Kapitel 26 - Ein komisches Gefühl

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Den restlichen Tag verbrachten Kenma und ich eigentlich nur auf dem Sofa. Nach dem Frühstück machten wir schnell den Abwasch und entschieden uns dann, im Wohnzimmer Netflix zu schauen. Wir suchten uns lustige Filme raus und quatschten nebenbei. Ich genoss die Zeit mit meinem Freund und wollte sie nicht mehr missen. Ich war mir sicher, dass ich in Kenma meinen Seelenverwandten gefunden hatte und mit ihm den Rest meines Lebens verbringen wollte. „Du, Tomo-chan?", fragte mich Kenma, als gerade der Abspann des dritten Filmes auf dem Fernseher erschien. „Mhhhm." Ich summte nur zur Bestätigung, dass er seine Frage stellen konnte. „Möchtest du dich vielleicht zusammen mit mir mal wieder an ein Game trauen? Es ist auch okay, wenn du noch nicht bereit bist." Er hatte den Kopf schief gelegt und lächelte mich an. „Um ehrlich zu sein, habe ich schon seit ein paar Wochen wieder Lust auf's Zocken bekommen, hatte mich aber nicht getraut zu fragen, bzw. war noch nicht bereit, dir von meiner Vergangenheit zu erzählen. Und du hättest bestimmt nachgefragt, wenn ich aus heiterem Himmel einfach hätte mit dir spielen wollen. Aber jetzt, da du alles weißt, würde ich sehr gerne eine Runde mit dir daddeln." Ich sah, wie Kenmas Augen anfingen zu glänzen. Dieser Junge liebte das Zocken, hatte aber für mich die letzten Monate weniger Zeit damit verbracht, weil er bemerkt hatte, wie traurig es mich machte. Deswegen freute er sich jetzt umso mehr, dass ich mit ihm ein Game spielen würde. „Wirklich?", fragte Kenma ungläubig nach. Ich nickte nur. „Geil! Worauf hast du Lust?" „Wollen wir ein paar Runden Mario Kart spielen? Ich würde gerne erstmal mit einem leichten Game starten." „Klar, ich liebe Mario Kart...Und werde dich fertig machen.", lachte Kenma, als wäre er ein Bösewicht. „Das werden wir ja gleich sehen.", entgegnete ich ihm ebenfalls lachend und sprintete in mein Zimmer. Ich schnappte mir meine Animal Crossing Switch und hüpfte zurück ins Wohnzimmer, wo Kenma bereits alles vorbereitet hatte, sodass ich die Konsole nur noch an das Kabel anstecken musste. Der Schriftzug „Mario Kart 8" erschien vor uns auf dem Bildschirm und ich wählte den Spielmodus aus. Wir entschieden uns für ein ganz normales Rennen gegen die Computer. Als Charakter wählte ich Baby Rosalina – sie war einfach so süß mit ihrer kleinen Krone und dem, für ihren Kopf, viel zu großen Schnuller. Kenma ging, wer hätte es gedacht, natürlich mit Yoshi an den Start. Das erste Rennen begann und ich legte einen perfekten Start hin. Direkt zeigte mir die Platzierung den 1. Platz an, wobei Kenma mir dicht auf den Fersen war. Am Ende fuhr ich tatsächlich als erstes ins Ziel. „Wow, dafür, dass du so lange nicht gespielt hast, bist du echt gut.", sagte Kenma voller Stolz zu mir, als bei der Gesamtbewertung ich ganz oben stand. „Ich habe es wirklich so vermisst. Danke Kenma, dass du mich gefragt hast." Ich umarmte ihn etwas zu stürmisch, sodass er aus dem Schneidersitz, in dem er saß, nach hinten kippte und nun mit mir zusammen auf dem Boden lag. „Gomen Kenma, da habe ich mich wohl ein bisschen zu sehr gefreut.", kicherte ich. „Das macht doch nichts. Ich bin froh, dass du Spaß hattest." „Sag mal, wollen wir uns noch beim Kiosk um die Ecke etwas zu Essen holen? Vielleicht Ramen? Ich habe schon wieder Hunger...", jammerte ich meinem Freund spielerisch die Ohren voll. „Klar, ich habe auch Hunger.", antwortete er mir. Da ich mir immer noch keine Hose angezogen hatte, ging ich kurz in mein Zimmer, um in meine Lieblingsjogginghose zu schlüpfen und ein Paar Yen für die Ramen zu holen. „So, ich bin fertig.", sagte ich zu Kenma, als ich gerade noch meine Vans zuschnürte. „Na, dann lass uns los." Kenma nahm meine Hand und trat mit mir zusammen hinaus in die bereits, vom Sonnenuntergang in orange getauchte Welt.

Wir schlenderten Händchen haltend Richtung Kiosk und unterhielten uns über unsere Pläne in den Sommerferien. Dabei stellten wir fest, dass wir uns drei Wochen nicht sehen würden, da erst Kenma eine Woche mit Kuroo und seiner Familie in den Urlaub fuhr und danach ich mit meiner Familie. „Bis dahin haben wir ja noch ein paar Tagen, das schaffen wir schon. Und außerdem, was soll schon passieren während ich weg bin?", versuchte mein Freund mich aufzumuntern. Doch kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, entwickelte sich in meiner Magengegend ein ganz komisches Gefühl. Außerdem fühlte ich mich irgendwie beobachtet. Ich blieb stehen und schaute mich suchend um. „Tomo-chan, was ist mit dir?", fragte mich Kenma besorgt. „Ich weiß es nicht, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass uns jemand beobachtet. Ich habe so ein komisches Gefühl im Magen." „Das bildest du dir bestimmt nur ein. Und dein Bauch fühlt sich nur so komisch an, weil du Hunger hast. Glaub mir, hier ist niemand." Kenma nahm mich in den Arm und beruhigte mich. „Mattheo ist doch in Deutschland auf der anderen Seite der Welt. Um den brauchst du dir also keine Sorgen zu machen." Er streichelte mir sanft über meine kupferfarbenen Haare. „Du hast recht, das würde selbst ihm nicht einfallen. Danke Kenma-kun." Ich erwiderte die Umarmung und schloss kurz die Augen, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen. „Geht's wieder? Können wir weiter?", fragte Kenma mit leiser Stimme. „Ja.", antwortete ich ihm und nahm den Weg zum Kiosk wieder auf.

Wir saßen gerade auf dem Boden in meinem Zimmer und schlürften still unsere Ramen, als Kenma das Wort ergriff. „Du, Tomo-chan?" „Ja?" „Möchtest du vielleicht mal beim Streamen dabei sein? Ich weiß, du hast Angst davor, wegen dem was mit Mattheo passiert ist, aber es gehört ja auch irgendwie zu mir. Und ich würde es schön finden, dich dabei an meiner Seite zu wissen. Ich kann dir versprechen, dass meine Community super lieb und lustig ist." Ich überlegte einen kurzen Moment, was ich meinem Freund antworten sollte. „Ich weiß nicht...Kenma...Was ist, wenn er mich dadurch findet?", entgegnete ich ihm voller Zweifel. „Und, wenn du erstmal nur zusiehst und dich mit meiner Community vertraut machst? Es muss ja keiner wissen, dass du meine Freundin bist, wenn du etwas in den Chat schreibst." Es war wirklich süß, wie Kenma mich ermutigen wollte. „Na gut, ich werde bei deinem nächsten Stream als anonyme Zuschauerin dabei sein." Ich lächelte zuerst unsicher, konnte mich dann aber doch mit dem Gedanken anfreunden. Und Kenma hatte ja recht: Ich konnte nicht ewig davonlaufen, erst recht nicht, wenn ich mich erneut in einen Streamer verliebt hatte. Und ich hatte mich wirklich in den süßen Puddingkopf vor mir verliebt, daran bestand kein Zweifel mehr.
„Woran denkst du Kitten?", fragte mich Kenma plötzlich, nachdem wir ohne zu reden, unsere Ramen aufgegessen hatten. „Ich habe gerade nur daran gedacht, wie glücklich ich mit dir bin...", säuselte ich vor mich hin. „Ich bin auch glücklich mit dir.", hauchte Kenma mir mit einem sanften Lächeln entgegen. „Ist es okay, wenn ich nach Hause gehe und einen Stream starte? Ich komme danach auch auf jeden Fall wieder, wenn du magst.", fragte Kenma vorsichtig, als hätte er Angst, ich würde ihn anschreien oder in Tränen ausbrechen. „Ja, mach ruhig. Ich gucke dann von hier aus zu.", antwortete ich ihm. „Okay, dann bis später." Kenma gab mir einen Kuss zum Abschied und verließ dann das Haus. Kaum war er verschwunden, breitete sich eine unangenehme Kälte um mich herum aus. Ohne die leeren Schüsseln, aus denen wir eben noch die Ramen gegessen hatten, wegzustellen, schlüpfte ich unter meine kuschelige, warme Decke und wartete auf die Benachrichtigung, dass Kenma live war. Ich wollte kurz die Augen schließen, um mich besser darauf konzentrieren zu können, mich wieder aufzuwärmen, als der Bildschirm von meinem Handy, welches ich in der Hand hielt, aufleuchtete. Es war nicht die Nachricht, die ich erwartet hatte und wollte den Bildschirm grade wieder schwärzen, als ich realisierte, was da gerade für eine Nachricht aufgeploppt war. Mit zittrigen Fingern klickte ich auf die Benachrichtigung, welche mich zu der gesamten Nachricht einer unbekannten Nummer führte. Ich las mir Wort für Wort mit weit aufgerissenen Augen durch.

„Hey Babygirl. <3

Wie ich sehe, hast du dich gut in Tokyo eingelebt und mich bereits ersetzt. Ich wünschte, das hättest du nicht getan und wärst brav bei mir geblieben.

Wenn dir der Junge wichtig ist, dann komm sofort zu dem Kiosk, bei dem du vorhin mit ihm warst. Alleine. Ich warte dort auf dich.

Love you.

Mattheo"

Ich konnte nicht glauben, was ich da gerade gelesen hatte. Mattheo war in Tokyo und wusste von Kenma? Hatte ich es mir vorhin also doch nicht eingebildet und wurde wirklich von jemanden bzw. ihm beobachtet? Was sollte ich jetzt tun? Wenn ich gleich im Stream nichts schreiben würde, schöpfte Kenma bestimmt Verdacht. Aber bei einer Ausrede würde er auch wissen, dass etwas faul war.
Ich beschloss, meinem Freund nichts zu sagen und zu tun, was Mattheo mir befohlen hatte. Die Angst, dass mein verrückter Exfreund Kenma etwas antun könnte, war einfach viel zu groß. Wie in Trance zog ich mir einen Pullover über, ging runter in den Flur, wo ich mit zittrigen Knien irgendwie versuchte, meine Boots zu schnüren und machte mich dann auf den Weg zum Kiosk. 

Watashi no kanpeki na kara 🐚 - Kenma x OC (18+ Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt