Kapitel 29

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Die Nacht des Vollmonds brach an, und das Rudel versammelte sich schweigend in der Nähe eines Seeufers am Wolfshaus. Fackeln waren um das Seeufer platziert, sodass sie den Platz in ein sanftes, flackerndes Licht tauchten. Serena, begleitet von Nathan, trat in einen Kreis aus gesammelten Steinen, der als heiliger Raum galt. Ihr Herz schlug schnell vor Aufregung und Nervosität. Sie fühlte die vielen Augen auf sich gerichtet, deren Blicke schwer zu deuten waren. Diese starren, meinungslosen Gesichter in der Menge versetzten ihr einen Stich der Unsicherheit. Sie wusste, dass sie, ohne ihre Wölfin, das kollektive Denken des Rudels nicht fühlen konnte, was sie noch mehr isolierte.

"Es ist alles in Ordnung", beruhigte Nathan sie. Er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: "Du siehst wunderschön aus."

Die tintenschwarzen Male auf ihrem Körper waren inzwischen verblasst und waren nur noch ein leichtes Schimmern bei Tageslicht. Serena trug ein schlichtes, weißes Kleid, das heute Abend auf ihrem Bett gelegen hatte. Das Kleid reichte bis zu ihren Knöcheln und umgab sie mit einer ätherischen Schönheit. Der leichte Stoff wehte sanft im Nachtwind und ließ sie wie eine Erscheinung wirken. Das Kleid in dem sie in den See getauft werden würde, bedeutete einen Neubeginn. Ihre Gedanken kreisten um die Bedeutung dieses Augenblicks, die Hoffnung, dass dies ein Neubeginn für sie sein könnte. 

Der älteste der Wölfe trat vor, seine Stimme hallte über das Wasser, als er begann, die alte Sprache zu sprechen, die Worte des Willkommens und der Einbindung. Er erklärte die Bedeutung des Mondwassers, das traditionell verwendet wurde, um neue Mitglieder zu reinigen und sie willkommen zu heißen.

Serena spürte, wie jede Faser ihres Körpers unter der Last der Erwartungen vibrierte. Sie fragte sich, ob sie jemals wirklich ein Teil dieses Rudels sein könnte, ob sie jemals die Stille in ihrem Inneren überwinden und ihre Wölfin befreien könnte. Doch tief in ihrem Herzen wusste sie, dass ihr gar keine andere Wahl blieb als es zu wagen. Also trat sie ins eiskalte Wasser.

Die Stille, die während der Zeremonie herrschte, war beinahe greifbar. Die Kälte ließ sie zusammenzucken, doch sie stand fest, ihre Augen geschlossen, während der Weise leise zur Mondgöttin sprach und um einen Abschied vom alten Rudel bat. Dann schöpfte er mit einer alten, geschnitzten Schale Wasser aus dem See und goss es vorsichtig über Serenas Kopf.

Als der Weise den letzten Segen sprach, hoben die Anwesenden ihre Stimmen zu einem tiefen, harmonischen Heulen an, das den Nachthimmel erfüllte. Es war ein Klang der Einheit und Stärke, und trotz ihrer Ängste spürte Serena eine Verbindung zu diesen Stimmen, eine Sehnsucht, sich ihnen anzuschließen.

Nathan trat einen Schritt vor, sein Blick ernst und durchdringend. Er hob die Hände, um die Aufmerksamkeit des Rudels auf sich zu ziehen, und begann zu sprechen.

„Meine Familie, heute ist ein besonderer Tag für uns alle. Wir heißen Serena in unserer Mitte willkommen. Sie mag als Omega hierher gekommen sein, aber sie bringt eine Stärke und eine Entschlossenheit mit, die wir alle respektieren sollten." Seine Stimme war fest und klar, durchdrungen von Autorität und einer tiefen Überzeugung. „Wir alle wissen, dass der Rang eines Omegas oft mit Schwäche und Unterordnung verbunden wird. Aber ich sage euch, dass dies nicht der Fall ist. Die wahre Stärke eines Rudels liegt in unserem Zusammenhalt, in unserem gegenseitigen Respekt und in unserer Fähigkeit, uns unabhängig von der Hierarchie gegenseitig zu stützen. Jeder von uns hat seine Rolle und seine Bedeutung in diesem Rudel, und das gilt auch für unser neues Mitglied."

Danach reichte er Serena die Hand und zog sie aus dem Eiskalten Wasser heraus. Eine Wölfin legte ihr eine wunderschön bemalte Decke über ihre zitternden Schultern.

Serena fühlte, wie ihr Herz bei Nathans Worten schneller schlug. Sie hatte erwartet, dass Nathan sie beschützen würde, aber nicht, dass er sie so öffentlich verteidigen würde. Ein warmes Gefühl der Dankbarkeit durchströmte sie, und sie konnte nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen stahl.

Rising Omega: Die Versuchung des AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt