gut darin war. Ich konnte noch viel von meiner Freundin lernen. Eigentlich verrückt, dass eine Blinde besser in der Küche aufgehoben war als ich. Es gab eindeutig Orte, an denen ich mich wohler fühlte als hier und vermutlich würde ich nie ein Koch werden. Doch ich wollte es wenigstens versuchen. Daher holte ich die Nudeln aus dem Koffer und brachte sie in die Küche. Zum Glück stand auf den Packungen eine Anleitung drauf, wobei ich Nudeln inzwischen auch ohne kochen konnte. Dann hörte es aber schon auf.
„So, da bin ich wieder. Wir können anfangen", verkündete ich.
„Sehr gut. Dann los."
Anna suchte einen Topf heraus und reichte ihn mir. Ich nahm ihn entgegen und füllte Wasser hinein. Dann gab Anna Salz hinzu und ich stellte ihn auf den Herd. Wenigstens das bekam ich noch hin, ohne dass etwas schiefging.
„Wince? Was hast du vor?", fragte Anna mich.
„Nudeln kochen."
„Aha."
Ich sah wieder auf den Herd, aber mir fiel nicht ein, was ich falsch gemacht haben könnte. Allerdings fiel mir nichts ein. Doch dann sah ich, dass der Topf auf der falschen Platte stand.
„Woher wusstest du das?", fragte ich meine Freundin.
Sie grinste nur und schob den Topf auf die richtige Platte. So kochte das Wasser auch endlich mal. Ich musste echt noch viel lernen.Annalena
Wincent war manchmal ein kleiner Trottel, aber das liebte ich auch an ihm. Daher übernahm ich einfach wieder das Kochen. Immerhin bekam ich das noch auf die Reihe. Wincent ließ mich ziemlich schnell alleine in der Küche und das sorgte dafür, dass die Nudeln auf jeden Fall genießbar waren. Es war ein entspannter Abend und ich genoss es, dass mal niemand etwas von uns wollte. Wir hatten unsere Handys einfach in der Tasche gepackt und dort blieben sie. Ich hatte kein Bedürfnis nachzuschauen und ihm ging es genauso. Irgendwann schlief ich während des Filmes ein, den Wincent uns angeschaltet hatte.
„Gut geschlafen?", fragte mein Freund am nächsten Morgen.
„Guten Morgen", erwiderte ich. „Ja. Und du?"
„Auch. Wenn du da bist, immer."
„Es freut mich sehr, das zu hören."
„Ich würde mich eher über Frühstück freuen", grinste ich.
Ich wusste, dass er das nicht hören wollte, aber heute hatte ich keine Lust aufzustehen. Zumindest noch nicht. Vielleicht gönnte ich mir eine längere Dusche. Immerhin hatten wir
Urlaub und wozu hatte ich einen Kerl dabei?
„Was machen wir eigentlich heute?", hakte ich beim Frühstück, was Wince tatsächlich gemacht hatte, neugierig nach.
„Ich dachte, wir fahren in die Stadt und dann machen wir einfach das, worauf wir Lust haben."
„Klingt gut."
„Dann geh ich mich mal umziehen und fertig machen."
„Mach das. Ich räume hier in der Zwischenzeit auf", sagte ich.
„Du bist ein Schatz." Er gab mir einen kurzen Kuss und ließ mich dann alleine in der Küche zurück.
Zehn Minuten später stand er wieder im Zimmer und begann seinen Rucksack zu packen.
„Hast du alles?", fragte ich irgendwann.
„Ja, hab ich. Wollen wir los?"
„Können wir."
„Sehr gut."
Auf dem Weg in die Stadt hörten wir nur Musik und das war absolut in Ordnung. Ich hatte sogar das Gefühl, dass uns dieses Schweigen auch mal gut tat. Nicht, dass ich ungern mit Wince sprach, aber manchmal brauchte man keine Worte. Und wir würden in diesem Urlaub ganz sicher noch genug reden, da war ich mir ziemlich sicher.
Die Stadt war ruhiger als ich erwartet hatte. Das erleichterte mir, Wincents Erklärungen zu lauschen, an was für Gebäuden wir entlang liefen. Natürlich versuchte er mir auch Blödsinn zu erzählen, zum Beispiel, dass es hier keine Pommesbuden gab, obwohl ich es genau gerochen hatte.
„Wenn du willst, dass wir ausnahmsweise mal wirklich gesund leben, sag das doch einfach", konterte ich nur und daraufhin versuchte er mich beim Essen nicht mehr zu veralbern.
„Gesund essen? Bist du dir sicher?"
„Bist du dir sicher?", hakte ich nach.
„Ich glaube schon. Es wäre wahrscheinlich mal wieder an der Zeit damit anzufangen."
„Ehrlich? Du willst im Urlaub mit gesundem Essen anfangen, weil du mich an der Nase herumführen wolltest?"
„Nein, nicht deshalb", widersprach er direkt. „Aber wenn ich Chris fragen würde..."
„Ist ja gut", unterbrach ich ihn. „Also schön, dann essen wir heute gesund und morgen suche ich aus."
„Okay, abgemacht." Wincent gab mir die Hand und wir besiegelten die Abmachung.
„Also? Was gibt es heute?"
Er dachte kurz darüber nach. „Weiß ich noch nicht."
„Alles klar, dann lass ich mich überraschen." Grinsend lief ich weiter neben Wince durch die Stadt.
„Schatz?", fragte er irgendwann.
„Was?"
„Morgen Abend gibt es in der Akademie hier ein Konzert von einer Band mit Orchester", erklärte er.
„Und?"
„Man, quäl mich nicht so."
„Ich bin...", begann ich.
„... ja, ist gut. Ich hab es verstanden. Lass es mich anders formulieren. Schatz, hast du Lust, dass wir uns gemeinsam dieses Konzert anhören?"
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Bin ich für sie blind?
Fanfic„Sag mir, bin ich für sie blind?" Wincent ist verwirrt. Seit seinem Konzert in Berlin, wo Mats Anna kennengelernt hat, scheint sie ihn regelrecht bei seinen Auftritten zu verfolgen. Das zumindest erfährt er von Mats, denn er selbst bemerkt es gar ni...