Kapitel 9

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Serena blieb wie erstarrt vor dem Geschirrspüler stehen. Nathan, sichtlich zerrüttet durch seinen Gefühle, begann sich plötzlich zu verändern. 

Sein Körper verzog sich in Agonie, während er sich von einem Menschen in einen riesigen schwarzen Wolf verwandelte. Seine Muskeln spannten sich an, seine Haut zog sich zusammen, als ob sie von innen heraus gedehnt würde. Mit jedem Knacken und Krachen seiner Knochen, die sich neu formierten und ausdehnten, verzerrte sich sein menschliches Antlitz in etwas Wildes, Unbekanntes. Sein Gesicht, einst klar und ausdrucksstark, verschob sich, die Kieferpartie wurde breiter, die Nase verformte sich zu einer Schnauze. Scharfe Zähne brachen durch das Zahnfleisch, als seine menschlichen Züge einem furchteinflößenden Wolfsantlitz wichen. Dichtes, schwarzes Fell durchbrach die Haut, bedeckte jeden Zentimeter seines Körpers und verwandelte das Bild eines Mannes in das eines mächtigen, schwarzen Wolfs. Seine Hände, die einst elegante lange Finger hatten, veränderten sich drastisch, als kräftige Krallen aus den Spitzen brachen, bereit, jeden Widerstand zu zersetzen, der in seinen Weg trat.

Nathan, jetzt in der Gestalt eines riesigen Wolfs, erreichte eine Größe, die selbst auf allen vieren der eines Menschen glich. Jedes Detail seines neuen Körpers zeugte von roher Kraft und animalischer Anmut, eine beeindruckende Erscheinung, die in der engen Umgebung von Serenas Wohnzimmer deplatziert wirkte. Schwer atmend und mit einem Fell so dunkel wie die Nacht starrte er sie an. Trotz seiner wilden, neuen Erscheinung lag in seinen Augen etwas Verlorenes, fast Menschliches.

Diese Transformation war nichts für schwache Nerven, aber sein Anblick, wie er da stand, diese anmutige Gestalt, war sehenswert und tödlich.

Serena presste sich gegen die Arbeitsfläche, das größte Messer in der Hand, das sie kriegen konnte, aber selbst das, wirkte im Gegensatz zu dem Alpha wie ein kleiner Zahnstocher. Aber es war die einzige Waffe, die sie hatte, falls er sie angreifen wollte. 

"Nathan," flüsterte sie flehend, "Bleib ruhig." Sie machte einen vorsichtigen Schritt Richtung Tür, während sie langsam auf Nathan in seiner Wolfsgestalt einredete. Verzweifelt versuchte sie, die Panik aus ihrer Stimme zu verbannen. "Du hast mir ein Versprechen gegeben, das mir heute nichts geschieht.", erinnerte sie ihn, "Dein Versprechen gilt für dich und deinen Wolf."

Doch der Wolf vor ihr blockierte mit seiner bloßen Präsenz jeden Fluchtweg, seine Augen fixierten sie unverwandt. Ein tiefes, doch ruhiges Knurren entwich ihm, ein klares Signal, dass ein Entkommen unmöglich war.

"Okay...", redete sie weiter auf ihn ein, Du möchtest also, dass ich hierbleibe. Nur, damit wir uns richtig verstehen, ich bin kein Snack." Sie warf einen Blick zum Fenster, erwog kurz die Feuertreppe als Fluchtweg, realisierte jedoch schnell, dass das Fenster taktisch ungünstig platziert war. "Hör zu, ich öffne dir das große Fenster, dann kannst du dich davon machen und dich mit deinen Wolfsfreunden für eine Jagd treffen. Ich muss nur kurz um dich herum...", erklärte sie, "Wobei das wohl vielleicht eine dumme Idee wäre, jetzt mitten durch Vancouver zu rennen. Du würdest ganz schön auffallen..."

Völlig unbeeindruckt von Serenas, schwachem Fluchtplan lief er auf sie zu. Mit jedem Schritt, den er näher kam, erwartete Serena halb, dass ihr Ende bevorstand. Doch stattdessen begann er, sie zu beschnuppern – eine Geste, die freundlich sein sollte. Sein gewaltige Schnauze rieb schließlich an ihrer Schulter, und für einen Moment war die Welt um sie herum still.

"Oh ok.", sagte sie nervös. Sie hielt den Atem an, nicht sicher, was als Nächstes kommen würde. Doch die Wärme seines Fells gegen ihre Haut und sein Gewicht, das so bedrohlich und gleichzeitig tröstend war, ließen sie langsam entspannen.

Zögerlich, als fürchtete sie, sie könne ihn aufschrecken, strich sie ihm durch das dichte, glänzende Fell. Es war weicher, als sie es erwartet hatte, und roch nach Wald – nach Erde, nach Freiheit und nach einem wilden Leben, das sie sich kaum vorstellen konnte. Langsam, mit resignierter Akzeptanz, ließ Serena das Messer sinken und legte es schließlich beiseite.

Rising Omega: Die Versuchung des AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt