Der sanfte Geruch von einer Winternacht war das erste, was ich wahrnahm.
Kühl und frisch füllte er meine Lungen, rüttelte mich aus den Träumen geprägt von Einsamkeit wach.
Dann war da ein Ziehen an meinem kleinen Finger, an dem ein beinahe durchsichtiger roter Faden befestigt war, der wie ein Wegweiser in der Finsternis meines Gefängnisses verschwand.
Von dem mein Herz und meine Seele wussten, wohin er mich führen würde.
Zu wem das andere Ende gehörte.
Abertausende Skelette klapperten um mich herum als ein Zittern durch die Grundfeste des Gefängnisportals zog.
Stolz ließ meine Brust anschwellen, als Knochen begannen zu brechen, unter der Wucht der nächsten Erschütterung.
Dann breitete sich ein Lächeln auf meinen Zügen aus, das von dem Licht der Außenwelt scheinbar reflektiert wurde.
Als das Tor weit genug geöffnet war, befreite ich mich selbst von meinem unbequemen Gefängnis und setzte mit dem nächsten Gedanken den Fuß auf verkohlten Boden.
Die Freiheit hüllte mich in Düsternis ein, so dunkel, dass ich einen Augenblick blind war. Der metallische Geschmack von Asche und Blut lag so dick in der Luft, dass es in meinem Nacken kribbelte.
Meine Fluchkraft flackerte angriffslustig auf, als meine Six Eyes den fremd besetzten Körper meines Freundes erfassten.
Umschlossen von Flüchen und einer uralten Essenz, die selbst an Sukuna heranreichen konnte.
Meine Muskeln spannten sich elektrisierend an, standen kurz davor die Bedrohung mit dem nächsten Gedanken einen Kopf kürzer zu machen.
Als sich mein Herz so schmerzhaft zusammen schnürte, dass es für einen Schlag seine Funktion vergaß.
Mein ebenbürtiges Gegenstück.
Diese starke Seele, eingehüllt von Flammen aus reinem Sternenlicht.
War nun nichts als ein Funke kurz vor dem Erlöschen.
Mugen flimmerte dicht an meiner Haut, sirrte in meinen Ohren wie ein statischer Ton. Jede Information über meine Umgebung radierte sich aus meinen Synapsen, bis nichts anderes mehr existierte als Tsuki.
Deren Körper regungslos am Boden lag.
So zerfressen von ihren Flammen, dass ich auf den ersten Blick nicht einmal sagen konnte, wo ich eine unversehrte Stelle an ihr finden würde.
Horror raubte mir den Sauerstoff aus meiner Brust, als ich neben ihr auf die Knie sank.
Zaghaft berührten meine Fingerspitzen die Rundung, an der ihre Schulter in den Oberarm überging.
Weil ich mir irgendwie bewusst werden musste, dass dies die Realität war, bevor ich sie bis auf die Grundfesten niederreißen würde.
Doch ehe das Monster zum Vorschein kommen konnte, riss mich etwas aus meiner Schockreaktion heraus.
Oder besser gesagt, Utahime.
Die schon immer zu den wenigen gehörte, die sich trauten, mir Paroli zu bieten.
Was in diesem Fall eine Ohrfeige bedeutete, die meine Wange in Flammen steckte.
Mir war schleierhaft, weshalb Mugen nicht darauf reagiert hatte, aber in diesem Ausnahmefall diente es nur zum Vorteil.
Ich starrte Utahime mit aufgerissenen Augen an, die mir wütend entgegen blickte.
“Reiß dich zusammen. Sie hat sicher nicht alles aufs Spiel gesetzt, um deinen arroganten Hintern zu retten, nur damit du jetzt durchdrehen kannst.”
warf sie mir aufgebracht entgegen, ließ ihren Blick dabei nach unten auf Tsuki gleiten.
Sie hatte recht. Natürlich hatte sie das.
Meine Priorität sollte jetzt vorrangig auf der Sicherheit von Tsuki liegen und nicht darauf, ihre Verletzungen zu vergelten.
Normalerweise war ich eher der Typ für Kampf statt Flucht, wenn es darauf ankam.
Vermutlich wäre Kampf auch die richtige Entscheidung, wenn es um das Wohl ganz Japans ging.
Aber gerade könnte auch die ganze Insel im Meer versinken und ich würde einfach tatenlos dabei zusehen.
Zähneknirschend pferchte ich das Kampf hungrige Monster ein, zügelte die Emotionen, von denen meine Fluchkraft in vollen Zügen trank, obwohl meine Kapazität bereits überlief wie bei einem vollen Glas Wasser.
Immer noch zögerlich berührte ich ihren Arm, während sich Mugen um sie schmiegte wie ein Kokon, der den flackernden Funken ihrer Präsenz davor bewahren wollte, endgültig zu verglimmen.
Bei dem Gefühl ihrer zerstörten Haut drehte sich mir der Magen um, doch viel besorgniserregender war die Menge an Blut, das scheinbar von überall kam.
“Bei den Göttern.” Fluchte ich und presste sofort eine Hand auf ihren Oberbauch, direkt unterhalb ihres Brustbeins, kaum dass meine Sixeyes die tiefste Wunde als Schwachpunkt kennzeichneten.
Ich hörte, wie Utahime scharf die Luft einzog, als ich sie so drehte, dass ihr Rücken halb auf meinen Knien lag.
Ihr Gesicht verzog sich, als ich so viel Druck auf ihren Oberkörper ausübte, wie es mir möglich war, ohne Gefahr zu laufen, noch mehr Schaden anzurichten.
Sofort war meine Handfläche nass.
Ohne darüber nachzudenken erfasste ich den Fluss ihres Blutes, zwang ihm meine Fluchkraft auf bevor ich sie so ruckartig umkehrte das mir beinahe davon schwindelig wurde.
Es war ein riskantes Unterfangen, wichtige Sekunden verstreichen zu lassen, aber die Angst, dass sie verblutete, sobald ich ihren Körper hoch nahm, war größer.
Mein Atem stockte zusammen mit Tsukis, als die Blutung stoppte.
Als wäre die Umkehrung an ihrem Wendepunkt eingefroren.
Damit würde ich sie zwar nicht heilen können, aber zumindest behielt diese schlechte Ausrede einer Umkehrtechnik Tsuki für den Moment am Leben.
Ich wagte nicht, auch nur einen Muskel in meinem Kiefer zu lockern, während ich mir behutsam ihren Körper auf die Arme lud.
Aus Angst, mir könnte die schlüpfrige Kontrolle wieder abhandenkommen, der ich in meiner Verzweiflung habhaft geworden war.
“Ich vertraue dir die Nachhut an.”
Presste ich hervor ohne Utahime dabei anzusehen, die mir prompt von meiner Seite aus entgegen schleuderte.
“So bist du mir hier ohnehin nicht von Nutzen, Gojo."
Mugen riss bereits den Raum zu meinem Willen auf, während Utahime mir noch den Standort von Shoko beschrieb.
Kaum dass ich gewiss war, den Ort exakt angepeilt zu haben, tat ich den Schritt durch meine unsichtbare Technik.
Ein Fluch wurde laut, als wir zwischen zwei Sorcerern auftauchten.
Ohne auf irgendjemanden zu achten, betrat ich das Gebäude, in dem der Geruch nach Blut und Tod bereits allgegenwärtig war.
Mir wurde kurz übel und ich drückte Tsuki etwas fester an meine Brust, erdete mich in dem Gefühl, ihren präsenten Puls zu spüren. Meine Stimme klang heiser in meinen Ohren als ich nach Shoko rief, die zwischen zwei besetzten Pritschen auftauchte. Ihre Augen weiteten sich bei meinem Anblick einen Herzschlag lang, bevor sie sich wieder besann.
“Leg sie dort drüben ab.”
Instruktierte Shoko gefasst und deutete auf einen freien Platz in der hintersten Ecke des Raumes.
Wie mechanisch setzte ich mich in Bewegung, erreichte dicht gefolgt von ihr die provisorische Pritsche.
Tsukis Körper zuckte kraftlos zusammen als ich sie darauf ablegte.
“Scheiße was ist passiert?”
Zischte Shoko mich an, während ihre Hände bereits an Tsuki herum drückten.
Ich blieb ihr eine Antwort schuldig.
Ein gequältes Röcheln drang zwischen Tsukis blutleeren Lippen hervor wie ein letztes verzweifeltes Aufbäumen.
“Verflucht.” stieß Shoko abgerissen hervor, packte Tsukis Arm und drehte sie auf die Seite, presste ihr eine Hand auf den Rücken.
“Ein glatter Durchschlag.” kam es nun murmelnd zwischen ihren Zähnen hervor, bevor sie mir bedeutete, gegen die Wunde vorne zu drücken.
“Du musst deine Umkehrung jetzt los lassen. So schwer es dir auch fällt.
Ich kann das Blut nicht aus ihrer Lunge entfernen, wenn du es blockierst.”
Mein Blick schoss skeptisch zu ihr, während sie mich eindringlich musterte.
“Die Blutung zu stoppen mag ihr bisher das Leben gerettet haben, aber wenn ich nicht zuerst ihre Lunge richte, wird sie uns noch ersticken.”
Protestierend leuchtete die Fluchkraft auf, mit der ich das Blut krampfhaft festhielt.
Verflucht, reiß dich zusammen.
Das ist Shoko. Eine der wenigen Menschen, denen du vertraust.
“Jetzt, Satoru.”
Ich stieß die Luft aus. Dann kappte ich den Energiefluss, der sich um Tsuki schlang.
Eisige Kälte schloss mich ein, als mir das Gefühl von ihrem Herzschlag abhanden kam. Stattdessen spürte ich, wie sich Shokos Fluchkraft entfaltete und stetig in Tsukis Körper sickerte.
Ein nasses Husten zitterte durch Tsuki hindurch, gefolgt von einem Schwall Blut, der aus ihrem Mundwinkel floss.
“Mach schneller.”
Trieb ich Shoko an, als meine Finger erneut von ihrem Blut durchtränkt wurden.
Ohne auf meine Bemerkung zu achten, vergingen einige quälende Sekunden, in denen ich Tsukis unebenen Atemzüge lauschte, in der stetigen Angst, dass der vergangene ihr letzter gewesen war.
Aber aus Sekunden wurden schließlich Minuten. Und aus unebenen Atemzügen wurden flache aber stetige.
Doch erst als Shoko sich aufatmend von ihr löste, wagte ich der Hoffnung, Raum zu geben, sich aufzurichten.
“Das war diesmal wirklich Haarscharf.”
Gab Shoko seufzend von sich und legte eine Hand auf meiner Schulter ab.
“Bedauerlicherweise ist aber noch nicht die Zeit zum Aufatmen."
Ohne von Tsuki fort zu sehen, nickte ich.
“Trotz das deine Versiegelung keine sechs Stunden angedauert hat, haben die Higher Ups das meist mögliche aus der Situation gezogen.”
Fast schon teilnahmslos lauschte ich Shokos Bericht, während ich eine wirre Haarsträhne nach der anderen hinter Tsukis Ohr strich.
Eine furche Durchschnitt die Stelle zwischen ihren Brauen als hätten die Schmerzen sie immer noch in ihrem Griff.
“Was auch immer es mit der Bestätigung von Getos überleben auf sich hat. Deren Konsequenz bestand darin dich aus der Jujutsu Society auszuschließen und jeden der versuchen würde dich zu befreien mit der sofortigen Todesstrafe zu ahnden.”
Meine Finger zuckten an ihrer Wange.
Das einzige Anzeichen für meine Abscheu gegenüber der Anordnung.
Nicht wegen meines Ausschlusses, sondern vielmehr dem Henkersschwert gegenüber, das zweifelsfrei bald über Tsuki schweben würde.
“Yaga haben sie direkt wegen Beihilfe zum Tode verurteilt. Was angesichts seines Ableben vor gut einer halben Stunde wohl hinfällig ist.”
Sachlich wie immer überbrachte Shoko auch diese Nachricht.
Keine Spur von Emotion für unseren ehemaligen Sensei.
Wer konnte es ihr auch schon verübeln, mit dieser Mentalität Hand in Hand zu gehen. Immerhin taten wir es alle.
Zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Andernfalls wäre der ein oder andere von uns mit Sicherheit schon zum Fluch mutiert.
“Yujis Aufschiebung wurde aufgehoben und für seine Hinrichtung ein Special Grade verpflichtet.”
Ein trockenes Auflachen riss sich von meinen Stimmbändern, bevor ich es aufhalten konnte.
“Ich nehme an, dass es sich bei diesem um Yuta handelt?”
In meinem Augenwinkel sah ich Shoko zweifelsfrei nicken.
Immerhin war dieser Backup Plan einwandfrei aufgegangen.
Und damit eine Sache weniger, um die ich mich im Moment kümmern sollte.
“Wenn ich geahnt hätte, dass bei einer Versiegelung gleichzeitig unbefristeter Urlaub herausspringen würde, hätte ich es schon vor Jahren in Betracht gezogen.”
Gab ich humorlos zu bedenken und erntete darauf einen müden Seitenblick von Shoko, der Schmerzen versprach.
“Soll das ein schlechter Scherz sein?”
Ich ignorierte abermals ihre Frage und straffte meine steif gewordenen Schultern.
“Wenn die treibende Kraft nicht mehr gebraucht wird, sollte sie wohl das sinkende Schiff verlassen.”
Jetzt wandte ich meine Aufmerksamkeit vollständig zu Shoko.
“Kommst du mit?”
Einen Augenblick blieb es zwischen uns still, nur durchbrochen von den gedämpften Stimmen, die kreuz und quer durch den Raum flogen und ungehört an uns vorbei zogen.
“So verlockend das Angebot auch klingt, wäre es wohl nicht sonderlich ratsam, mich von dem hilflosen Haufen zu entfernen.”
Ein kleiner Funken Enttäuschung machte sich in mir breit, doch nach dem zweiten Gedanken war ihre Entscheidung durchaus plausibel.
Immerhin war Shoko die einzige unter den Sorcerern die imstande ist ihre Umkehrtechnik auch an andere anzuwenden.
Es würde also höchstwahrscheinlich zu Zankereien mit den Higher Ups führen, wenn sie einfach verschwand.
“Ich würde dich aber um den Gefallen bitten, Haruki mitzunehmen. Sie kann an meiner Stelle Tsuki weiter versorgen, falls notwendig.”
Einverstanden senkte ich meinen Kopf.
“Dann halt so lange für mich die Ohren steif.” bat ich sie mit einem Lächeln, das selbst mir in der aktuellen Situation falsch vorkam. Dann lud ich mir die bewusstlose Tsuki erneut auf die Arme.
Eigentlich wäre es mir lieber, ihr noch ein wenig Zeit zu geben, um zumindest eine weitere Behandlung von Shoko zu erhalten. Aber mit den neu gewonnen Informationen schien selbst jede verstrichene Minute ein Risiko darzustellen, sie länger in der Reichweite der Higher Ups zu behalten.
Und mit der unbekannten Komponente in Sugurus Körper wollte ich mich im Moment nicht einmal befassen.
“Gleich ist es vorbei.”
Flüsterte ich Tsuki beruhigend zu als ein protestierendes Keuchen ihre Lippen verließ. Mugen lud sich knisternd um uns herum auf, griff in den Zwischenraum zwischen dem hier und unserem Zielort, bis der Riss zu einem Pfad wurde, dessen Länge lediglich ein Schritt mass.
Mit dem nächsten Herzschlag war es dann auch schon vorbei.
Die provisorische Krankenstation verschwand zugunsten eines düsteren Raums, der dank des kühlen Herbstwetters beinahe schon zu kalt wirkte, um angenehm zu sein.
Der Geruch von altem Holz und Bambus umfing uns beinahe schon wie eine Einladung.
“Ich wünschte, ich hätte dich unter besseren Umständen das erste Mal hierher bringen können.”
Raunte ich Tsuki zu, obwohl ich mir bewusst war, dass sie es mit ziemlicher Sicherheit nicht wahrnahm.
Mit zwei Schritten erreichte ich schließlich den Futon, kickte mit einem Fuß die dicke Wolldecke beiseite, ehe ich Tsuki auf die weiche Matte bettete.
Schnelle Schritte von leichten Füßen kündigten sich an, noch bevor sie das alte Holz der Dielen zum Knarren brachten.
Und wie erwartet flog Sekunden später auch schon die Schiebetür mit einem rumps auf.
“Satoru! Bei den Göttern bin ich froh! Es gab Gerüchte, dass du versiegelt wurdest und- .”
Akio unterbrach selbst die hektisch hervor sprudelnde Wortflut, als ich begann, die Decke um Tsukis Körper herum fest zu stecken.
“Deine Fragen müssen für den Augenblick warten.” Gab ich strenger zurück als ich eigentlich beabsichtigt hatte.
Ich strich ein letztes Mal über Tsukis Wange, bevor ich mich wieder erhob und zu Akio umdrehte, die nichts als ein Schemen in der mondlosen Nacht war.
Oder vielleicht waren es auch einfach nur Wolken, die das Licht verbargen.
“Du wirst hier bei ihr bleiben und sie mit deinem Leben schützen, wenn nötig.”
Nur dank meiner Six Eyes war ich in der Lage Akios steifes Nicken zu erkennen.
Eigentlich sträubte sich alles in mir, ihre Seite zu verlassen, aber es gab da noch einige Dinge, die ich erledigen musste, bevor ich mich der Selbstsucht hingeben durfte.
“Wer ist sie Satoru?”
Akio klang ehrlich überrascht und ich konnte es ihr nicht mal verdenken.
Immerhin hatte ich es lange genug vor mir selbst verleugnet.
“Sie ist mein ein und alles.”
Es ist mehr als ich jemals jemandem gegenüber eingestanden hatte.
Ohne auf Akios Reaktion zu warten verschwand ich auch schon wieder um ein letztes Mal das Chaos der verdrehten Jujutsu Society zu beseitigen.
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One Coke and your Curse to go *°• GojoXOc •°* a Jujutsu Kaisen Story
FanfictionOhne Auftrieb oder wirkliche Perspektive pendelt Tsuki in ihrem simplen Job als Automatenbefüllerin in Tokyo von Tag zu Tag. Geplagt von zerstörerischen schwarzen Flammen in ihren Träumen könnte es eigentlich nicht mehr schlimmer kommen, bis sich di...