Kapitel 8

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Als sie die Tür des Mehrfamilienhauses öffnete, stand nicht der erwartete Lieferbote vor ihr, sondern Nathan. Es regnete einen kalten, unangenehmen Nieselregen und der Vollmond schien fast komplett aufgegangen zu sein.

Nathans Aussehen war weit entfernt von der kontrollierten, autoritären Aura, die er sonst ausstrahlte. Er wirkte erschöpft und verschwitzt, als hätte er sich körperlich bis an seine Grenzen getrieben. Seine Haare und Schultern waren nass. Unter den Augen zeichneten sich tiefe Schatten ab, ein klares Zeichen seiner Müdigkeit und Unruhe. Seine Kleidung war ungewohnt leger, eine einfache Windjacke und Jeans mit hellen Sneakern. Serena sah sich um, doch nirgends parkte sein Auto.

"Bist du den ganzen Weg hierher gerannt?" Ihre Stimme war ein Mix aus Verwirrung und Sorge, während sie versuchte, seinen Zustand und seine Beweggründe einzuordnen. "Ich bin nicht im Dienst. Du hast mich freigestellt."

"Du bist wieder im Dienst.", entgegnete er mit rauer Stimme, als ob die Worte ihm Mühe bereiteten.

"Was willst du von mir, Nathan?" Serena konnte nicht verbergen, wie schroff ihre Worte klangen. Der Vollmond hing schwer am Himmel, ein Ruf, dem sich ein Werwolf nur schwer entziehen konnte. "Es ist Vollmond. Müsstest du nicht längst bei der Jagd sein?" Die Tatsache, dass er sich an einem Vollmond von seinem Rudel entfernt hatte, um hier zu sein, ließ sie noch wachsamer werden.

Nathan atmete tief durch, als ob er nach den richtigen Worten suchte, oder vielleicht nach Luft. "Ich... ich hab keine Ahnung.", sagte er ehrlich und etwas entmutigt. "Kann ich reinkommen?", fragte er leise.

"Das halte ich für keine gute Idee.", gestand Serena unsicher, "Du hast mir selbst angeordnet, ich soll mich von dir fern halten."

Nathan stand da, ein Schatten seiner sonst so imposanten Erscheinung. "Dir wird nichts passieren.", garantierte er und trat zwei Stufen vor um direkt vor ihr stehen zu bleiben. Sie blickte zu ihm hoch, nicht sicher, was sie nun tun sollte.

"Das kannst du nicht wissen. Dein Wolf ist nicht unter deiner Kontrolle.", sprach sie die Worte aus, die seit gestern zwischen ihnen standen.  Sie waren sich so nahe, dass sie seine Wärme spüren konnte und seinen maskulinen Geruch nach Sandelholz und Zitrus wahrnahm.

Es verging eine kleine Ewigkeit in der er sie mit seinen klaren grauen Augen ansah und nichts sagte, als würde er mit sich hadern ob er sich ihr anvertrauen sollte oder nicht. "Ich weiß und es tut mir Leid.", sagte er schließlich, "Aber er wird dir nichts tun." Er wartete ihre Antwort ab, und sie war überzeugt, dass er wieder gehen würde, wenn sie noch einmal verneinen würde. Doch sie spürte, wie sie zögerlich einen Schritt zur Seite trat und ihm signalisierte, dass er reinkommen durfte. 

"Nur solange es regnet.", warnte sie ihn.

Er trat ein und folgte ihr die Treppe hinauf in den zweiten Stock des kleinen sechs-Familien-Hauses, wo ihre Wohnung lag. Als Serena Nathan durch die schmale Tür in ihre kleine Wohnung ließ, betrat er eine Welt, die sofort warm und einladend wirkte. 

Gleich hinter der Eingangstür eröffnete sich der Wohnbereich, dominiert von einer bequemen L-förmigen Couch, die zu langen, gemütlichen Abenden vor dem Fernseher einlud. Der Raum war spärlich, aber sorgfältig dekoriert, mit einigen sorgfältig ausgewählten Pflanzen, die hier und da für ein lebendiges Element sorgten. 

Die angrenzende Küche war klein, aber funktional, mit einer Kücheninsel in der Mitte, die nicht nur als praktische Arbeitsfläche diente, sondern auch als informeller Essbereich. Hier hatte Serena mit einem Mix aus alten und neuen Elementen einen Raum geschaffen, der sowohl zum Kochen als auch zum Verweilen einlud. Helle Farben und die clevere Nutzung des begrenzten Raums verliehen der Küche ein offenes, luftiges Gefühl.

Rising Omega: Die Versuchung des AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt