Kapitel 32

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Nathan stand am Fenster seines Büros und starrte hinaus in die Dunkelheit der Nacht. Der Vollmond hing groß und leuchtend am Himmel, sein silbernes Licht warf lange Schatten auf das Anwesen. Die vergangenen Wochen hatten sich endlos hingezogen, und jede Minute war von wachsender Sorge und Verzweiflung erfüllt gewesen.

Serenas Zustand hatte sich dramatisch verschlechtert. Das Ritual, das Mara durchführte, schien sie nicht von ihrem Fluch zu befreien, sondern sie nur weiter zu schwächen. Nathan hatte beobachtet, wie sie zunehmend Gewicht verlor, wie ihre einst strahlenden Augen stumpf und leer wurden. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst, ein Geist, der durch die Hallen des Rudelhauses schlich und versuchte, ihren Pflichten nachzukommen.

Nathan hatte ihr wiederholt gesagt, dass sie sich ausruhen sollte, hatte ihr sogar mit einer Kündigung gedroht, doch Serena hatte stur weitergearbeitet. Sie war entschlossen, ihre Aufgaben zu erfüllen, selbst wenn es sie zerstörte. Ihre Entschlossenheit war bewundernswert, aber sie brachte Nathan zur Verzweiflung.

Heute während des Vollmonds, wirkte das Ritual intensiver als sonst. Nathan hatte Serena vor Schmerzen schreien gehört, ihr qualvolles Stöhnen hallte durch die Gänge des Anwesens und bohrte sich tief in sein Herz. Den Kopf gegen das Fensterglas gelehnt kämpfte er mit dem Drang, den Raum zu stürmen und sie zu retten.

Die Schreie wurden intensiver, und Nathan ballte die Fäuste, seine Nägel gruben sich in seine Handflächen. Etwas stimmte nicht. Es war schlimmer als sonst. Er spürte das. Sein Wolf wurde unruhig und auch er schien sich kaum noch halten können. Als ein anderer schmerzerfüllter Schrei das Stockwerk bis in sein Mark erschütterte, reichte es ihm.

Nathan konnte nicht länger tatenlos zusehen. Er wusste, dass Mara versuchte, den Fluch zu brechen, aber inzwischen zweifelte er daran, dass es ihr jemals gelingen würde. Die Rituale schienen Serena nur langsam und qualvoll zu töten, und er konnte es nicht länger ertragen.

„Es reicht", murmelte er entschlossen und stieß sich ab. Mit festen Schritten ging er zur Tür der Bibliothek und riss sie auf. Das Licht der Kerzen und die aufsteigenden Rauchschwaden erfüllten den Raum. Mara kniete am Altar, ihre Hände erhoben und die Augen geschlossen, während Serena am Boden lag, vor Schmerzen gekrümmt und vollkommen wehrlos.

„Hör auf!", rief Nathan, seine Stimme war hart und gebieterisch. „Das reicht, Mara. Sie kann nicht mehr."

Mara öffnete die Augen und sah ihn an, ihr Gesicht war eine Maske der Erschöpfung und Entschlossenheit. „Alpha, wir sind so nah dran. Noch ein bisschen mehr, und wir könnten den Fluch brechen."

"Du tötest sie.", zischte er als er in den gezeichneten Kreis aus Kerzen und Kristallen trat. Ein reißender, brennender Schmerz durchzog seinen Körper, als er versuchte, Serena aufzuheben. Seine Muskeln zogen sich zusammen, und er biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Mit einem entschlossenen Griff hob er Serena hoch, ihre schlaffe Gestalt fühlte sich erschreckend leicht und kalt an. Er trug sie aus dem Raum, die Schreie der Rituale und der scharfe Geruch von Rauch und Kräutern verblassten hinter ihm. Er ordnete seinem Diener an, die Heilerin erst einmal hier zu behalten.

Jeder Schritt schien eine Ewigkeit zu dauern, aber Nathan hielt durch. Er konnte spüren, wie schwach und gebrechlich Serena geworden war, und das erfüllte ihn mit einer Mischung aus Wut und tiefer Traurigkeit. Endlich erreichte er sein Zimmer, wo er sie sanft auf das Bett legte und sie sorgfältig zudeckte.

Er stellte die Klimaanlage auf Heizen, um den Raum schnell zu erwärmen, und zog sich selbst aus, seine Kleidung achtlos auf den Boden werfend. Dann legte er sich neben Serena, schlang seine Arme um sie und versuchte, ihr durch die Wärme seines Körpers ein wenig Trost zu spenden.

Rising Omega: Die Versuchung des AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt