Kapitel 8

855 57 4
                                    

~Zwei Wochen später~

Die Jungs kamen mit der Musik echt voran und es entstanden wirklich coole Sachen, aber das Wahre war es noch immer nicht. Es war wieder einer der Tage wo ich total verpeilt auf der Couch saß und die Jungs alles mögliche ausprobierten.

Ich spürte einen kurzen Schmerz im Auge und war mir sicher, eine Ader sei geplatzt. Das durfte jetzt nicht passieren! Ich müsste die Kontaktlinsen herausnehmen. „Ich geh mal kurz auf's Klo", rief ich und verließ flutartig das Studio.

Ich spürte ihre Blicke in meinem Rücken, aber ich hielt mein schnelles Tempo bei. Im Bad angekommen stürzte ich ans Waschbecken und sah in mein blutiges Auge. Wut, Angst, Enttäuschung und Hass flammten in mir auf. Ich konnte nicht zurück ins Studio. Meine Augen füllten sich mit Tränen und meine Kontaktlinsen wurde dabei herausgeschwemmt. Ich atmete tief durch und ging in mein Zimmer.

Vorsichtshalber schloss ich ab. Taddl und Ardy waren einmal bei mir im Zimmer, als Marley ins Fitnessstudio ging und wir dann nichts zu tun hatten. Keine fünf Minuten später kam eine Nachricht. [Taddl: Alles in Ordnung? Wo bleibst du?]

[Amira: Es geht...macht ruhig alleine weiter...mir geht es nicht so gut]

[Taddl: Sollen wir gehen?]

[Amira: Quatsch. Ihr stört ja nicht]

[Taddl: Falls was ist sagt du Bescheid ok?]

[Amira: Alles in Ordnung, mir ist nur nicht ganz wohl]

Mir wurde bei der Lügerei tatsächlich schlecht. Seltsamer Weise war Taddl immer der Erste der sich um mich kümmert, aber mir war es auch lieber so. Noch immer waren die Jalousien geschlossen und nur vereinzelt fiel etwas Licht in mein Zimmer.

Ich liebte die finstere Atmosphäre. Sie beschrieb meine momentane Situation zu gut. Ein Kind mit viel Geld aber ohne Eltern. Versucht mit der „Krankheit" zurecht zu kommen. Verlassen vom Ex. Alleine. Tränen fielen auf mein Kissen. Jede einzelne Träne die mein Auge verließ war ein weiterer Beweis meiner Schwäche.

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, aber es wurde immer dunkler, was hieß dass die Sonne unterging. Ein schüchternes Klopfen ertönte. Es war anders als das Klopfen meiner Eltern oder der Haushälterin.

„Ja?", fragte ich in der Hoffnung nicht verheult zu klingen. „Die Jungs würden gehen, ich wollte nochmal nachfragen ob alles ok ist. Dein Abgang war total ruckartig und dann haben wir auch nichts mehr von dir gehört. Ehrlich gesagt hab ich mir ein wenig Sorgen gemacht", hörte ich Taddl vor der Türe sprechen. „Ist alles in Ordnung, mir war nur nicht so wohl", log ich. Ich konnte mir Taddls Gesicht zu gut vorstellen. Es war klar, dass er mir nicht glauben würde. Nicht mal ich selbst glaube mir. „Darf ich rein kommen?", hörte ich ihn verzweifelt fragen. „Wollten die Jungs nicht gehen?", nuschelte ich etwas lauter, so dass er mich hören konnte. Ich wollte nicht das Taddl meine Augen so sah. „Ich würde auf der Couch schlafen wenn das ok ist oder später einfach den Bus nehmen", erklärte er. „Mach dir doch keine Umstände", meinte ich.

Er sollte nicht wegen mir hier bleiben oder gar den Bus nehmen. „Ich würde die Nacht wach liegen und nachdenken...", gab Taddl zu. Ich seufzte, fuhr durch meine Haare und öffnete die Türe. Taddl lächelte mir entgegen. Sein Lächeln war so ansteckend, dass auch ich lächeln musste, obwohl mir gar nicht danach zu mute war.

Ich zog die Türe weiter auf und ließ Taddl in mein dunkles Zimmer. Etwas unbeholfen stand er in der Dunkelheit, da seine Augen noch nicht an das Dämmerlicht gewöhnt waren. Ich nahm ihn am Arm und zog ihn zum Bett, wo er sich neben mir auf der Kante niederließ. „Was war los?", fragte er direkt raus. „mir ging's nicht gut", murmelte ich wieder. „Ich höre doch genau, dass das nicht stimmt...sonst bist du doch nie so", sagte Taddl leise. „Eine Ader in meinem Auge ist geplatzt", presste ich den Tränen nahe hervor.

„Tat das weh?", fragte Taddl mitfühlend. Ich schüttelte den Kopf. „Warum bist du dann einfach gegangen?", fragte er traurig. „Ich musste die Kontaktlinsen herausnehmen", erklärte ich. Anhand Taddl Gesicht sah ich, dass er nicht verstand wo das Problem lag. „Zieh doch einfach eine Brille auf", meinte er. „Ich hab die Kontaktlinsen aber nicht wegen einer Sehschwäche", sagte ich. „Warum dann?", stellte er die offensichtliche Frage.

Ich atmete tief durch. „Ich trage farbige Kontaktlinsen weil ich meine Augen nicht mag", sagte ich die Wahrheit. Taddl wurde still. Warum sagte er nichts?? Ich wusste, dass es ein Fehler war. „Das ist doch dumm...du bist toll wie du bist", sagte Taddl endlich. „Aber meine Augen sind scheiße", murmelte ich. „Warum denn?", fragte Taddl verwirrt. „Die Farben....sie sind nicht normal", meinte ich. „Das ist doch cool. Meine sind einfach nur blau. Viele sagen es sei wunderschön, aber es ist so normal...welche Augenfarbe hast du eigentlich? Ich kenne nur deine dunkelbraunen Augen", sagte Taddl.

„Du merkst dir welche Augenfarbe ich habe?", fragte ich erstaunt. „Ja, die Farbe sah voll schön aus. Perfekt...jetzt weiß ich warum", murmelte Taddl. „Dunkelblau schwarz", sagte ich. „Was?", fragte Taddl verwirrt. „Meine Augenfarbe...dunkelblau schwarz", wiederholte ich.

„Das ist normal, nur selten halt", meinte Taddl. „Komm mit", meinte ich und nahm seine Hand. Ich zog ihn ins angrenzende Bad und stellte uns vor den Spiegel. Bevor ich das Licht einschaltete schloss ich die Augen. Meine Finger stießen gegen den Lichtschalter und es wurde heller. Ich öffnete die Augen und starrte genauso wie Taddl in meine Augen.

Er wusste nicht was er sagen sollte. Mein blaues Auge war zudem noch blutunterlaufen. Ich spürte wie sich Tränen in meinen Augen bildeten und drehte mich zu Taddl. Auch er hatte es bemerkt und nahm mich wortlos in den Arm.

Ich fing an zu weinen. Es war das erste Mal, dass jemand der nicht zu meiner Familie oder Freyja war mich weinen sah. Mir war es egal, dass ich ihn erst seit drei Wochen kannte. Ich weinte den ganzen Schmerz, die Einsamkeit, meine Schwäche und all den Scham an seine Schulter. Meine Hände krallten sich in seine Jacke und seine Arme hielten mich fest. Ich fühlte mich wohl bei ihm.

Hydra Lab (DFA)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt