Kapitel 35 - Die Auseinandersetzung

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Als ich aufwachte, lag ich in meinem Bett. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Es war dunkel und mir war kalt und dass, obwohl wir in Japan gerade Hochsommer hatten. Ich tastete nach meiner Nachttischlampe und schaltete sie an. Jetzt wusste ich, warum mir kalt war. Mein Freund, der mich aus den Fängen meines widerlichen Exfreundes gerettet hatte, lag nicht, wie ich es erwartet und mir gewünscht hatte, neben mir. Ich seufzte und schwang meine Beine aus dem Bett. Da sie sich anfühlten wie Wackelpudding, tastete ich mich vorsichtig zu meinem Kleiderschrank vor. Dort angekommen, kramte ich mir frische Unterwäsche und meinen liebsten One Piece Zweiteiler raus und tapste mit langsamen Schritten ins Bad. Ich wollte erstmal duschen, um den ganzen Schmutz, den Mattheo durch seine Berührungen auf meinem Körper hinterlassen hatte, abzuwaschen. Es war ein schönes Gefühl, das heiße Wasser auf meine Haut prasseln zu lassen. Ich schloss die Augen und ließ mir vom harten Wasserstrahl den unsichtbaren Dreck vom Körper waschen. Zusätzlich seifte ich mich heute zweimal ein, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Dabei fielen mir die blauen Flecken auf, die meine Oberarme und Schultern zierten und plötzlich wurde mir unfassbar übel. Schnell stellte ich das Wasser aus, sprang aus der Dusche und beugte mich gerade noch rechtzeitig über die Kloschüssel. Ein paar Minuten saß ich wie ein Häufchen Elend, nackt und zusammengekauert, einfach nur da. Mir kamen wieder die Tränen und ich wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als die warmen, beschützenden Arme meines Freundes. Aber Kenma war, aus einem mir unerklärlichen Grund nicht an meiner Seite. Warum hatte er mich alleine gelassen? Schon wieder!

Da die Übelkeit nachgelassen hatte, quälte ich mich irgendwie auf meine Füße, trocknete meinen Körper ab und schlüpfte in meine gemütlichen Klamotten. Gedankenverloren machte ich mich auf dem Weg nach unten, in der Hoffnung, dort meinen Freund vorzufinden. Aber als ich im Wohnzimmer ankam, saßen dort nur meine Eltern und schauten friedlich irgendeine Serie im Fernsehen. „Mum? Dad?" Aus meinem Mund kam nicht viel mehr als ein Flüstern. Ich schlurfte weiter in ihre Richtung und kam schließlich vor ihnen zum Stehen. „Tomo-chan, du bist endlich aufgewacht. Wie geht es dir?", fragte meine Mum sanft. „Wo ist Kenma?", war alles, was ich hervorbrachte. „Den haben wir zusammen mit seinen Freunden weggeschickt.", antwortete mir mein Dad mit knirschenden Zähnen, als wäre er wütend. „Warum?", fragte ich nur. „Weil ich sie nicht länger in meinem Haus und in deiner Nähe haben wollte!" Die Stimme meines Dads wurde allmählich lauter. „Aber warum?", fragte ich erneut. „Warum fragst du? Das kann ich dir sagen, Tomoko! Weil sie dich durch die Geheimhaltung unnötig in Gefahr gebracht haben! Es hätte sonst was passieren können! Es ist unverzeihlich und nicht zu entschuldigen und deswegen habe ich entschieden, sie aus deinem weiteren Leben auszuschließen!", wetterte mein Dad nun in voller Lautstärke. Als ich realisierte, was mein Dad da gerade gesagt hatte, verlor ich das Gefühl in meinen Beinen, sackte auf dem Boden zusammen und fing bitterlich an zu weinen. Mein Dad wollte mir das Wichtigste in meinem Leben wegnehmen, nach allem was ich durchmachen musste. „Tomo-chan, wir wollen doch nur das Beste für dich.", sagte meine Mum mit sanfter Stimme und versuchte mich mit einem regelmäßigen Streicheln über meinen Rücken zu beruhigen. Ich schlug ihren Arm weg. „Wenn ihr das Beste für mich wollen würdet, dann würdet ihr mir nicht das Wichtigste in meinem Leben wegnehmen." „Jetzt hör aber mal auf! Das Wichtigste sind immer noch wir, deine Familie!", entgegnete mein Dad empört. „Und wenn du deinen Freunden so wichtig wärst, wie du glaubst, hätten sie dich nicht so lange bei dem Typen gelassen, sondern direkt Hilfe geholt! Aber nein, sie haben dich eine ganze Woche von ihm misshandeln lassen, obwohl sie über ihn Bescheid wussten! Schöne Freunde hast du dir da ausgesucht!" Mein Dad hatte sich so sehr in Rage geredet, dass er gar nicht mitbekam, wie ich aufgestanden war und mich vor ihm aufgebaut hatte. „Weißt du eigentlich, was du da sagst, Dad? Es war nicht ihre Schuld, was passiert ist! Ich habe sie gebeten, niemandem etwas zu sagen, weil Mattheo damit gedroht hat, allen Involvierten etwas anzutun, also auch euch und das konnten wir nicht riskieren! Ich bin freiwillig mit ihm mitgegangen, um euch alle zu beschützen und habe seine erniedrigenden Spielchen unzählige Male über mich ergehen lassen! Du hast keine Ahnung, wie ich mich jetzt fühle und wie sehr ich die Nähe von Kenma grade brauche! Ich verstehe, dass du sauer bist und ja, es hätte auch schlimmeres passieren können, aber das ist es nicht! Also, lass mich gefälligst zu meinem Freund, denn er ist der Einzige, den ich grade WIRKLICH brauche! Dad, ich liebe ihn, egal, was du dazu sagst!" Während meiner Ansprache haben sich immer mehr und mehr Tränen in meinen Augen gesammelt, die sich nun ihren Weg über meine Wangen bahnten und dunkle Flecken auf dem Wohnzimmerteppich hinterließen. „Dad, ich bitte dich! Nimm ihn mir nicht weg! Bitte nicht!" Ich spürte, wie meine Beine wieder zu Wackelpudding wurden und sackte erneut auf dem Boden zusammen. Plötzlich war die Wut meines Dads verflogen und hatte sich in Sorge umgewandelt. Er kniete sich zu mir auf den Boden und zog mich in eine Umarmung. „Tomo-chan, ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr du diesen Jungen liebst. Glaub mir, ich will wirklich nur das Beste für dich und dich beschützen. Schließlich bist du meine geliebte Tochter." Auch ihm kamen die Tränen, da er bemerkte, wie sehr es mir wehtat, von Kenma getrennt zu sein. „Wenn du uns versprichst, dass du nie wieder etwas vor uns verheimlichst, lasse ich ihn wieder zu dir.", sagte mein Dad mit sanfter Stimme, da er sich, genauso wie ich, wieder beruhigt hatte. „Ich verspreche es, Dad.", brachte ich unter Krächzen hervor. „Gut, dann ruf deinen Freund an und sag ihm, er darf wieder herkommen. Aber ich möchte bitte noch einmal in Ruhe mit ihm sprechen, bevor er zu dir geht." „Ist gut, ich sage ihm Bescheid. Danke Dad."

Erleichtert darüber, dass ich die Sache fürs erste mit meinen Eltern klären konnte, wählte ich mit zitternden Fingern die Nummer meines Freundes. Nach dem zweiten Klingeln nahm er ab. „Tomo, bist du es? Geht es dir gut?", meldete er sich direkt. „Ja, ich bin's. Kannst du bitte herkommen? Ich brauche dich!", sagte ich mit leiser Stimme. „Dein Dad hat mir verboten zu kommen. Er sagte, ich würde dich nie wiedersehen dürfen.", erklärte mir Kenma und ich konnte spüren, dass er sich zusammenreißen musste, nicht zu weinen. „Ich weiß, ich hatte gerade eine Auseinandersetzung mit ihm. Es ist ein bisschen eskaliert, aber wir haben das geklärt und du darfst herkommen. Also komm bitte so schnell es geht, ich brauche dich..." Meine Stimme brach und es bildete sich ein riesiger Kloß in meinem Hals. „Ich bin schneller da, als du Kitten sagen kannst. Ich liebe dich.", sagte er mit sanfter Stimme und beendete das Telefonat.
Ich weiß nicht, wie lange ich einfach nur dastand, aber das Klingeln an der Tür brachte mich wieder zurück in die reale Welt. Meine Mum öffnete Kenma die Tür. Er war völlig außer Atem, wahrscheinlich war er den ganzen Weg zu mir gerannt. Bevor er zu mir gehen konnte, hielt mein Dad ihn auf. „Moment Kenma. Bevor ich dich wieder zu meiner Tochter lasse, wollte ich noch kurz mit dir sprechen." Mein Dad führte Kenma zum Sofa und bat ihn, sich zu setzen. Erst dachte ich, er würde ihm erneut eine Standpauke halten, aber was mein Dad dann tat, hätte ich nicht erwartet. Er stellte sich direkt vor meinen Freund und verbeugte sich. „Sumimasen deshita*, Kenma. Meine Reaktion euch und vor allem dir gegenüber war unüberlegt und unfair. Ich hoffe, du kannst mir meine Worte verzeihen." Kenma war so perplex über die Aktion meines Dads, dass er kein Wort rausbrachte. „Ich weiß jetzt, dass du nur auf Wunsch meiner Tochter so gehandelt hast und du ihr wirklich wichtig bist. Ich hoffe, dass sie dir genauso wichtig ist." Mein Dad holte tief Luft und setzte ein letztes Mal zum Reden an. „Auch, wenn ich es zuerst nicht war, jetzt bin ich dir unglaublich dankbar, dass du Tomoko gerettet hast. Ich will für uns alle hoffen, dass so etwas nie wieder vorkommt. Und jetzt geh zu ihr, sie wartet bestimmt schon sehnlichst auf deine Umarmung."

Mein Dad hob den Kopf und lächelte mir vom Wohnzimmer aus zu. Ich hatte mich seit dem Telefonat mit Kenma keinen Millimeter bewegt, da ich mich einfach nicht bewegen konnte und wollte. Ich beobachtete, wie Kenma meinen Dad immer noch perplex anstarrte, dann aber aufstand und ihm die Hand reichte. „Danke Mister Sakana. Ich verspreche Ihnen, dass ich ihre Tochter nie wieder alleine lassen werde." Mein Dad nahm die Hand von Kenma und zog den Jungen, der Umarmungen, außer sie waren von mir, über alles hasste, in seine Arme. „Komm her, Kenma.", lachte mein Dad und schlug meinem Freund versöhnend auf den Rücken. Der völlig überforderte Kenma stand einfach nur wie versteinert da und wartete, bis mein Dad ihn wieder freigab. In der Zwischenzeit hatte sich mein Körper ganz von alleine in Bewegung gesetzt. Ich war im Türrahmen des Wohnzimmers angekommen und starrte die beiden gedankenverloren an. Meine Arme hatten sich ganz von selbst für die Umarmung geöffnet. Nun wartete ich nur noch darauf, dass ich endlich wieder die Wärme meines Freundes um mich spüren könnte. Kenma hastete zu mir und presste mich an seinen warmen Körper. Sofort spürte ich, wie sich die Wärme in mir ausbreitete. Ich sah zu ihm hoch und verband unsere Lippen zu einem innigen Kuss. 

*Sumimasen deshita = Entschuldigung, wenn man einen großen Fehler begangen hat

Watashi no kanpeki na kara 🐚 - Kenma x OC (18+ Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt