Ich hatte mit Abstand noch nie in meinem ganzen Leben so viel Zeit alleine in einer Dusche verbracht wie an diesem Morgen.
Nachdem unsere kleine Blase geplatzt und ihre Verbände gewechselt waren, hatte sich eine komische Stimmung über uns ausgebreitet. Das ich mich dann praktisch für eine halbe Ewigkeit in arktische Temperaturen stürzte, half vermutlich wenig. Obwohl ich dachte, ein amüsiertes Lächeln auf ihren Lippen gesehen zu haben, als ich aus dem Bad trat.
“Die haben hier echt eine unverschämt große Auswahl an Früchten, von denen ich noch nie im Leben gehört hab.”
Tsuki saß nun wieder vollständig bekleidet im Schneidersitz zwischen den zerwühlten Laken, die Roomservice Karte aufgeklappt auf dem Schoß.
Die Vorstellung, wie ich zurück zu ihr in das Bett krabbelte und die Karte gegen meinen Kopf tauschte, durchfuhr mich wie ein Stromschlag und ließ mich jeden Schritt, den ich tat, genau abmessen.
Reiß dich zusammen Satoru.
Ich stopfte meine Sehnsüchte und den Frust in eine metaphorische Kiste, die ich so hart zuschlug, dass es selbst in meinen Knochen nach halte.
"Hm, dann sollten wir vielleicht welche zum Frühstück bestellen.”
Beschloss ich in gelasseneren Ton wie ich ihn mir selbst zugetraut hätte und steuerte das Telefon auf dem Nachttisch an. Tsuki öffnete noch den Mund um zu protestieren, aber da drang schon die Stimme eines Rezeptionisten aus dem Hörer.
“Wir hätten gerne die beste Auswahl an Obst von der Karte.” sie löste sich abrupt aus ihrem Schneidersitz und stoppte mitten in der Bewegung als ob ihr gerade wieder eingefallen wäre das sie ihre Arme nicht dazu benutzen konnte um mich von irgendetwas abzuhalten.
Also blieb sie auf ihren Knien und starrte mich mit einer Mischung aus Anstrengung und Überraschung an.
Dank Shokos Notfallsalbe, die sie über die Jahre entwickelt und in geeigneten Praxen in ganz Japan verteilt hatte, würden ihre Arme zwar bis zum Tagesende wieder wie neu sein, bis dahin konnte aber jede Kleinigkeit den Heilungsprozess behindern. Wie vorsichtig man allerdings tatsächlich sein musste, hatten wir bedauerlicherweise selbst herausgefunden.
“Das ist zu viel Gojo.”
Murmelte Tsuki betreten kaum, dass ich den Hörer wieder aufgelegt hatte.
“Nein ist es nicht.” insistierte ich hingegen und grinste sie gewitzt an, worauf sie schnaubte und mit einer Geste den ganzen Raum beschrieb.
“Hast du dich mal umgesehen? Das Zimmer allein kostet vermutlich mehr als ich für zehn Missionen bekomme!”
Unbeeindruckt zuckte ich mit den Schultern und erwiderte.
“Vermutlich, aber mach dir keine Sorgen darum.” Ihr Ärger brodelte noch ein wenig länger, bis dieser sich nach einem tiefen, abrupten Atemzug in etwas anderes verwandelte.
“Du musst mich nicht beeindrucken.”
Mein Lächeln fiel in sich zusammen und hinterließ einen Riss in der Maske, die ich für mein eigenes Wohlergehen erschaffen hatte. Ein Funken erwärmte meine Brust wie ich es schon lange nicht mehr wahrgenommen hatte und zerstob in jedem Herzschlag, der darauf kam.
Ich richtete meine Gesichtszüge und räusperte mich in der Stille zwischen uns.
“Wie kommst du darauf? Vielleicht lege ich dir einfach nur gern die Welt zu Füßen, Dārin." Meine Worte fanden ihr Ziel und ließen Blumen in Form von Röte auf ihrem Gesicht sprießen. Ich unterdrückte ein glucksen angesichts ihrer offensichtlichen Verlegenheit.
“Ich … Du solltest nicht einfach so mit Worten um dich schmeißen.”
Stolperte sie zaghaft über ihre eigenen und blickte hinunter auf die Laken, als hätte sie plötzlich etwas furchtbar Interessantes auf diesen gefunden.
“Ich fürchte, Taten haben uns heute morgen nicht sonderlich weit gebracht.”
Überrascht schoss ihr Blick wieder hoch und taxierte mich mit ihren dunklen Augen.
Ich würde ihr gerne sagen, dass mir noch nie etwas derartiges über die Lippen gekommen war, das ich nicht so gemeint hatte. Aber das wäre eine Lüge gewesen.
Ein Klopfen an der Tür zerriss den ohnehin fragilen Moment in der Luft.
“Herein.” Wie auf Kommando traten drei Frackträger mit Tablettes ein, die sie wort und beinahe lautlos auf dem viel zu kleinen Tisch am Fenster abstellten bevor sie wieder verschwanden.
“Wie Zombies.” Flüsterte Tsuki in die neuerliche Zweisamkeit und wandelte damit die Stimmung zu etwas Normalem.
“Wusstest du nicht, dass man seine Seele in einem dunklen Ritus verliert, sobald man in einem noblen Hotel angestellt wird?” erklärte ich in einem so albern ernsten Ton, dass Tsuki mich einen Wimpernschlag verwirrt musterte, bevor sie mich an grinste.
“Vermutlich hat ihnen niemand das Kleingedruckte erklärt.” Erwiderte sie sachlich und rutschte an die Bettkante.
Ich streckte ihr die Hand hin und erwartete schon beinahe, dass sie meine Hilfe nicht wollte. Doch sie überraschte uns anscheinend beide, damit das sie diese wie selbstverständlich annahm.
Meine Mundwinkel zogen sich entspannt auseinander, trotz dass Tsuki ihre Hand wieder aus meiner nahm, kaum dass sie aufrecht stand.
Neugierig sichtete Tsuki den voll beladenen Tisch, während ich mir eine einzelne Traube von einem Tablette klaubte und meinen Blick über die idyllische Skyline schweifen ließ.
“Es sieht weniger erdrückend aus.”
Überrascht von ihren Worten wanderte mein Blick zu ihr zurück und ihren plötzlich müde wirkenden Augen, die nun auf die Stadt hinab blickten.
“Im Gegensatz zu Tokio scheint hier noch etwas Frieden zu herrschen, wenn das in irgendeiner Weise Sinn ergibt.”
Ich nickte auch wenn sie es nicht sah und bestätigte so leise, dass ich beinahe befürchtete, dass sie es nicht hören konnte.
“Frieden ist dort, wo wir nicht so oft gebraucht werden und ein natürliches Gleichgewicht herrscht.” und an eben denselben Orten finden wir auch unseren Frieden. Obwohl es in manchen Fällen nicht mal so wichtig war, wo man sich befand, sondern eher mit wem.
Unsere Blicke trafen sich, als hätte Tsuki jeden einzelnen Gedanken mitangehört.
Ein Herzschlag verging, dann ein Atemzug.
“Ich vermute, dass es kein realistisches Ziel wäre, das Gleichgewicht überall zu erwirken.” Meine Augenbrauen zogen sich zusammen da es sich mehr wie eine Feststellung denn wie eine Frage anhörte.
Kurz darauf zog ein Schatten über mich hinweg und hinterließ ein Kribbeln, das mir die Wirbelsäule entlang fuhr.
“Nein wäre es nicht.” Stellte ich ebenfalls fest und sah zu wie Tsuki das Grün einer Erdbeere abzupfte, bevor diese in ihrem Mund landete.
Als wir mit dem vitaminreichsten Frühstück, das ich je hatte fertig waren, strahlte Tsuki endlich wieder eine gesunde Energie aus. Lächelnd lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und knabberte noch an einem Stück des Innenlebens einer Kokosnuss.
“Meinst du, wir haben noch etwas Zeit, uns die Stadt anzusehen, bevor wir zurück müssen?” fragte Tsuki zwischen zwei Bissen, ehe sie den Rest verschwinden ließ.
“Wir nehmen uns einfach die Zeit.”
antwortete ich ihr mit einem selbstsicheren Lächeln und rollte die Überreste einer Litchi mit meiner Fluchkraft gedankenverloren über meinen Teller.
“Darf ich dich etwas fragen?”
Die Hülle der Frucht blieb reglos liegen, als ich Tsuki meine volle Aufmerksamkeit zuwandte und ihr aufmunternd zu nickte.
“Warum willst du nicht, dass ich im Grade aufsteige?” Die Frage überraschte mich nicht wirklich und brachte in mir eine eigene hervor, die offensichtlich mit ihrer zusammen hing.
“Warum willst du mir nicht erzählen, was Mei Mei dir gesagt hat?” sie verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust und forderte Kompromiss bereit
“Du zuerst Special Grade.”
Forderte sie mich auf und schlug langsam die Beine übereinander.
“Es ist nicht so, dass ich mich aus Eigennutz gegen deine Aufstufung stelle.”
Sie musterte mich anklagend und war wahrscheinlich auf jede Erklärung gefasst, die mir nun über meine Lippen kommen würde.
“Aber ich würde eher sterben als zuzusehen, wie sie dich zu einer unerschöpflichen Waffe formen, wie meine Familie es bei mir getan hat.”
Ihre Schultern spannten sich kurz an, nur um dann nach unten zu sacken.
Mitleid schlich sich in ihre Züge, was ein ekliges Gefühl in mir hervorrief, das ich schnell hinunter schluckte, bevor es zu Tage treten konnte.
Es gab einen guten Grund, wieso ich es vermied, über den Gojo Clan zu sprechen.
“Ich habe es dir schon einmal gesagt und ich sage es dir wieder. Dein Leben, deine Entscheidung Tsuki-chan.”
Es kam nicht so sanft heraus wie ich es eigentlich vor hatte.
“Du bist dran.” Schob ich noch hinterher, um sie von jeder Nachfrage abzuhalten, für die ich nicht bereit war.
Tsuki rutschte auf ihrem Stuhl herum, stellte ihr Bein wieder auf den Boden ab, nur um dann unentschlossen das andere über ihren Oberschenkel zu falten.
“Ich glaube, sie wollte mich der Jujutsu Tech in Tokyo abspenstig machen.”
Das war eine sehr wage Schilderung, aber nicht sonderlich überraschend.
“Und dabei ist sie vielleicht etwas gehässig vorgegangen.” Meine Muskeln spannten sich an bei dem Gedanken, wie sie Mei Mei und ihrer spitzen Zunge ausgeliefert war.
“Es geht mich nichts an, mit wem du was hast, ich meine…” stotterte sie vor sich hin, bevor ich mich wieder entspannte, während sich eins und eins zusammenfügten und ich Tsuki mit einem neckischen Lächeln unterbrach.
“Ich und Mei Mei?” Bei meiner Frage wandte sie den Blick ab und klemmte sich verstohlen die Hände zwischen ihre Beine.
“Was genau hast du dir denn unter ihr und mir vorgestellt, Tsuki-chan?"
Ein dunkles Lachen bahnte sich meine Kehle hinauf. Mir entging natürlich nicht, wie Tsuki ihre Beine fester gegeneinander presste und sich eine delikate Röte an ihrem Nacken zeigte.
Da war keine Reue an ihr zu erkennen, als sie den Kopf hob, nur eine Spiegelung meines eigenen Hungers, der nichts mit dem Essen vor uns zu tun hatte.
Meine Frage hing weiter wie eine Aufforderung über uns, als ich mich von meinem Stuhl erhob und vor ihr auf die Knie ging. Mit großen Augen beobachtete Tsuki jede meiner Bewegungen.
Ich gluckste angesichts ihres Gesichtsausdrucks und zog vorsichtig ihre Hände zwischen ihren Beinen hervor.
“Kein Grund, die Sache nochmal blutig werden zu lassen.” ich pflanzte eine zarten Kuss auf ihre verbundenen Knöchel.
“Ich fürchte nämlich, dass der Hotelier doch etwas misstrauisch werden könnte, wenn ich ein weiteres Mal nach Verbänden fragen müsste.” damit stand ich auf und stibitzte ein Stück Honigmelone von ihrem Teller, das als klägliche Ablenkung diente.
Allerdings wurden aus einem Stück schon bald fünf, bis sich die Atmosphäre wieder auf normaler Temperatur befand.
“Und war da etwas zwischen euch?”
Wo das Thema bisher einen spielerischen Ton hatte, war nun eine gewisse Ernsthaftigkeit eingetreten.
“Würde es einen Unterschied machen?”
Die Frage, die im Gegenzug meine Lippen verließ, überraschte mich selbst ein wenig und noch mehr schien sie Tsuki zu treffen.
Jede Röte war aus ihrem Gesicht verschwunden, als sie den Kopf schüttelte.
“Ich steh leider nicht auf Frauen, deren Prinzipien nur aus Geld bestehen.”
Dieser Satz genügte ihr, um ihre Schultern erleichtert sacken zu lassen.
Anscheinend war da noch mehr, was sie mir nicht verraten hat. Da sie aber mit meiner Antwort scheinbar mit dem ganzen abschließen konnte, würde ich es dabei belassen.
Wir verbrachten den halben Tag in Sapporo zwischen dem Trubel der Stadt und allen lokalen Köstlichkeiten, die wir finden konnten, bis der Anruf kam, der uns wie Hunde zurück zu ihrem Herrchen pfiff.
Und auch wenn Tsuki beteuerte, dass es in Ordnung war, hätte ich dem Missions Koordinator am anderen Ende am liebsten den Kopf abgerissen.
Zurück in Tokyo überfiel mich praktisch eine Sache nach der anderen, die mich von Tsuki los rissen, noch bevor sie beteuern konnte, dass es ihr gut genug ging, um mir weiter die Arbeit abzunehmen.
Es vergingen drei Tage, während denen ich den Schlaf, den ich im Hotel bekommen hatte, beinahe hinterher trauerte. Doch umso mehr genoss ich die unerwartete Tatsache, dass regelmäßige SMS von Tsuki bei mir ankamen.
Am Anfang dachte ich, sie würde ihre neu gefundene Rolle als meine Aufpasserin ungern so schnell wieder abtreten.
Aber als es auch am dritten Tag noch keinen Abbruch ihrer Nachrichten gab, fing ich langsam an, es zu bezweifeln.
Ich konnte nicht leugnen, dass mir diese neu gewonnene Vertrautheit zwischen uns gefiel. Aber umso rastloser wurde ich in Bezug auf einer anderen Sache.
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One Coke and your Curse to go *°• GojoXOc •°* a Jujutsu Kaisen Story
FanficOhne Auftrieb oder wirkliche Perspektive pendelt Tsuki in ihrem simplen Job als Automatenbefüllerin in Tokyo von Tag zu Tag. Geplagt von zerstörerischen schwarzen Flammen in ihren Träumen könnte es eigentlich nicht mehr schlimmer kommen, bis sich di...