Kapitel 31

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Serena saß an ihrem Bürotisch und starrte auf die Verträge, die sie für Nathan vorbereitet hatte. Die Tinte war noch frisch, und die Seiten waren ordentlich gestapelt. Serena hatte sich in ihre Aufgaben vertieft, um nicht an die Geschehnisse der letzten Nacht denken zu müssen. Sie war froh in ihrer "Normalität" zu sein, weg von dem Wolfshaus, ihrem neuen Zuhause, an das sie sich nur schlecht gewöhnt hatte, und weg von Nathan, vor dem sie am liebsten flüchten würde, um sich nicht mit den Gefühlen auseinander setzen zu müssen, die er in ihr auslöste.

Nathan hatte sich den ganzen Tag nicht im Büro blicken lassen, und sie fragte sich, ob sie ihm heute überhaupt begegnen würde. Ihr Blick wanderte immer wieder zur Tür des Aufzugs, als ob sie erwartete, dass er jeden Moment hereinkommen würde. In ihrem Kopf schwirrte die Erinnerung an seinen verletzten Gesichtsausdruck, der sich in ihre Augenlider gebrannt hatte. Er hatte so verletzt gewirkt, so gar nicht, wie der stolze Alpha, den sie sonst in ihm sah.

Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Die Stille des Büros am Nachmittag war fast überwältigend. Die meisten ihrer Kollegen hatten sich bereits auf den Weg nach Hause gemacht, und nur wenige waren noch in ihren Büros, vertieft in ihre Arbeit. Das sanfte Ticken der Wanduhr und ein leiser Klang eines Radios war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Serena konnte die leisen Gespräche und das gelegentliche Lachen aus dem hinteren Büro hören, aber sie fühlte sich wie immer isoliert und allein.

Um sich abzulenken, beschloss Serena, einige Akten wieder zurück ins Lager zu bringen, wo sie archiviert wurden.  Sie nahm die Ordner, die sich auf ihrem Schreibtisch gestapelt hatten, und machte sich auf den Weg durch die stillen Gänge des Büros. Das sanfte Licht der Nachmittagsstunden fiel durch die Fenster und tauchte die Korridore in ein warmes, goldenes Licht.

Das Lager war ein kleiner, fensterloser Raum am Ende eines Flurs, vollgestopft mit Regalen und Archiv-Kisten. Als sie die Tür öffnete, hörte sie gedämpfte Stimmen aus einer Ecke des Raumes. Sie wollte sich sofort zurückziehen, doch sie hörte einen Satz, der sie Innehalten ließ.

„Warum hat er sie aufgenommen? Eine Omega? Das ist doch albern." Die Stimme war spöttisch und abfällig, und Serena erstarrte.

„Vermutlich hat er sich dieser armseligen Seele erbarmt. Es könnte sein, dass auf ihr ein Fluch lastet.", sprach eine weibliche Stimme. 

Sie hörte wie die zweite Person scharf die Luft einzog. "Das ist nicht dein ernst?"

Sie erkannte die Stimmen – es waren zwei der Verwaltungsangestellten, die oft im Büro arbeiteten.

„Doch. Eine andere Omega, die im Wolfshaus hilft, hat gesehen, wie ihre Haut davon gezeichnet war. Anscheinend versucht der Alpha, den Fluch zu brechen." 

„Er wird nicht mehr lange Alpha bleiben, wenn er sich weiter um eine Omega bemüht." Die erste Stimme klang jetzt fast triumphierend.

Serenas Herz pochte und schien zugleich zu zerbrechen. Also hatte Alex Recht. Ihr Dasein schadete Nathan. sie fühlte, wie die Wut in ihr aufstieg.

„Hör auf", flüsterte die zweite Frau plötzlich, ihre Stimme war jetzt voller Panik. „Das ist Hochverrat, was du da sagst."

"Ist da jemand?", fragte eine der Frauen plötzlich. Serena wich zurück und zog sich schnellstmöglich zurück ehe sie sich zeigen musste. Sie rannte zurück ins Büro, mit hochrotem Kopf und einem pochenden verletzten Herzen.

Die Erinnerungen an die Blicke, das Tuscheln und die schneidenden Kommentare kamen zurück, und sie fühlte sich schwach und unwürdig. Es war, als ob sie all die alten Wunden erneut durchlebte, und die Zweifel und Ängste kehrten mit voller Wucht zurück.

Serena eilte den Korridor entlang, ihr Herz schlug wild und ihre Schritte hallten laut in der Stille des Büros nach. Sie wollte nur noch weg, weit weg von den Stimmen, die ihre düstersten Ängste bestätigt hatten. Ihr Blick war nach vorne gerichtet, die Ordner fest umklammert, als sie plötzlich mit einer festen Gestalt zusammenstieß. Die Wucht des Aufpralls ließ sie taumeln, und die Ordner entglitten ihren Händen, Papiere wirbelten durch die Luft wie Blätter im Wind.

Rising Omega: Die Versuchung des AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt