Der Wert des selbst

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Ich fuhr mit einem Gedanken sachte über die Kapsel in der ich meine wenige Fluchkraft verwahrte wie jemand der im Falle einer Dürre Regenwasser sammelte.
Dank der fehlenden Einsatz Chancen war diese bis zum Bersten gefüllt und wartete nur darauf, von mir geöffnet zu werden.
Da hat es sich also versteckt.
Das Echo eines glühenden Schmerzes zog über meinen Torso und ließ den Erinnerungsfetzen beinahe lebendig wirken. Mein Puls beschleunigte sich zu einem rasenden Rhythmus.
So erbärmlich.
Die Kapsel zerbrach unter meinem Willen, setzte die Kraft frei, die sich ihren Weg durch meinen Körper bahnte. Immer dem Weg folgend, den ich diktierte, bis sie in meiner Handfläche ankam und dort als Nachtschwarze Flamme zu Tage trat.
Was würdest du zu einem kleinen Handel sagen?
Ich ließ mein Feuer brennen, selbst als der letzte Rest Fluchkraft aus mir heraus floss und die Haut versengende Hitze, Knochen schmetternder Kälte wich.
Und dann sank ich in die Tiefe, fort von der Oberfläche meines Bewusstseins, die schnell nur noch ein verschwommenes Licht über mir war.
Nur über meine Leiche.
Der Schmerz kam wie ein brennender Pfeil, der sich in meinen Nabel bohrte und die Luft in meiner Lunge zu Rauch werden ließ.
Und dabei habe ich deine Kraft immer für unantastbar gehalten.
Die glühende Qual riss an mir und erzwang schließlich meinen Wiederaufstieg zur Oberfläche.
Was für eine Schande.
Ich kam zitternd wieder zu mir und unterdrückte den Drang meine vor Schmerz kreischenden Arme an meine Brust zu ziehen. Um mich herum hatte sich ein Ring aus Flammen eigenwillig ausgebreitet.
“Leg mal eine Pause ein, bevor du noch einen Waldbrand auslöst!”
Mein Kopf schoss in die Richtung von Shokos Stimme, die am Rand des Trainingsplatz stand, einen stets müde wirkenden Ijichi neben sich.
Mit einem erschöpften Atemzug erloschen die Überreste meiner Technik und hinterließ nichts als Asche Spuren auf dem Kies zu unseren Füßen.
“Hat Gojo dich geschickt?”
Auch wenn ich mich bemühte, die Frage genervt klingen zu lassen, schlich sich trotzdem etwas Weiches hinein.
Shoko stieß ein Schnauben aus.
“Nein, aber ihn hier schon.” Shoko deutete auf den Mann neben ihr, bevor sie an mich herantrat, um sich meinen Verbrennungen zu widmen.
“Bitte sag mir nicht, dass du hier bist, um an seiner Stelle ein Auge auf mich zu haben.” mit einem Ausdruck, der puren Stress ausstrahlte, richtete Ijichi seine Brille zurecht, bevor er den Kopf schüttelte.
“Gojo-san hat mich nur gebeten, etwas zu besorgen.” Neugierige Blicke richteten sich auf den hageren Missionskoordinator.
“Ich habe es schon auf euer Zimmer gebracht, Kodomo-san und damit verabschiede ich mich wieder.”
Bevor dieser aber weit kommen konnte, richtete ich mich nochmals an ihn.
“Ijichi-kun.” Besagter hielt inne und wandte sich uns Aufmerksam zu.
“Danke, für deine Mühe.” Ein schmales Lächeln breitete sich auf Ijichis Lippen aus, ehe er sich knapp verbeugte und sich daran machte, dem Kiesweg aus der Grube zu folgen.
Als ich mich wieder Shoko zuwandte, musterte sie mich forschend, meine beinahe geheilte Hand in ihren Händen.
“Ist was?” fragte ich verwirrt, worauf Shoko nur mit dem Kopf schüttelte und sich wieder ihrer Technik zu wandte. Als sie dann zu ihrer Zufriedenheit mit der ersten Hilfe fertig war, schleppte mich Shoko schon beinahe zurück aufs Schulgelände, mit der ärztlichen Anweisung, das Training für heute sein zu lassen.
Angesichts meiner frisch verheilten Haut konnte ich schwer etwas dagegen halten.
“Sehr subtil, dass muss man Gojo lassen.”
Murmelte Shoko, als sie hinter mir in mein Zimmer trat und wir beide zu dem riesigen Stapel Mangas starrten, der auf meinem Schreibtisch thronte wie eine Anhäufung unfertiger Arbeiten.
Es war erst gestern gewesen, dass ich Gojo das Versprechen gab, es mit dem Training nicht zu übertreiben. Nicht nur, dass ich dieses bereits ausdehnte, um mir selbst einreden zu können, dass ich es nicht brach. Gojo schien auch genau das von mir erwartet zu haben.
“Ich kann eure Sorge verstehen, wirklich. Aber meine Technik ist nun mal so wie sie ist, und besser ich lerne mit den Konsequenzen umzugehen, als mich mein Leben lang hinter euch zu verstecken.”
Ich wandte mich Shoko zu, die ihre Arme vor der Brust verschränkt hatte.
“Mit Konsequenzen meinst du sicher, dass dir die Haut von den Knochen schmilzt.”
Bemerkte sie trocken, wie jemand der einem Kind erklärte, wieso es weh tat, wenn es beim Spielen hin flog.
“Wenn ich es schaffe, den Fluch zu brechen, dann wird es- .”
Ich unterbrach mich selbst, als sich Shokos Gesichtszüge versteinerten.
“Wenn du den Fluch brichst?”
Ihrer Stimme wog plötzlich etwas aufgebrachtes bei, was ich mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich zusammenreimen konnte. Wie denn auch.
“Ist es das, was du willst, oder das was du denkst, das alle anderen wollen?”
Ich straffte meine Schultern und streckte mein Kreuz durch, um meiner Freundin meine Ernsthaftigkeit zu versichern.
“Was ist falsch daran, auch für andere etwas tun zu wollen?” Shokos Blick fand meinen, den ich hielt bis sie etwas weicher antwortete
"Nichts, solange es nicht zu einem Selbstzerstörungskommando wird.”
Mein Mund öffnete sich schon, doch Shoko fügte noch hinzu.
“Ich will damit nur sagen, dass du auch auf dich achten solltest. Du bist immerhin nicht für die ganze Welt verantwortlich.”
Gojo sprang mir so unvermittelt vor mein inneres Auge, dass sich eine Furche zwischen meinen Brauen bildete.
“Er aber auch nicht.”
Meine Stimme war weich aber fest und ließ Shoko einen Seufzer ausstoßen.
“Es geht mir aber nicht nur darum. Was ist, wenn ich dadurch auch meine Erinnerungen zurückbekommen würde.”
Was wäre, wenn ich endlich eine Chance bekommen würde, mich selbst zu finden.
Ihr Blick ging Richtung Boden, bevor ihre Schultern es diesem gleich taten.
“Ich will es dir nicht ausreden."
Wenn es etwas gibt, womit man Shoko beschreiben konnte, dann ihre unglaubliche Gefasstheit gegenüber den meisten Gefühlen und doch zeichnete sich jetzt ein kleiner Riss in einer Fassade, die ich nie wirklich als solche gesehen hatte.
“Ich bin nur müde, Freunde begraben zu müssen.” Mein Magen sank wie ein Stein und hinterließ ein schales Gefühl an der Stelle. Ich wollte meine Hand auf Shokos Arm legen im Versuch, etwas Trost zu spenden, doch sie zuckte zurück, bevor ich sie überhaupt berühren konnte.
Und bei allem was ich nun hätte tun können, entschied ich mich ausgerechnet für ein Versprechen, von dem ich nicht einmal sagen konnte, ob ich es halten würde.
“Mich wirst du so schnell sicher nicht begraben müssen.” und so wie Shoko mich im Gegenzug ansah, fürchtete sie dasselbe. Als Shoko sich darauf schweigend davon machte, ließ ich sie ohne ein weiteres Wort gehen.
Nicht weil es mir damit besser ging, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass Shoko es so wollte. Es benötigte bestimmt noch etwas Zeit, aber vielleicht würde ich irgendwann auch erkennen, was sie wirklich brauchte.
Kurz danach folgte ich meinem knurrenden Magen auf der Suche nach etwas Essbarem, das mit etwas Glück auch der Erschöpfung entgegenwirken würde. Und natürlich landete ich wegen Mangel an Energie für Alternativen im Eingangsbereich des Schulgebäudes, wo meine alte Kundschaft geschäftig surrend praktisch auf mich wartete.
Und mit ihnen ein vertrautes Gesicht, das mir ein Lächeln auf die Lippen zauberte.
“Was machst du denn hier?”
Haizawa drehte sich mit einem breiten Strahlen zu mir um und deutete auf den geöffneten Automaten hinter ihm.
“Ich hab dich auch vermisst.”
Gab er zurück und begann ziemlich offensichtlich mich von Kopf bis Fuß zu mustern. Als er damit fertig war, schien sich seine Haltung zu entspannen und gleichzeitig zu versteifen.
“Du siehst besser aus.”
Bemerkte er langsam und wurde im selben Zug peinlich berührt, als er realisierte, was genau gerade aus seinem Mund gekommen war.
“Also ich meine, du siehst aus, als ob es dir hier gut geht.” korrigierte er sich selbst und suchte nach weiteren Erklärungen dafür, was er meinte, während er begann, sich am Hinterkopf zu kratzen.
Allerdings erlöste ich den armen Kerl, bevor er sich noch weiter verzetteln konnte.
“Mir geht es auch gut, danke.”
Wärme breitete sich wohlig warm in mir aus, als ich die Worte aussprach.
Nicht nur weil sie wahr waren, sondern auch weil es mir im Gegensatz zu meinem vorherigen Leben wie ein Privileg vorkam.
“Aber das habe ich vermutlich den Menschen um mich herum zu verdanken.”
Ich würde mir um nichts in der Welt ausmalen wollen, was mit mir passiert wäre, wenn Gojo und Kento vor all diesen Wochen nicht aufgetaucht wären.
Was passiert wäre, wenn sich niemand für mich eingesetzt hätte.
Kurz in meinen eigenen Gedanken abgedriftet bemerkte ich zu spät, dass sich Stille zwischen uns ausgebreitet hatte und Haizawa mich mit einem forschenden Ausdruck beobachtete.
“Entschuldige.” Flüsterte ich beinahe schon. Ich konnte mir nicht ausmalen, wie sich Haizawa fühlen musste, nach all den Jahren, in denen er allein die einzige Stütze war, die ich kannte.
“Du musst dich für nichts entschuldigen.”
Versicherte er mir und nahm etwas von der Anspannung in seinen Schultern.
“Ich bin froh, wenn es dir jetzt besser geht.” ich nickte ihm dankbar zu, da mir die Worte ausgegangen waren.
“Kann ich dir etwas anbieten, um alte Zeiten willen?” Er deutete auf den gut bestückten Automaten und grinste mich beinahe schon sorglos an.
Ich spiegelte seine Mimik im Versuch, die Melancholie abzuschütteln, die plötzlich an seiner Anwesenheit zu hängen schien.
Er reichte mir schließlich eine der Packungen mit Wasabi Erdnüssen, die ich schon beinahe gierig aufriss.
“Langsam, so teuer wie die sind, sollte man sie genießen.” Haizawa lachte, verputzte die Handvoll die ich ihm anbot aber genauso schnell wie ich meine.
Und für einen Augenblick schien es wirklich wie früher zu sein.
Wenn es schon so spät war, dass wir weder die Dienstwagen noch die Bahn nach Hause nehmen konnten und buchstäblich im Büro fest steckten, war es oft so gewesen, dass wir es uns einfach mit frisch abgelaufenen Snacks gemütlich gemacht hatten.
Vor einigen Monaten noch wäre es einer der seltenen Momente gewesen, die mich zusammengehalten hätten. Doch jetzt war es nicht mehr als eine Erinnerung, die ich mit der Andeutung eines Lächelns observierte. In dem Wissen, dass mein Leben niemals wieder so sein würde.
Von Auszehrung geprägt, die zuerst meinen Geist und folglich meinen Körper in den Abgrund getrieben hatte.
Ohne Aussicht, diesem wieder zu entkommen. Und doch stand ich nun abseits von diesem.
Ein Erfolg, der nicht mir allein gebührt.
Aber mir Antrieb gab, denen etwas zurückgeben zu können, die zu diesem beigetragen hatten. Doch um das zu können, musste ich das, was mich einschränkte, beseitigen.
“Meinst du nicht, dass deine Methode etwas über die Strenge schlägt?”
Kreidete Haruki zu allem Überfluss meine Trainingsmethode zwei Tage später an, während sie kühlende Salbe auf meinen Armen verteilte und reihte sich damit direkt hinter Shoko ein, der ich eigentlich genau deswegen aus dem Weg ging.
“Wer hat denn schon jemals etwas erreicht, ohne ein Hindernis überwinden zu müssen.” Mittlerweile hörte ich mich in meinen eigenen Ohren schon wie eine kaputte Schallplatte an.
“Wenn dieses Hindernis deine Knochenstruktur bedeutet, kann ich dir versichern, dass du ziemlich nah dran bist.” ich verzog das Gesicht bei ihrer Bemerkung und versuchte den Gedanken auszublenden, dass Haruki sich beinahe genauso wie Shoko anhörte.
“Danke für deine Bemerkung.”
Erwiderte ich sarkastisch und erntete von meinem fröhlichen Gegenüber ein ehrliches “Gern geschehen.” Bevor sie nach der ersten Rolle Mullbinde griff.
Ich hatte es aufgegeben zu erklären, was genau sich seit dem Aufeinandertreffen mit Sukuna verändert hat, dass ich auf die Idee kam, regelmäßig über meine Grenze hinaus zu schreiten.
Aber mir war selbst schon klar geworden, wie es von außen hin wirken musste.
Als wollte ich mit dem Kopf durch die Wand, ohne zu wissen, was sich dahinter befand. Und genau so war es am Ende des Tages auch. Egal was ich mir auch ein bildete zu verstehen, wenn ich erstmal dabei war, sobald es mich zurück an die Oberfläche zwang, war es wie fort gewischt. Doch da es keine Option war, Sukuna zu bitten, eine genauere Gebrauchsanweisung heraus zu rücken, blieb mir nichts anderes übrig, als meinem Bauchgefühl zu trauen und es weiter zu versuchen. Außerdem wäre ich bestimmt nicht der erste Jujutsu Sorcerer der planlos mit seiner Technik um sich warf bis man endlich ins Ziel traf.
Wichtig war doch nur, dass man es traf.
Das Vibrieren eines Handys holte mich aus meinen Gedanken zurück. Allerdings war es zu meiner Enttäuschung nicht meins, dass eine Nachricht empfangen hatte.
“Wer schreibt?”
Fragte ich neugierig, als Haruki nicht aufhörte auf den Touchscreen zu starren.
“Nanami-san.” Ihre Stimme machte einen akustischen Bogen, als wäre sie sich nicht sicher, wie sie darauf reagieren sollte.
“Und das ist schlecht?”
Legte ich verwirrt nach und erhielt eine noch unschlussreichere Antwort.
“Nein.”
Huh.
“Also?”
Hackte ich nochmal nach.
“Er schreibt, ob ich Lust hätte, mit ihm auf das Sommerfest zu gehen.”
Ich verkniff mir eine überspitzte Reaktion darauf und versuchte stattdessen, weiter sachlich Informationen zu sammeln.
“Aber du willst das nicht?”
Ich setzte mich etwas gerader auf, um mit Haruki auf Augenhöhe zu sein, die egal ob ich stand oder saß gut einen halben Kopf größer war als ich.
“Doch.” Ihre Stimmlage war sicher, aber alles an ihren Gesichtszügen schrie Unsicherheit aus.
“Was ist dann das Problem?”
Ich konnte gar nicht glauben, wie einfach sich diese fünf Worte an hörten, nach all dem wochenlangen Umkreisen, die ich mit Gojo erlebt hatte.
“Ich schätze gar nichts.”
Haruki zuckte mit den Schultern, doch der rote Ton auf ihrer Nase verriet sie.
“Würdest du vielleicht mitkommen, nur damit, ähm.” stammelte sie und begann mit einer ihrer langen Locken zu spielen.
“Es nicht wie ein Date aussieht?”
Sprach ich das Offensichtliche so wenig grinsend wie möglich aus.
“Wäre es denn sonst ein Date?”
Sie zog die Locke zwischen ihren Fingern gerade und betrachtete die Haarsträhne nachdenklich bevor sie fast schon bedauernd antwortete
“Vermutlich nicht.”
Darauf konnte ich schlecht etwas antworten. Stattdessen gab ich meine Einwilligung, mein Training zugunsten des nicht Dates beiseite zu legen.
Als der Nachmittag langsam seine Züge zugunsten des Abends verlor, betrat ich mit einem geliehenen Kimono mein Zimmer. Ich hielt inne, nachdem ich das grau weiß gemusterte Stoff Ungetüm auf dem Bett abgelegt hatte und ein angenehmer Duft von etwas aus der Natur meine Nase kitzelte.
Den Ursprung fand ich schließlich auf meinem Nachtkästchen in einer schlichten Glasvase. Ich ließ eine Fingerspitze über das prachtvoll ausgestreckte Blütenblatt der weißen Lilie gleiten.
Eigentlich wäre es mir lieber den Absender der Blüte hier zu haben, der dieselbe beruhigende Wirkung auf mich hatte wie der Honigartige Duft der Blume.
Allein das Gojo sich die Zeit nahm etwas zu schicken, sollte eigentlich genug sein.
Doch trotzdem war es das nicht.
Nicht wenn er da draußen war, auf der Suche nach etwas, das wir nicht im Geringsten verstanden und die Macht hatte, ihm gefährlich zu werden.
Aber wer war ich mehr von ihm zu verlangen, als er geben konnte?

One Coke and your Curse to go  *°• GojoXOc •°* a Jujutsu Kaisen StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt