The Abby-Flow

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Henry Robert:

"Henry!" Bianca, meine Sekretärin, eilte mit einem Stapel Papier auf mich zu.

"Die Papiere! Sie sind da!" Sie knallte den Stapel auf meinen Schreibtisch und kramte einen funktionstüchtigen Kugelschreiber heraus.

"Unterschreib sie!" Forderte sie mich auf, aber ich zögerte. Mit diesen Unterschriften wurde ich zur Hälfte Deutscher, Mieter eines Loftes in Frankfurt und Teilhaber der Firma. Das waren wichtige Entscheidungen für die Zukunft, welche man nicht ohne gründliche Überlegungen vorher treffen sollte. Es könnte ja auch sein, dass ich den Firmensitz in den USA übernehme und zurück nach Seattle kehre. Unser Haus in Marysville hatten meine Eltern verkauft, aber ich hoffte dennoch, Abby in Seattle anzutreffen. Ich war erst knapp ein Jahr hier und vermisste sie immer noch jeden einzelnen Tag. Anfangs hatte ich kein Wort mehr mit meinen Eltern gesprochen, dass sie uns voneinander getrennt hatten, aber schon bald löste sich mein Widerstand auf. Ich bekam Bianca als Hilfe zugeteilt, eine hübsche Blondine, die Gefallen an mir zu haben schien.

Bianca wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. "Henry? Hast du mir zugehört?"

Ich zuckte ertappt zusammen. "Ich unterschreibe später, Bianca." Sie sah mich zweifelnd an, also musste ich eine andere Taktik benutzen. "Wollen wir heute in der Mittagspause zusammen etwas essen gehen?" Mein Lächeln schien sie vollständig zu überzeugen.

"Sag mir einfach Bescheid, wenn du fertig bist." Sie zwinkerte mir kokett zu und verließ dann mein Büro. Ich atmete tief durch, ehe ich das E-Mail Programm meines Computers öffnete, um Tiffany zu schreiben.

An: Tiffany Davis
Von: Henry Robert @gmx.de>
Betreff: USA

Liebe Tiffany,

ich freue mich, dass du und Cameron endlich zusammengefunden habt. Ihr seid wie füreinander gemacht. Weiß...Abby es auch schon? Ist sie von ihrer Wanderung zurück? Wie geht es ihr? Ich vermisse sie.
Die Arbeit macht mir meistens Spaß, bin ja im dualen Studium -ich arbeite und studiere gleichzeitig in der Firma-. Manchmal muss ich Überstunden machen, aber Bianca ist mir eine große Hilfe.

Henry Robert, Fast-CEO, Robert Enterprises Holdings GmbH

Auf eine Antwort von ihr musste ich nicht lange warten, scheinbar surfte sie ebenfalls im Internet.

An: Henry Robert
Von: Tiffany Davis
Betreff: Abby

Lieber Henry,

danke. Cameron und ich sind sehr glücklich miteinander und genießen das in vollen Zügen. Aber nun zu meinem eigentlichen Betreff.
Ja, Abby ist vom PCT zurück, hat sich aber noch nicht bei uns gemeldet. Leigh hat mit ihrer Mom Kontakt gehalten. Ob Abby von Cameron und mir Bescheid weiß, ist fraglich. Ich weiß nicht viel, da sie sich wie gesagt noch nicht gemeldet hat, aber ich kann dir eins sagen. Nach deiner Abreise war Abby nicht mehr ansprechbar bis wir die Ergebnisse der SAT's hatten und sie mit ihrer Wanderung begann. Sie hat geweint, hat sich Bilder von dir und ihr angesehen, sich in Büchern vergraben und gelernt und mit sich gekämpft, ob sie dir schreiben soll. Soweit ich weiß -und das entnehme ich auch deiner E-Mail- hattet ihr keinen Kontakt mehr seit deiner Abreise, oder? Es ist richtig so, Henry. Ihr habt Schluss gemacht aus einem guten Grund und um das zu verarbeiten, braucht ihr erstmal etwas Abstand zueinander.

Nun muss ich aber aufhören, Cameron und ich wollen uns das Campusgelände ansehen.

Tiffany Davis, Studentin der Duke University

Das gewohnte Kribbeln, welches ich heimlich als den Abby-Flow bezeichnete, hatte sich beim Lesen der Mail in mir ausgebreitet und ließ nur langsam nach. Ich erinnerte mich an meine Abreise, als ich Abby das letzte Mal in den Armen gehalten hatte. Als ich ihr das letzte Mal sagte, ich würde sie lieben. Und ich ihr den letzten Kuss gab.

***

Nach dem wir in einem kleinen Bistro etwas gegessen hatten, spazierten Bianca und ich in der Stadt herum. Wir hatten noch genügend Zeit und gerade erzählte mir Bianca von ihren Katzen, bis ich plötzlich abgelenkt wurde. Ein mir allzu bekannter brauner Haarschopf blitzte immer wieder zwischen den Menschen auf.

Nein, das konnte nicht sein...oder etwa doch?

Mir blieb nur wenig Zeit zu handeln, also zog ich Bianca hinter mir her und nahm die Verfolgung der Brünetten auf.

Plötzlich blieb sie stehen, wirbelte herum und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an.
Erst schien sie mich nicht zu erkennen, dann fiel der Groschen und ihre Augen wurden groß.

"Henry? Henry Robert?"

"Der einzig wahre." Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, das sich schnell in ein Strahlen verwandelte. Immerhin stand hier das Mädchen vor mir, dem mein Herz gehörte.
Auch Abby schien glücklich zu sein mich zu sehen, sie sah mir unentwegt lächelnd in die Augen.

"Erzähl mal, was machst du hier?" Bat ich sie.

"Also, nach dem PCT beschloss ich nach Europa zu kommen, auch nach Frankfurt, um-" Bianca schien es nun zu bunt zu werden. Sie klammerte sich an meinen Arm und hielt Abby die Hand hin.

"Hi, ich bin Bianca, Henrys neue..." Sie führte bewusst den Satz nicht zuende.
Abby sah mich für einen kurzen Moment verletzt an, ehe ihr Blick ausdruckslos wurde.

"Dann viel Spaß euch beiden noch...ich muss jetzt auch weiter..." Sie entfernte sich langsam von mir.

"Abby, nein, es ist anders..." Ich wollte ihren Arm ergreifen, wurde aber von Bianca zurückgezogen.

"Komm, Henry, wir müssen zurück an die Arbeit." Flötete sie und warf Abby, die uns immer noch beobachtete, einen triumphierenden Blick zu.

"Mach's gut, Henry..." Abby wandte sich ab und verschwand in der Menge.

Ich ließ sie ziehen, meine Liebe.

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